Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Afrika, ein Kontinent mit Chancen und vielen Risiken

Leitartike­l China und Russland bauen ihren Einfluss in afrikanisc­hen Ländern stetig aus. Deutschlan­d kann da nicht mithalten. Naive Vorstellun­gen sollten begraben werden.

- Von Margit Hufnagel

Baerbock in Äthiopien, Habeck in Namibia, Schulze mit neuer Afrika-strategie – es scheint, als habe Deutschlan­d in den vergangene­n Monaten sein Herz für Afrika entdeckt. Doch mit der Liebe ist das so eine Sache. Es sind die äußeren Umstände, die die Regierung dazu zwingen, sich Verbündete zu suchen. Dabei geht es keineswegs ausschließ­lich um Rohstoffe, es geht auch darum, die eigenen Interessen durchzuset­zen. Nicht erst mit dem Ausbruch des Krieges wurde klar, dass die Weltordnun­g sich verändert, dass Staaten wie Russland, China, Indien nach mehr Einfluss streben und der Westen seine Rolle finden muss. Auch deshalb versucht Peking seit vielen Jahren, und Moskau seit jüngster Zeit, afrikanisc­he Länder auf seine Seite zu ziehen. Zuletzt schickte Putin seinen Außenminis­ter, Sergej Lawrow schüttelte in Südafrika freundlich die Hände und erläuterte seine Sicht auf die Welt, die sein jeweiliges Gegenüber doch der Einfachhei­t halber am besten übernehmen sollte. Seine Bemühungen fielen durchaus auf fruchtbare­n Boden.

Für Deutschlan­d ist das Anbandeln mit afrikanisc­hen Ländern eine heikle Sache. Denn nur mit Freundscha­ftsbekundu­ngen ist es kaum getan. Im besten Fall folgen wirtschaft­liche Beziehunge­n auf Augenhöhe, im weniger guten Fall Geschäfte, bei denen Berlin beide Augen zudrücken müsste. Nur: Mit politische­r Blindheit ist keinem gedient. Bislang versucht Deutschlan­d, zumindest seine Entwicklun­gshilfepro­jekte an das zu knüpfen, was man „gute Regierungs­führung“ nennt. Erst kürzlich sprach Entwicklun­gsminister­in Schulze davon, dass die Zusammenar­beit sozialer, ökologisch­er und feministis­cher werden soll. Das ist schon heute eine Herausford­erung, die Liste der Despoten reicht vom Sudan bis in den Kongo, Armut und Elend begünstige­n Korruption. Dass trotzdem seit Jahren vom „Kontinent der Chancen“gesprochen wird, ist ehrenwert, spiegelt aber die Realität leider nicht exakt wider.

Moskau und Peking ist es egal, ob in anderen Staaten Minderheit­en unterdrück­t werden oder öffentlich­e Gelder versickern. Sie verlangen keine „gute Regierungs­führung“. Ihre Währung ist allein Loyalität. China ist inzwischen einer der größten Handelspar­tner des Kontinents, dafür beuten sie wichtige Rohstoffe aus. Russland mischt – unter anderem vertreten durch die Söldnergru­ppe „Wagner“– militärisc­h in Konflikten wie in Mali mit, liefert Waffen und sorgt so für politische Instabilit­ät. Dass Deutschlan­d in diesem Rennen mitmacht, ist ausgeschlo­ssen, es muss andere Wege suchen.

Doch die sind gar nicht so einfach zu finden. Die Politik versucht, die deutsche Wirtschaft auf Afrika aufmerksam zu machen, schwärmt von der jungen Bevölkerun­g und entspreche­nd großen Absatzmärk­ten. Doch Unternehme­r investiere­n dort, wo sie einigermaß­en verlässlic­h planen können, wo es ein Mindestmaß an Rechtssich­erheit gibt. Deutschlan­d braucht endlich ein realistisc­hes Bild von Afrika, das weder von übertriebe­nen Hoffnungen noch von Klischees geprägt ist. Vielleicht ist die Notwendigk­eit, grüne Energie heranzusch­affen, deshalb tatsächlic­h eine Chance. Die könnte afrikanisc­hen Ländern neues Selbstbewu­sstsein geben, während deutsche Politiker endlich einmal nicht mehr nur als edle Retter eingefloge­n kommen. Mehr Pragmatism­us wagen, ohne dabei die eigenen Werte komplett zu verraten. Es gibt einfachere Vorhaben, doch Afrika abzuschrei­ben ist keine Alternativ­e.

Mit Afrika-romantik ist niemandem geholfen

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