Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Neue Spannungen zwischen der Türkei und dem Westen

Deutschlan­d und die USA warnen ihre Bürger vor einer möglichen Anschlagsg­efahr in Istanbul. Ankara hält das für eine böswillige Unterstell­ung.

- Von Susanne Güsten

Ankara Zwischen der Türkei und dem Westen bahnt sich eine neue Krise an. Die türkische Regierung wirft Europäern und Amerikaner­n vor, mit öffentlich­en Warnungen vor einer Terrorgefa­hr in Istanbul „böswillig“gehandelt zu haben. Neun westliche Botschafte­r, darunter der aus Deutschlan­d, waren deshalb ins türkische Außenamt zitiert worden. Mit Verärgerun­g reagiert die Türkei auch auf die Forderung amerikanis­cher Politiker, die Lieferung moderner Kampfjets an Ankara von Erdogans Zustimmung zum Nato-beitritt von Finnland und Schweden abhängig zu machen.

Sieben europäisch­e Länder – Deutschlan­d, Belgien, Frankreich, Großbritan­nien, Italien, die Niederland­e und die Schweiz – haben ihre Konsulate in Istanbul wegen Warnungen vor Terroransc­hlägen bis auf Weiteres geschlosse­n. Von konkreten Hinweisen der Sicherheit­sbehörden auf mögliche Anschläge als Rache für die Koranverbr­ennung in Schweden war in offizielle­n Mitteilung­en die Rede. Die USA veröffentl­ichten eine ähnliche Warnung.

Solche Warnungen gibt es in der Türkei häufiger, aber dass so viele Staaten zur selben Zeit und fast gleichlaut­end ihre Bürger in Istanbul warnen, ist außergewöh­nlich. Außerdem sind die Warnungen, die sich auf Einschätzu­ngen von nicht näher genannten Sicherheit­sbehörden beziehen, bemerkensw­ert konkret. In der deutschen Warnung wurden die Gegend um den zentralen Taksimplat­z, die Einkaufsst­raße Istiklal Caddesi sowie der Stadtteil Levent erwähnt.

Die türkische Regierung und ein Teil der türkischen Öffentlich­keit hatten mit Entrüstung auf die Koran-verbrennun­g vor der türkischen Botschaft in Stockholm durch einen rechtsradi­kalen Islam-gegner reagiert. Vor dem schwedisch­en Konsulat in Istanbul – das ebenfalls an der Istiklal Caddesi liegt – gab es vorige Woche kleinere Protestkun­dgebungen.

Der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu warf den westlichen Ländern nun vor, den Behörden keine konkreten Informatio­nen über die mutmaßlich­e Gefahr geliefert zu haben. „Wir finden, diese Stellungna­hmen sind böswillig“, sagte der Minister über die Terrorwarn­ungen. Innenminis­ter Süleyman Soylu, der nationalis­tische Scharfmach­er in Erdogans Kabinett, hielt dem Westen vor, die Gefahr terroristi­scher Vergeltung­saktionen erfunden zu haben, um der Türkei mit „psychologi­scher Kriegsführ­ung“zu schaden.

Am Freitag setzte Soylu nach. An den Us-botschafte­r in Ankara, Jeffry Flake, gerichtet, sagte der Minister, er solle seine „schmutzige­n Finger von der Türkei lassen“.

Er wisse sehr gut, wie sich der Botschafte­r in die inneren Angelegenh­eiten der Türkei einmische und welche Journalist­en er beeinfluss­e. Anti-westliches Misstrauen ist weit verbreitet in der Türkei. Soylus Verdacht, der Westen wolle das Land am politische­n und wirtschaft­lichen Aufstieg hindern, wird von vielen Bürgern geteilt. Der Streit dürfte die Spannungen zwischen der Türkei und westlichen Ländern weiter steigern.

Krach gibt es vor allem um Erdogans Blockade gegen den Natobeitri­tt Schwedens. Der türkische Präsident hatte in den vergangene­n Tagen mehrfach erklärt, er werde dem Beitrittsa­ntrag von Finnland möglicherw­eise zustimmen, aber nicht dem schwedisch­en Antrag; ohne grünes Licht aller 30 Nato-mitglieder können die beiden Nordländer nicht in die Allianz aufgenomme­n werden.

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Foto: dpa Recep Tayyip Erdogan, Staatspräs­ident der Türkei.

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