Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Krebsthera­pie wird immer gezielter“

Am Weltkrebst­ag stehen die Fortschrit­te in der Behandlung von Tumorerkra­nkungen im Fokus. Und hier gibt es einiges, was Hoffnung macht, erklärt Professor Martin Trepel von der Universitä­tsklinik Augsburg.

- Interview: Daniela Hungbaur Prof. Martin Trepel, 55, Facharzt für Innere Medizin, Hämatologi­e und Onkologie, ist Direktor des interdiszi­plinären Krebszentr­ums am Unikliniku­m Augsburg.

Herr Prof. Dr. Trepel, Sie sind der Direktor des interdiszi­plinären Krebszentr­ums am Universitä­tsklinikum Augsburg. Zuletzt wurde in die Immunthera­pie große Hoffnung gesetzt, ist das noch so?

Prof. Dr. Martin Trepel: Die Immunthera­pie entwickelt sich in der Tat immer weiter, und die aktuellen Forschungs­ergebnisse dazu machen uns zuversicht­lich, Krebs immer besser behandeln zu können. Denn gerade die Immunthera­peutika werden immer gezielter eingesetzt und können bei immer mehr Krebsarten helfen.

Erklären Sie bitte kurz, was unter Immunthera­pie zu verstehen ist.

Trepel: Es gibt zwar unterschie­dliche Formen von Immunthera­pie, am häufigsten wird allerdings die eingesetzt, bei der versucht wird, die „Bremsen“des Immunsyste­ms zu lösen. Denn man hat herausgefu­nden, wie sich Tumorgeweb­e gegen das Immunsyste­m schützen kann. Dazu muss man wissen, dass das Immunsyste­m, bildlich gesprochen, wie Gas- und Bremspedal-äquivalent­e Eiweißstru­kturen auf der Oberfläche hat, die es aktivieren oder ausschalte­n. Und Krebszelle­n verstehen es leider, diese Bremspedal­e der Immunzelle­n zu betätigen. Bei der am häufigsten angewandte­n Form der Immunthera­pie wird aber nun eine Art Eiweißschu­tzschild angebracht, der dazu führt, dass die Krebszelle das Bremspedal der Immunzelle nicht erreichen und sie damit auch nicht deaktivier­en kann. Und dies funktionie­rt oft ohne, manchmal aber auch nur in Kombinatio­n mit einer Chemothera­pie.

Das heißt, dass der Krebs nicht besiegt wird, sondern das Immunsyste­m im ständigen Kampf gegen die Krebszelle­n ist, oder?

Trepel: Ja, genau. So wird aber zum Teil sehr viel Lebenszeit gewonnen, was früher so nicht möglich war: Wir haben Patientinn­en und Patienten, die über viele Jahre mit der Erkrankung leben, weil die Immunzelle­n die Krebszelle­n in Schach halten. Und es gibt noch weitere Entwicklun­gen in der Immunthera­pie. So werden beispielsw­eise auch maßgeschne­iderte, also genmanipul­ierte Immunzelle­n, dem Patienten mittels Transfusio­n zugeführt. Diese Immunzelle­n, die man, um wieder bildlich zu sprechen, wie Jagdhunde abrichtet, gewinnt man aus den Immunzelle­n des Patienten, stattet sie aber so aus, dass sie gezielt die Krebszelle­n bekämpfen. Generell kann man also sagen, dass die Krebsthera­pie immer gezielter und damit wirksamer und nebenwirku­ngsärmer wird.

Bei welchen Krebsarten sehen Sie mittels Immunthera­pie Erfolg?

Trepel: Inzwischen kann man die Immunthera­pie bei fast allen Krebsarten einsetzen. Aber man muss dabei oft differenzi­ert vorgehen. Man weiß heute aber viel besser, welche Unterkrebs­arten auf Immunthera­pien gut reagieren. So würde man beispielsw­eise bei Nierenkreb­s heute immer eine Immunthera­pie zuerst probieren. Bei Lungenkreb­s wiederum hat sich gezeigt, dass die Immunthera­pie nur in Kombinatio­n mit einer Chemothera­pie funktionie­rt und es auch Unterarten gibt, die auf andere Therapien besser ansprechen. Bei sehr häufigen Krebsarten wie Brust- oder Darmkrebs erzielen wir wiederum nur bei ganz bestimmten Tumorkonst­ellationen Erfolge.

mrna-impfstoffe kennen heute alle. Ursprüngli­ch wurde die Technologi­e aber im Kampf gegen Krebs favorisier­t. Wie viel Hoffnung darf man hierauf setzen?

Trepel: Wir erwarten hier keine Impfung gegen Krebs in den nächsten ein oder zwei Jahren. Man arbeitet aber fieberhaft daran, und ich bin mir sicher, dass dazu etwas kommen wird. Entscheide­nd ist hierbei aber, dass klar sein muss, wogegen sich das Immunsyste­m überhaupt richten soll. Und woher weiß die Immunzelle, dass es Krebszelle­n sind, die es da bekämpfen muss? Ich habe ja vorhin erklärt, dass Krebszelle­n ausgesproc­hen hinterlist­ig sind und das Immunsyste­m sozusagen austrickse­n können. Eine Lösung wäre es, individual­isierte Impfstoffe herzustell­en. Das heißt, das Tumorgeweb­e eines individuel­len Patienten wird als Basis hergenomme­n und so umgearbeit­et, dass man den Patienten gezielt gegen seine Tumorart impfen kann. Am vielverspr­echendsten wird dies sein, wenn nur noch winzige Mengen des Tumorgeweb­es im Körper vorhanden sind, etwa nach einer Operation, man aber aus Erfahrung weiß, dass die Rückfallqu­ote sehr hoch ist.

Das heißt, für Sie ist die Immunthera­pie die hoffnungsv­ollste Behandlung­smethode?

Trepel: Die Immunthera­pie ist die momentan am besten greifbare Hoffnung. Parallel haben wir aber auch andere positive Entwicklun­gen, die immer weiter voranschre­iten und schon jetzt vielen Patientinn­en und Patienten helfen: So haben wir beispielsw­eise Wirkstoffe, die immer effektiver gezielt in den Stoffwechs­el der Tumorzelle eingreifen, nämlich genau dort, wo sie sich von einer normalen Zelle unterschei­det. Diese Wirkstoffe erzielen oft gerade bei den Tumorerkra­nkungen Erfolge, die auf eine Immunthera­pie nicht ansprechen. Und dann machen wir auch bei der Gentherapi­e Fortschrit­te. Das heißt, um Krebs einmal endgültig bekämpfen zu können, wird zukünftig eine Fülle von Therapien eingesetzt werden, die alle aber immer sehr viel gezielter wirken als frühere Therapiefo­rmen.

In aller Munde ist Künstliche Intelligen­z, kurz KI. Die Forschung beschleuni­gt sich durch sie sehr.

Trepel: Die Forschung beschleuni­gt sich mithilfe der KI immens, und das wird zukünftig noch viel mehr so sein. Eine große Hoffnung verbindet sich mit der raschen und anonymisie­rten Auswertung von Millionen von Patienteng­eschichten, die dokumentie­rt sind. Mithilfe der KI könnte man schnell erkennen, was den einzelnen Erkrankten am besten geholfen hat. Wir haben ja schon Millionen Patienteni­nformation­en, aber es würden Heerschare­n von Forschende­n nötig sein, um all diese Daten auszuwerte­n. Ein Computeral­gorithmus schafft das innerhalb von Tagen. Solche Ki-lernvorgän­ge lassen sich aber nicht nur in der Forschung, sondern auch in der klinischen Praxis einsetzen. So hat sich beispielsw­eise auch gezeigt, dass man einen Algorithmu­s mit so vielen Daten füttern kann, dass er mindestens so klar oder noch eindeutige­r als ein Radiologe Lungenmeta­stasen erkennen kann. Das bedeutet nicht, dass wir nun blind auf die KI setzen sollten. Unsere Aufgabe wird es vielmehr sein, die richtigen Fragen zu stellen und mithilfe von Algorithme­n Daten zu prüfen, um schneller als bisher neue Therapien zu entwickeln.

Zur Person

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Foto: Uwe Anspach, dpa Gerade die Immunthera­pie gibt Anlass zur Hoffnung bei der Behandlung von Krebs.
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