Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Trotz hoher Nachfrage bleibt die Tafel beim Aufnahmestopp
Neben dem Warenangebot und dem Personal verhindert die Logistik einen weiteren Kundenzuwachs. Viele Bedürftige nehmen deshalb eine alternative Anlaufstelle in Anspruch.
Das nasskalte und windige Wetter dieser Tage gibt schon mal einen Vorgeschmack auf das, wovor sich viele Menschen fürchten: einen äußerst ungemütlichen Winter, weil die Heizung gar nicht mehr oder nur noch wenig aufgedreht wird. Neben den explodierenden Energiekosten tun auch die gestiegenen Lebensmittelpreise vor allem denjenigen weh, die schon vor der Krise jeden Euro umdrehen mussten. Menschen wie die Frauen und Männer, die an diesem Nachmittag zur Ausgabestelle der Augsburger Tafel nach Göggingen gekommen sind.
In der Schlange harrt auch ein weißhaariger Mann im Regen aus, bis er an die Reihe kommt und in den Ausgaberaum darf. Er sei seit zwei Jahren Kunde bei der Tafel, erzählt der 72-Jährige, der seinen Namen nicht nennen will. Dafür gibt er preis, dass er mit Rente und Grundsicherung 450 Euro monatlich zur Verfügung habe, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Einkauf im Supermarkt oder Discounter werde für ihn immer mehr zur Zitterpartie. „Die Preise steigen von Woche zu Woche, egal ob Lebensmittel oder Toilettenpapier. Und ich weiß noch gar nicht, was mit dem Strom noch auf mich zukommt.“Die Tafel sei in der schwierigen Situation für ihn eine große Hilfe. Diesen Worten schließt sich auch eine Frau an, die eine Tasche voller Gemüse herzeigt – der erste Teil der ausgegebenen Waren. „Das reicht mir jetzt eine ganze Woche, mal mit Kartoffeln, mal als Suppe und mal mit ein bisschen Leberkäse.“
Knapp 3000 Menschen versorgt die Augsburger Tafel nach den Worten ihres Vorsitzenden Klaus Matthiessen Woche für Woche mit Lebensmitteln. Auch wenn die Extra-ausgabe für die ukrainischen Geflüchteten seit den Sommerferien eingestellt sei, habe man die Kapazitäten dennoch nicht hochgefahren: „Es bleibt beim Aufnahmestopp“, sagt er. Das heißt: Es werden auch weiterhin keine zusätzlichen Kundinnen und Kunden aufgenommen. Diese Situation besteht seit Mai. Matthiessen und sein Team sehen keine Möglichkeit, das zu ändern. Da sind zum einen die meist älteren Helferinnen und Helfer, denen nicht mehr zugemutet werden könne. Zusätzliche Ehrenamtliche sind nach Einschätzung der Verantwortlichen kaum zu gewinnen: „Viele kommen nur ein oder zwei Mal und bleiben dann weg. Da lohnt sich die Einarbeitung gar nicht“, sagt Matthiessen. Manche schrecke zudem die verpflichtende Lebensmittelbelehrung im Gesundheitsamt ab. Die Helfer kommen in den Ausgabestellen, im Lager und als Fahrer zum Einsatz. Elisabeth Happacher ist schon seit zehn Jahren im Einsatz und gibt an diesem Nachmittag Obst an die Kundschaft in Göggingen aus. Diese Woche sei die Ware knapp, hat die Rentnerin festgestellt. „Da sind manche schon enttäuscht, weil ich ihnen nicht mehr geben kann.“
Dass die Ware immer mehr zum limitierenden Faktor wird, weiß auch Tafel-chef Matthiessen. „Wir spüren das veränderte Bestellwesen der Supermärkte, es bleibt nicht mehr so viel übrig wie früher.“Und manchmal gebe es, wie gerade jetzt, wenig Obst und Gemüse und dafür üppig Milchprodukte. Doch der Vorsitzende will nicht jammern, sondern ist froh über jegliche Spenden und die Unterstützung des Handels. So würden vom 10. bis 22. Oktober in allen Rewe-märkten gefüllte Tüten verkauft, die Tafelkunden zugutekommen sollen. Auch von den Augsburger Bäckereien werde man gut bedient. Um noch mehr Bedürftige aufnehmen zu können, bräuchte es neben ausreichend Personal und Waren aus Sicht der Verantwortlichen aber auch eine optimierte Logistik. „Wir sind seit Jahren auf der Suche nach einer bezahlbaren, möglichst zentral gelegenen Immobilie, die als Lager und Ausgabestelle dienen könnte.“Denn die Lagerkapazitäten
Einige mussten schon vor der Krise jeden Euro umdrehen
Die Lagerkapazitäten der Tafel reichen nicht aus
in der Hauptstelle in Oberhausen sowie in Lechhausen reichten nicht aus. „Es tut mir in der Seele weh, dass wir nicht mehr Menschen helfen können“, sagt Matthiessen.
Dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger bedürftig werden, merkt auch die Augsburger Kantine, die in vier Ausgabestellen in der Stadt Kundinnen und Kunden mit Lebensmitteln versorgt. „Zu uns kommen mehr als doppelt so viele Leute wie noch vor ein paar Monaten“, sagt Ashraf Rashwan, der Vorsitzende des Trägervereins. Er schätzt, dass bis zu 500 Personen täglich kommen, die je nach der Größe der Tüte zwischen drei und sieben Euro für ihren Einkauf zahlen. Die Waren bekomme er von Supermärkten und Discountern, müsse aber mit dem Geld aus den Einnahmen weitere Lebensmittel dazukaufen. „Wir arbeiten gerade bis zum Umfallen“, beschreibt Rashwan das immense Pensum von ihm und seinem Ehrenamtlichenteam. Das liege auch am Aufnahmestopp der Tafel. „Sie schickt die Leute jetzt zu uns.“