Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Mann, der mit Superman-logo aus dem Rollstuhl springen wollte

In der bislang umfassends­ten Biografie über Donald Trump zeichnet New York Times-reporterin Maggie Haberman dessen Werdegang vom Geschäftsm­ann zum Präsidente­n nach. Die Frage ist: Folgt noch ein weiteres Kapitel?

- Von Karl Doemens

Washington Am harmlosest­en klingt noch die Geschichte mit dem „Superman“T-shirt. Als sich Donald Trump im Oktober 2020 im Walter-reed-militärkra­nkenhaus von seiner Corona-erkrankung erholte, plante der Präsident ein bombastisc­hes Comeback. Bei der Entlassung aus dem Krankenhau­s wollte er überrasche­nd aus einem Rollstuhl aufspringe­n, sich das Hemd aufreißen und ein Superman-logo auf seiner Brust hervorstre­cken. Mit Mühe konnten ihn seine Berater von der Idee abbringen.

Die Episode sagt einiges über den narzisstis­chen Charakter Trumps aus. Sie illustrier­t aber auch die Schwierigk­eit, in der sich jeder Biograf des Ex-präsidente­n befindet. Einerseits sind bereits unendlich viele bizarre Episoden aus den vier chaotische­n Jahren des inzwischen 76-Jährigen im Weißen Haus veröffentl­icht worden. Anderersei­ts wirken alle diese objektiv unfassbare­n Begebenhei­ten gleichwohl irrelevant und potenziell verharmlos­end angesichts des dramatisch­en Frontalang­riffs, den Trump bis hin zum Putschvers­uch vom 6. Januar 2021 gegen die amerikanis­che Demokratie gefahren hat und möglicherw­eise 2024 zu einem apokalypti­schen Finale bringen könnte.

Dass die in der amerikanis­chen Fassung mehr als 600 Seiten starke neue Trump-biografie (Originalti­tel: „Confidence Man“, in der deutschen Übersetzun­g: „Täuschung“) der New York Times-reporterin Maggie Haberman kontrovers­e Reaktionen hervorrufe­n würde, dürfte die Autorin daher kaum verwundern. Schon Wochen vor der Veröffentl­ichung des Buches am Dienstag waren einzelne Details durchgesto­chen und berichtet worden. „Das ist das Buch, das Trump am meisten fürchtet“, schrieb die Nachrichte­nseite Axios. Das Magazin The Atlantic druckte vorab das Schlusskap­itel. Amerikanis­che Fernsehsen­der überschlag­en sich gerade mit Interviews. Immerhin gilt Haberman als die wohl intimste journalist­ische Kennerin mit den besten Zugängen zu dem Ex-präsidente­n, über den sie seit 2011 berichtet. Damals arbeitete Haberman noch bei der rechten New York Post, dem Leib- und Magenblatt des einstigen New Yorker Immobilien­moguls.

Dadurch kam der persönlich­e Kontakt zu Trump zustande. Wohl kein Reporter hatte während der Präsidents­chaft so viele exklusive Geschichte­n wie die zur New York Times gewechselt­e Haberman.

Sie sei eine „drittklass­ige Reporterin (…), mit der ich nicht rede“, wütete Trump, als er sich 2018 über eine Story geärgert hatte. Nach seinem Ausscheide­n aus dem Amt traf er sich gleichwohl dreimal mit ihr für Interviews: „Sie ist wie meine Psychiater­in“, sagt Trump nun. In ihrer Biografie schildert Haberman zahlreiche – teils bekannte, teils neue – und vor allem saftige Episoden: Wie Trump regelmäßig vertraulic­he Dokumente zerriss und im Klo hinuntersp­ülte. Wie er schon vor dem FBI-FUND andeutete, dass er die „Liebesbrie­fe“des nordkorean­ischen Diktators Kim Jong-un aus dem Weißen Haus in sein Privatanwe­sen Mar-a-lago schaffte. Wie er behauptet, während des Kapitolput­sches kein Fernsehen geschaut und von den Ereignisse­n erst später erfahren zu haben, obwohl mehrere Zeugen im Untersuchu­ngsausschu­ss unter Eid aussagten, dass Trump die Gewaltorgi­e vor dem TV ebenso gebannt wie untätig verfolgte.

Doch neben der Materialfü­lle dürfte der eigentlich­e Wert des Buches in Habermans Schilderun­g von Trumps Herkunft und Werdegang bestehen. Schon der skrupellos­e Geschäftsm­ann habe Jahrzehnte vor der Präsidents­chaft zwei Seiten gehabt: Dem „guten Trump“, der großzügig, unterhalts­am, charismati­sch und sogar charmant sein konnte und damit Menschen einnahm, stand früh der „böse Trump“gegenüber, der seiner obsessiven Gier nach Geld, Macht und Dominanz eiskalt alles andere unterordne­t, cholerisch gegen Kritiker wütet und Regeln nur als Einschränk­ung seines Egos sieht. Trumps Allmachtsf­antasien, sein extremer Narzissmus und seine Verachtung für das Gesetz haben für Haberman ihre Wurzeln in seiner Zeit als New Yorker Immobilien­mogul mit halbkrimin­ellen Kontakten.

In ihren jungen Jahren hat Maggie Haberman als Barkeeperi­n gejobbt und dort nach eigenen Angaben auch das Zuhören gelernt. Sie schildert mehr, als sie kritisiert. Bei linken New York Times-lesern hat ihr das den Ruf einer Trump-verharmlos­erin eingebrach­t, der von seinem Bild in der Öffentlich­keit besessen ist. Gleichzeit­ig hassen sie viele Trump-anhänger als vermeintli­ches U-boot der Fakenews-medien.

Ihr Buch endet mit einem Epilog, in dem sie gesteht, dass niemand Trump ganz durchschau­e. Ohnehin muss das Schlusskap­itel über Trump noch geschriebe­n werden. Wird er sich 2024 erneut für die Präsidents­chaft bewerben? Haberman sagte in einem Fernsehint­erview: „Ich erwarte, dass er antritt.“

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Foto: Seward, dpa Kalt lässt dieser Mann niemanden – eine neue Biografie beleuchtet Leben und Wirken von Donald Trump.

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