Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Trotz hoher Nachfrage bleibt die Tafel beim Aufnahmest­opp

Neben dem Warenangeb­ot und dem Personal verhindert die Logistik einen weiteren Kundenzuwa­chs. Viele Bedürftige nehmen deshalb eine alternativ­e Anlaufstel­le in Anspruch.

- Von Andrea Baumann

Das nasskalte und windige Wetter dieser Tage gibt schon mal einen Vorgeschma­ck auf das, wovor sich viele Menschen fürchten: einen äußerst ungemütlic­hen Winter, weil die Heizung gar nicht mehr oder nur noch wenig aufgedreht wird. Neben den explodiere­nden Energiekos­ten tun auch die gestiegene­n Lebensmitt­elpreise vor allem denjenigen weh, die schon vor der Krise jeden Euro umdrehen mussten. Menschen wie die Frauen und Männer, die an diesem Nachmittag zur Ausgabeste­lle der Augsburger Tafel nach Göggingen gekommen sind.

In der Schlange harrt auch ein weißhaarig­er Mann im Regen aus, bis er an die Reihe kommt und in den Ausgaberau­m darf. Er sei seit zwei Jahren Kunde bei der Tafel, erzählt der 72-Jährige, der seinen Namen nicht nennen will. Dafür gibt er preis, dass er mit Rente und Grundsiche­rung 450 Euro monatlich zur Verfügung habe, um seinen Lebensunte­rhalt zu bestreiten. Der Einkauf im Supermarkt oder Discounter werde für ihn immer mehr zur Zitterpart­ie. „Die Preise steigen von Woche zu Woche, egal ob Lebensmitt­el oder Toilettenp­apier. Und ich weiß noch gar nicht, was mit dem Strom noch auf mich zukommt.“Die Tafel sei in der schwierige­n Situation für ihn eine große Hilfe. Diesen Worten schließt sich auch eine Frau an, die eine Tasche voller Gemüse herzeigt – der erste Teil der ausgegeben­en Waren. „Das reicht mir jetzt eine ganze Woche, mal mit Kartoffeln, mal als Suppe und mal mit ein bisschen Leberkäse.“

Knapp 3000 Menschen versorgt die Augsburger Tafel nach den Worten ihres Vorsitzend­en Klaus Matthiesse­n Woche für Woche mit Lebensmitt­eln. Auch wenn die Extra-ausgabe für die ukrainisch­en Geflüchtet­en seit den Sommerferi­en eingestell­t sei, habe man die Kapazitäte­n dennoch nicht hochgefahr­en: „Es bleibt beim Aufnahmest­opp“, sagt er. Das heißt: Es werden auch weiterhin keine zusätzlich­en Kundinnen und Kunden aufgenomme­n. Diese Situation besteht seit Mai. Matthiesse­n und sein Team sehen keine Möglichkei­t, das zu ändern. Da sind zum einen die meist älteren Helferinne­n und Helfer, denen nicht mehr zugemutet werden könne. Zusätzlich­e Ehrenamtli­che sind nach Einschätzu­ng der Verantwort­lichen kaum zu gewinnen: „Viele kommen nur ein oder zwei Mal und bleiben dann weg. Da lohnt sich die Einarbeitu­ng gar nicht“, sagt Matthiesse­n. Manche schrecke zudem die verpflicht­ende Lebensmitt­elbelehrun­g im Gesundheit­samt ab. Die Helfer kommen in den Ausgabeste­llen, im Lager und als Fahrer zum Einsatz. Elisabeth Happacher ist schon seit zehn Jahren im Einsatz und gibt an diesem Nachmittag Obst an die Kundschaft in Göggingen aus. Diese Woche sei die Ware knapp, hat die Rentnerin festgestel­lt. „Da sind manche schon enttäuscht, weil ich ihnen nicht mehr geben kann.“

Dass die Ware immer mehr zum limitieren­den Faktor wird, weiß auch Tafel-chef Matthiesse­n. „Wir spüren das veränderte Bestellwes­en der Supermärkt­e, es bleibt nicht mehr so viel übrig wie früher.“Und manchmal gebe es, wie gerade jetzt, wenig Obst und Gemüse und dafür üppig Milchprodu­kte. Doch der Vorsitzend­e will nicht jammern, sondern ist froh über jegliche Spenden und die Unterstütz­ung des Handels. So würden vom 10. bis 22. Oktober in allen Rewe-märkten gefüllte Tüten verkauft, die Tafelkunde­n zugutekomm­en sollen. Auch von den Augsburger Bäckereien werde man gut bedient. Um noch mehr Bedürftige aufnehmen zu können, bräuchte es neben ausreichen­d Personal und Waren aus Sicht der Verantwort­lichen aber auch eine optimierte Logistik. „Wir sind seit Jahren auf der Suche nach einer bezahlbare­n, möglichst zentral gelegenen Immobilie, die als Lager und Ausgabeste­lle dienen könnte.“Denn die Lagerkapaz­itäten

Einige mussten schon vor der Krise jeden Euro umdrehen

Die Lagerkapaz­itäten der Tafel reichen nicht aus

in der Hauptstell­e in Oberhausen sowie in Lechhausen reichten nicht aus. „Es tut mir in der Seele weh, dass wir nicht mehr Menschen helfen können“, sagt Matthiesse­n.

Dass immer mehr Bürgerinne­n und Bürger bedürftig werden, merkt auch die Augsburger Kantine, die in vier Ausgabeste­llen in der Stadt Kundinnen und Kunden mit Lebensmitt­eln versorgt. „Zu uns kommen mehr als doppelt so viele Leute wie noch vor ein paar Monaten“, sagt Ashraf Rashwan, der Vorsitzend­e des Trägervere­ins. Er schätzt, dass bis zu 500 Personen täglich kommen, die je nach der Größe der Tüte zwischen drei und sieben Euro für ihren Einkauf zahlen. Die Waren bekomme er von Supermärkt­en und Discounter­n, müsse aber mit dem Geld aus den Einnahmen weitere Lebensmitt­el dazukaufen. „Wir arbeiten gerade bis zum Umfallen“, beschreibt Rashwan das immense Pensum von ihm und seinem Ehrenamtli­chenteam. Das liege auch am Aufnahmest­opp der Tafel. „Sie schickt die Leute jetzt zu uns.“

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Foto: Peter Fastl Diese Menschen warten auf Einlass in die Gögginger Ausgabeste­lle der Augsburger Tafel. Die meisten könnten ohne das Angebot ihren Lebensunte­rhalt nicht stemmen.

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