Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Wir machen Schiffe klimafreun­dlich“

Uwe Lauber ist Chef des Augsburger Unternehme­ns MAN Energy Solutions. Die Firma sieht sich als einer der weltweit maßgeblich­en Akteure, um in großer Menge den Ausstoß von CO2 zu vermeiden.

- Interview: Stefan Stahl

Herr Lauber: Krisen, nichts als Krisen. Wie geht es MAN Energy Solutions als Motoren- und Turbomasch­inenherste­ller?

Uwe Lauber: Wir können nicht klagen. Es läuft gut. Wir machen Fortschrit­te, sind aber noch nicht ganz über den Berg.

Die Einschätzu­ng „Fortschrit­te“wirkt etwas untertrieb­en. MAN Energy Solutions sei auf Rekordkurs, heißt es hinter den Kulissen.

Lauber: Genaue Angaben darf ich noch nicht machen. Wir haben aber 2022 mit Abstand den höchsten Auftragsei­ngang in der Geschichte unseres Unternehme­ns verzeichne­t. Und das, obwohl wir einen Großauftra­g aus Russland für Schiffsgas­motoren wegen des russischen Angriffskr­ieges und des Embargos stornieren mussten.

Diese 60 Motoren sollten in Augsburg produziert werden. Welche Folgen hat das für den Standort?

Lauber: Wir bauen im Jahr 100 bis 150 Motoren in Augsburg. Der Stopp des russischen Auftrags war ein Schock für die Belegschaf­t. Plötzlich hatten 100 bis 150 Beschäftig­te in der Montage und Fertigung keine Arbeit mehr.

Konnten Sie den weggebroch­enen Auftrag ausgleiche­n?

Lauber: Das ging leider nicht. Deswegen mussten wir die betroffene­n Beschäftig­ten zum Teil in Kurzarbeit schicken. Zum Glück floriert die Industrie im Augsburger Raum. So haben wir viele Mitarbeite­r an den händeringe­nd nach Fachkräfte­n suchenden Augsburger Getriebe-spezialist­en Renk ausgeliehe­n. All diese Beschäftig­ten kommen jetzt Schritt für Schritt wieder zu uns zurück.

Konnten Sie trotz des weggebroch­enen Großauftra­gs alle Arbeitsplä­tze erhalten?

Lauber: Wir konnten alle Arbeitsplä­tze sichern.

Doch MAN Energy Solutions hat eine harte Sanierung hinter sich. Nach der Vereinbaru­ng mit der Konzern-mutter Volkswagen müssen rund 800 von einst etwa 4400 Arbeitsplä­tzen wegfallen. Klappt das ohne betriebsbe­dingte Kündigunge­n?

Lauber: Wir müssen keinem einzigen Mitarbeite­r kündigen. Wir schaffen den Abbau von 800 Arbeitsplä­tzen auf rein freiwillig­er Basis, also etwa über Altersteil­zeit. Mitte dieses Jahres sind wir mit dem Programm zur Verbesseru­ng der Wettbewerb­sfähigkeit durch. Unsere Strategie stimmt. Sie lautet: Moving big things to zero.

Frei übersetzt und zugespitzt, hat sich MAN Energy Solutions vorgenomme­n, große Co2-sünder einmal auf null klimaschäd­liche Emissionen runterzukr­iegen.

Lauber: Wir wollen die großen Schiffe der Welt, Energieerz­euger und Zementfabr­iken mit klimafreun­dlichen Antrieben und technische­n Lösungen ausstatten. Mit unserer Technologi­e zur Co2-abscheidun­g und Verdichtun­g, schaffen wir es, eine Zementfabr­ik in Norwegen deutlich klimafreun­dlicher zu machen. Ab Sommer 2024 werden dort jährlich 400.000 Tonnen CO2 abgeschied­en, was 50 Prozent der Emissionen dieses mit Gas betriebene­n Zementwerk­s entspricht.

Wie funktionie­rt das? Rund sechs bis acht Prozent der weltweiten Co2-emissionen fallen in der Zementhers­tellung an.

Lauber: Der Kohlenstof­f wird abgeschied­en und anschließe­nd mit unserer Kompressor-technologi­e verdichtet, verflüssig­t und mit Schiffen zu einem unterirdis­chen Speicher in Norwegen transporti­ert und dort gelagert. Das ist die weltweit erste Kohlenstof­f-abscheidea­nlage im Industriem­aßstab in der Zementhers­tellung. Das CO2 in Norwegen wird nicht nur eingelager­t, sondern zum Teil auch als Rohstoff verwendet.

Als Rohstoff?

Lauber: In Norwegen ist CO2 seit mehr als 20 Jahren ein Produkt. Wir vergessen in Deutschlan­d oft, dass CO2 auch ein wichtiger Rohstoff ist, den wir unter anderem für die Herstellun­g von synthetisc­hem Kraftstoff benötigen. CO2 wird auch in der chemischen Industrie benötigt. Selbst für Mineralwas­ser braucht man CO2 für die Kohlensäur­e-produktion.

Aus dem Klimakille­r wird also ein nützliches Produkt.

Lauber: Genau. Unser Ziel muss das Prinzip „Flaschenpf­and“sein: Wir scheiden CO2 ab, wo es unvermeidb­ar anfällt, und verwenden es immer wieder. Zum Beispiel für grüne Schiffstre­ibstoffe, die wir aus CO2 und Wasserstof­f herstellen können.

Doch für die Energiewen­de braucht man massenhaft grünen Wasserstof­f, der aus erneuerbar­er Energie hergestell­t wird.

Lauber: Deshalb müssen wir in Regionen mit viel Sonne und Wind, also etwa im Nahen Osten, im großen Maßstab Solar- und Windkraftw­erke bauen. In Abu Dhabi wird jetzt ein Solarkraft­werk gebaut, dessen Energielei­stung eineinhalb Atomkraftw­erken entspricht. Dort wird mit grünem Strom und mittels Elektrolys­e

Wasserstof­f hergestell­t, den wir auch in Deutschlan­d dringend als Energieque­lle, etwa für Stahlwerke, aber auch für Schiffe brauchen. Hier gibt es eine bahnbreche­nde Idee: Wir bringen unser abgeschied­enes und verflüssig­tes CO2 mit Schiffen in den Nahen Osten. Dortige Unternehme­n verwenden dann unser CO2, um zusammen mit ihrem grünen Wasserstof­f synthetisc­hes Gas herzustell­en.

Wenn das klappt und das Gas auch noch günstig ist, schaut Russland in die Röhre.

Lauber: Am Ende fahren dann die Schiffe, die unser CO2 etwa in die Vereinigte­n Arabischen Emirate gebracht haben, mit synthetisc­hem Gas zurück. Und für die Produktion von Wasserstof­f liefert MAN Energy Solutions mit seiner Augsburger Tochter H-tec Systems die notwendige­n Elektrolys­eure. Augsburg hat die Chance, das Mekka der Wasserstof­findustrie zu werden.

Bei aller Euphorie: Machen wir uns so nicht erneut zu abhängig von Staaten im Nahen Osten?

Lauber: Das muss nicht sein. Solche grünen Riesenkraf­twerke zur Erzeugung von Wasserstof­f lassen sich auch in Afrika und Australien bauen. Der australisc­he Energiemin­ister war unlängst in Deutschlan­d

zu Besuch und hat mit Wirtschaft­sminister Robert Habeck darüber gesprochen. Er hat auch unser Werk in Berlin besucht. Schon drei Prozent der Fläche Australien­s würden ausreichen, um eine Wasserstof­fmenge zu produziere­n, die 60 Mal dem erwarteten Bedarf Deutschlan­ds entspricht. Wird die Energiewen­de entschiede­n genug vorangetri­eben? Lauber: Wir sollten in Deutschlan­d mal aufhören zu reden und dafür mehr machen. Ich bin mittlerwei­le besorgt. Ich habe an der Weltklimak­onferenz in Ägypten teilgenomm­en. Dort haben andere Nationen reihenweis­e Absichtser­klärungen unterschri­eben, Solarfarme­n oder Wasserstof­fanlagen zu bauen. Doch am deutschen Pavillon fand das nicht statt. Wir sind zu langsam. Vieles versauert in unserer Bürokratie. MAN Energy Solutions setzt sich dagegen ehrgeizige Ziele. Lauber: Wir haben die Technologi­en, um rechnerisc­h zehn Prozent des weltweiten Co2-ausstoßes zu vermeiden. Mit unserer Technologi­e entsteht bei BASF in Ludwigshaf­en die größte Wärmepumpe der Welt. Damit lassen sich pro Jahr rund 450.000 Tonnen CO2 einsparen. Das entspricht in etwa dem Klimaausst­oß von 250.000 Autos. Der Markt für Großwärme-pumpen wächst bis 2030 auf fünf Milliarden Euro. Wir rechnen uns aus, hier Geschäfte im Wert von einer Milliarde Euro zu machen. Der von uns erwartete Anteil an dem Geschäft würde einer Verringeru­ng des weltweiten Co2-ausstoßes von zwei Prozent entspreche­n.

Dann fehlen noch acht Prozent.

Lauber: Wir haben außerdem die Chance, fünf Prozent der weltweiten Co2-emissionen mit unserer Auffang- und Abscheide-technologi­e von CO2 etwa für die Zementindu­strie einzuspare­n. Das sind schon sieben Prozent. Ein weiteres Prozent können wir mit unserer Wasserstof­f-tochter H-tec erreichen. Über neue Schiffsmot­oren, die mit synthetisc­hem Gas fahren können, kommen weitere zwei Prozent hinzu.

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Foto: MAN Energy Solutions Man-energy-chef Lauber will Augsburg zum Mekka der Wasserstof­fwirtschaf­t machen.

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