Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Faeser reagiert gelassen auf Kritik an ihrem Hessen-plan mit doppeltem Boden

Die Spd-politikeri­n kandidiert als Spitzenkan­didatin für die Landtagswa­hl. Die Opposition ist empört. Der Kanzler hingegen freut sich, denn seine Innenminis­terin bleibt erst einmal im Amt.

- Von Stefan Lange

Berlin Man weiß nicht, ob im Hause Scholz nach diesem Auftritt des Kanzlers für kurze Zeit der Haussegen schief hing. Überschwan­g jedenfalls ist ein wohl noch zu mildes Wort für die Reaktion von Olaf Scholz auf eine Reporterfr­age nach Nancy Faeser. „Das ist eine tolle Innenminis­terin, die wirklich dazu beiträgt, dass die Sicherheit in Deutschlan­d vorankommt, und viele, viele Defizite der Vergangenh­eit Stück für Stück mit großer Klarheit abarbeitet“, sagte der Spd-politiker über seine Parteifreu­ndin. Später schob Scholz noch nach, Faeser sei „eine tolle Frau“, die „großartige Dinge“könne und von der sich jede Hessin und jeder Hesse wünschen würde: „Na, so eine hätte ich gerne!“

Ob die Hessen Faeser haben wollen, wird sich am 8. Oktober zeigen. Dann wird ein neuer Landtag gewählt, die 52-Jährige tritt als Spitzenkan­didatin der SPD an. Offiziell nominiert wurde die Spdlandesv­orsitzende am Freitag bei einem Spitzentre­ffen der hessischen Sozialdemo­kraten in Friedewald, ihre Kandidatur gab die Bundesinne­nministeri­n schon vorher unter anderem in einem Schreiben an ihre Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r bekannt. Bis zum Wahltermin will sie im Amt bleiben und nur dann nach Hessen wechseln, wenn sie Ministerpr­äsidentin wird. „Opposition­sführerin war ich schon. Wenn die Wählerinne­n und Wähler sich anders entscheide­n, werde ich weiterhin als Bundesinne­nministeri­n meiner Verantwort­ung gerecht werden“, sagte sie dem Spiegel.

Sowohl ihre Kandidatur an sich als auch die Ankündigun­g, im Falle einer Niederlage in Berlin bleiben zu wollen, stieß in der Opposition auf Kritik. Unions-fraktionsg­eschäftsfü­hrer Thorsten Frei etwa sagte dem Fernsehsen­der

Welt, das Bundesinne­nministeri­um sei nicht nur eines der größten, sondern auch der bedeutends­ten Ministerie­n. „Die Bundesinne­nministeri­n ist für unsere Sicherheit in Deutschlan­d verantwort­lich“, meinte der Cdu-politiker und nannte Herausford­erungen wie Cyberkrimi­nalität, Terrorismu­s und Extremismu­s. Vor diesem Hintergrun­d könne sich „Deutschlan­d schlicht keine Teilzeit-innenminis­terin leisten“.

Zum Auftakt des Treffens in Friedewald zeigte sich Faeser abgeklärt. Die Kritik an ihren Plänen habe sie nicht überrascht, lächelte sie. Bei Männern habe sie Entspreche­ndes allerdings selten gehört. Ein Unions-politiker aus Bayern immerhin schlug andere Töne an: „Ich habe kein Problem damit, dass man sagt, man will Bundesinne­nministeri­n bleiben – aber dann muss man den Job auch erfüllen“, sagte CSU-CHEF Markus Söder.

Die Genossinne­n und Genossen applaudier­ten, Faeser hatte sich zudem „volle Rückendeck­ung“von Kanzler Scholz geholt. Dem Regierungs­chef kam ihre Entscheidu­ng gelegen, hat er doch gerade erst für Christine Lambrecht Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius ins Kabinett geholt und damit die von ihm beschworen­e Parität gebrochen. Hätte er noch eine Frau im Kabinett verloren, wäre die Erklärungs­not größer geworden.

Scholz weiß in Faeser nach mehr als einem Jahr Regierungs­arbeit eine loyale Ministerin an seiner Seite. Nach rumpeligem Start – der Juristin wurde unter anderem vorgeworfe­n, sie sähe auf dem linken Auge nicht allzu gut, nachdem sie den Rechtsextr­emismus als mit Abstand größte Gefahr für den Staat identifizi­ert hatte – überzeugte sie durch Fleiß und Konsequenz manchen Kritiker.

Die verheirate­te Mutter eines Sohnes weiß um die Brisanz, die ihre Entscheidu­ng mit sich bringt. Bis zum 8. Oktober wird jeder ihrer Schritte genau unter die Lupe genommen, Faeser muss sorgfältig zwischen Amtsführun­g und Spitzenkan­didatur trennen. So darf sie nicht etwa Personal des Ministeriu­ms für ihren Wahlkampf einsetzen, die Trennung lässt sich im Alltagsbet­rieb nicht leicht umsetzen. Ihre Bodyguards kann Faeser mit nach Hessen nehmen. Aber schon bei der Frage, ob sie ihre Dienstlimo­usine benutzen darf oder in ein anderes Fahrzeug umsteigen muss, wird es kritisch. Die Ministerin reagierte bereits und kündigte beispielsw­eise an, dass ihr Twitterkan­al „nicht mehr von meinem Ministeriu­m betreut“werde.

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa Gelassen reagierte die Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) auf Kritik an ihrer Ankündigun­g, in Hessen als Spitzenkan­didatin für ihre Partei anzutreten.

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