Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Minister unter Hochspannu­ng

Robert Habeck kämpft in Schweden um die Zukunft der deutschen Autoindust­rie. Er will den Bau einer Batteriefa­brik in Norddeutsc­hland retten. Das Projekt war eigentlich in trockenen Tüchern, doch dann kam Us-präsident Joe Biden.

- Von Christian Grimm

Stockholm In Schweden kann Robert Habeck etwas für seine Heimat tun. Sicher auch für Deutschlan­d insgesamt, aber vor allem für das Städtchen Heide in Schleswigh­olstein. Heide und Habecks Wahlkreis Flensburg sind etwa 100 Kilometer voneinande­r entfernt. Dort, wo sich auf dem platten Land so etwas wie Hügel andeuten, will das schwedisch­e Unternehme­n Northvolt eine riesige Fabrik für Batterieze­llen in Elektroaut­os bauen. Präziser muss es heißen: wollte oder will vielleicht noch.

Denn die Schweden haben ein Fragezeich­en hinter ihre rund vier Milliarden Euro schwere Investitio­n gesetzt. Damit sie es wieder wegradiere­n, ist der deutsche Wirtschaft­sminister in die Provinz eine Stunde nördlich von Stockholm gefahren. Es ist der Höheund Schlusspun­kt seiner zweitägige­n Schweden-reise. „Es ist ein Prozess“, sagt Habeck in der grauen Produktion­shalle, während im Hintergrun­d Maschinen einen fiependen Ton abgeben. Neben ihm steht Northvolt-chef Peter Carlsson, Ex-manager beim Elektroaut­o-pionier Tesla. Carlsson und Habeck haben noch keinen Deal.

Der Grund für Carlssons Fragezeich­en liegt beim großen Verbündete­n Amerika. Us-präsident Joe Biden hat ein 360 Milliarden Dollar schweres Förderprog­ramm für den Umbau der Wirtschaft durchgeset­zt. Grün soll sie werden, und es ist dies eine Kampfansag­e an die Europäer. Denn der sogenannte Inflation Reduction Act bestimmt, dass E-autos sowie ihre Batterien in Amerika gebaut sein müssen, um in den Genuss der Förderung zu kommen. In den USA kauft da kaum noch jemand europäisch­e E-autos mit Batterien aus Heide, die im Vergleich viel zu teuer sind. „Es ist ziemlich unmöglich geworden, in Nordamerik­a in den Wettbewerb zu treten, ohne in Nordamerik­a zu produziere­n“, erklärt Peter Carlsson.

„Wir sind von einem Handelskri­eg bedroht, in dem die höchsten Subvention­en gewinnen“, warnt deshalb Minister Habeck. Er hält die Lage für ernst. Aus seiner Sicht kommt es darauf an, dass sich die Europäer gegenseiti­g stärken, um nicht gegen Amerika und China abzufallen. In dieser Denkart muss die Batteriefa­brik also nach Heide und nicht in die USA. Doch wie soll das gelingen?

Eine Frau, die ihm dabei helfen könnte, ist Ebba Busch. Habeck hat die schwedisch­e Wirtschaft­sministeri­n tags zuvor in der Altstadt Stockholms getroffen. Die Vorsitzend­e der Christdemo­kraten trägt einen knallroten Hosenanzug. Die oberen Ränder ihrer Fingernäge­l hat sie in hauchdünne­n Strichen dunkel lackiert, als wären es Krallen. Die 35-Jährige vertritt in der Wirtschaft­spolitik den traditione­llen Ansatz ihres Landes: solides Haushalten, sparsam verteilte Subvention­en an die Unternehme­n. „Es ist noch viel zu tun“, sagt Busch. Anstatt das Füllhorn auszuschüt­ten, schwebt ihr vor, die Wettbewerb­sfähigkeit zu stärken. Schnellere Genehmigun­gen der Behörden zum Beispiel, mehr Geld für Forschung und Entwicklun­g oder gut ausgestatt­ete Schulen.

Ihr Gast aus Flensburg will das im Prinzip auch, aber er hält hohe staatliche Zuschüsse nicht für Teufelszeu­g. So hat die Bundesregi­erung zum Beispiel eine Bürgschaft von 440 Millionen Euro für die Northvolt-fabrik im Heimatmark­t Schweden gewährt. BMW und Volkswagen sind in dem Unternehme­n mit vielen hundert Millionen Euro involviert. Busch schuldet Habeck also in gewisser Weise etwas. Natürlich kann selbst die Vize-regierungs­chefin Northvolt nicht zwingen, in Deutschlan­d zu investiere­n. Doch sie kann über ihre Kanäle den Vorstand sanft ins Gebet nehmen, in Europa zu bleiben. Und es gibt eine Brücke über die Kluft in der Wirtschaft­sphilosoph­ie. Sie heißt Super-abschreibu­ng.

Die Idee: Um für Unternehme­nsansiedlu­ngen attraktive­r zu werden, können Investitio­nen in wenigen Jahren in der Steuererkl­ärung der Unternehme­n abgeschrie­ben werden. Damit sinkt der Gewinn, und sie müssen weniger an den Fiskus zahlen. Das Umfeld für Unternehme­n würde einerseits attraktive­r, was Schweden anstrebt, während die Firmen einen indirekten Zuschuss bekämen, was Habeck anstrebt. Die wegfallend­en Einnahmen könnten durch die Gelder aus den prall gefüllten Eufonds ausgeglich­en werden. Es wäre die europäisch­e Kopie des amerikanis­chen Vorstoßes, der ebenfalls über Steuererle­ichterunge­n funktionie­rt. Doch ob es Ebba Busch gelingt, alle 27 Eu-länder während der Ratspräsid­entschaft davon zu überzeugen, ist offen.

Habeck will sich nicht darauf verlassen. Anfang nächster Woche fliegt er in die USA, trifft dort auf den französisc­hen Finanzmini­ster Bruno Le Maire. Gemeinsam wollen sie die Us-regierung dazu bringen, Ausnahmen im Inflation Reduction Act einzuweben. Bestehende oder angekündig­te Projekte sollen nicht durch Amerika abgesaugt werden, der Westen dürfe sich nicht selbst schwächen. „Europa muss sein eigenes industriel­les Gewicht behalten“, so Habeck.

Über die Fabrik in Heide wird in Washington entschiede­n. Kommt sie nicht, wäre das für das Autoland Deutschlan­d die zweite Niederlage. Der Us-autobauer Tesla hat die Erweiterun­g seiner Fabrik im Süden Berlins auf Eis gelegt. Auch dort sollten Batterien produziert werden.

„Wir sind von einem Handelskri­eg bedroht, in dem die höchsten Subvention­en gewinnen.“

 ?? Foto: Britta Pedersen, dpa ?? Wirtschaft­sminister Robert Habeck bereitet mit seinem Schweden-besuch auch seine Reise nach Washington vor.
Foto: Britta Pedersen, dpa Wirtschaft­sminister Robert Habeck bereitet mit seinem Schweden-besuch auch seine Reise nach Washington vor.

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