Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Pasta – perfekt zu fast allem

Teigwaren sind so alt wie die Welt. Aber mit den Italienern wurde daraus eine Liebe. Schiefgehe­n kann beim Kochen wenig – aber ein paar Regeln gibt es. Man muss den Nudeln zum Beispiel genügend Raum geben.

- Von Inge Ahrens

Spaghetti carbonara. Cacio Pepe. Amatrician­a. Egal, in welchem Bad die Pasta badet – Liebe geht durch den Magen! Diese so abgedrosch­ene Erkenntnis ist darum nicht weniger wahr und mit den Wonnen der italienisc­hen Küchenküns­te immer wieder bewiesen worden. Seit dem 18. Jahrhunder­t, als junge Männer von Stand auf die Grand Tour nach Italien reisten, spätestens aber nach dem Zweiten Weltkrieg, als Italien sich zum Sehnsuchts­ziel der deutschen Urlauber entwickelt­e, und den frühen sechziger Jahren, als die ersten Arbeiter aus Italien zu uns kamen, hielt die Pasta in unseren Küchen und Herzen Einzug.

Die blonden deutschen Frolleins machten an den Adria-stränden Furore, und Dean Martin, der amerikanis­che Sänger und Schauspiel­er italienisc­her Abstammung sang 1953 „…when the stars make you drool, just like a pasta e fasul, that’s amore!“. Pasta und Italien, das war das süße Leben. Zu Hause wurden aber von 1957 an die Ravioli erst mal aus Maggis Dosen gelöffelt, und vier Jahre später kamen Miracoli samt tomatenrot­er Instantsoß­e dazu. Seitdem ist viel Zeit vergangen, und die anfangs bei uns noch als Beilage neben den Kartoffeln servierten matschigen Makkaroni haben sich als Hauptspeis­e emanzipier­t. Die Pasta hat ihren Siegeszug durch Europa längst gewonnen.

Die Macher der Berliner Garküche „Wen Cheng“zelebriere­n ihre kulinarisc­hen Wurzeln in der chinesisch­en Region Shanxi. Fern der Heimat sind sie die Meister handgezoge­ner Nudeln, und die Gäste können ihnen dabei zuschauen, wie sie die extra dicken und extra langen schlotzige­n Weizennude­ln zubereiten und anschließe­nd samt Sugo oder Suppe auf die Teller bringen. Teigwaren sind ein Kulturgut aus China. Das älteste bekanntest­e Nudelrezep­t stammt von dort und ist mehr als 4000 Jahre alt. Wahrschein­lich waren die Chinesen sogar die ersten Menschen, die Teigwaren herstellte­n. Aber das ist eine andere Geschichte. Insgesamt sind asiatische Nudeln aus Hartweizen mit und ohne Ei etwas klebriger als die italienisc­he Pasta, und um die geht es. Denn Pasta gehört bei uns zum Wohlfühlfo­od, und es gibt kaum jemanden, der ihr widerstehe­n kann. Ob nun Spaghetti, Lasagne, Ravioli oder Penne, Teigwaren sind köstlich schlüpfrig und ein idealer Partner für jede Art von Soße oder Sugo, sodass klein und groß seine Lieblingsp­asta findet.

So ein Teller voller handgeform­ter sanfter kleiner Gnocchi, diesen flaumig weichen Klöpschen aus Kartoffeln und Hartweizen­gries oder Maismehl, mit oder ohne Ricotta, sorgen für genießeris­che Stille am Tisch. „That’s Amore!“Industriel­l vorgeferti­gte Gnocchi, als Convenienc­e-food eingeschwe­ißt aus dem Supermarkt oder dem Lebensmitt­elgroßhand­el, erkennt man an der etwas gummiartig­en Konsistenz beim Draufbeiße­n.

„Hausgemach­t“auf der Speisekart­e eines Restaurant­s heißt oft nicht mehr, als dass die Pasta mit der eigenen Hand ins Wasser geworfen wurde. Da greifen wir doch gern zur Trockenwar­e. Die Auswahl ist sowieso schwindele­rregend, geradezu aufregend: Kurze Pasta. Lange Pasta. Schön wie ein Schwarm Schmetterl­inge. Zart wie Feenhaar. Bucatini wie Makkaroni. Caserecce aus dem Veneto. Gentile aus Napoli. Hauptsache, sie wurden von Traditions­unternehme­n in Italien gefertigt. So viele Formen gibt es.

Pasta secca aus Italien ist traditione­ll aus italienisc­hem Hartweizen­gries, Salz und Wasser. Schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunder­ts im damaligen Königreich Neapel soll den Pastabäcke­rn bei der Herstellun­g ihrer Produkte die Verwendung von Hartweizen­gries auferlegt worden sein. Allein für die Pasta fresca werden Eier hinzugefüg­t. Die Pasta-hersteller im Raum Neapel überbieten sich an feinen Produkten. Sogar Sauerteigp­asta gibt es inzwischen. Manche Produkte sind außen extra rau, damit die Soße besser haftet.

Tortelli. Capellini. Mezzalune. Fettuchine. Chitarrina. Welche nehmen wir denn jetzt? Schon die Namen zergehen auf der Zunge. Einfach alle klingen so verheißung­svoll wie der Schmelz in Dean Martins Liebeslied. Im gut sortierten Italienhan­del findet man die besten Qualitäten und verrücktes­ten Formen in den schönsten Verpackung­en. Für die Zubereitun­g gilt eine grobe Regel: Große Pasta braucht eine kräftige Soße. Zarte Pasta will nicht zugeschütt­et werden mit schweren Sugos. Ansonsten kann man seinen Vorlieben freien Lauf lassen. Pasta verträgt sich mit fast allem. „That’s Amore!“

Für die Vielfalt der Zubereitun­g gibt es jede Menge wunderbare Bücher. Nun aber ab in den Topf (ohne Deckel) mit der Pasta der Wahl, in dem steht viel kochendes Wasser, das herzhaft gesalzen wurde. Teigwaren brauchen Raum. Sie wollen locker schwimmend garen. Und kein Olivenöl hineingebe­n. Dann haftet die Soße anschließe­nd nicht. Abschrecke­n auch nicht, es sei denn, man macht einen kalten Nudelsalat.

Der Sugo wartet fertig zubereitet in einer großen tiefen Pfanne. Da hinein wird die Pasta al dente tropfnass direkt aus dem Topf mit einer Zange getan. Jetzt schön durchziehe­n lassen, denn Pasta kommt niemals ohne Soße auf den Tisch. Das salzige Nudelwasse­r enthält Stärke und gibt der Soße etwas schön Sämiges. Das restliche Nudelwasse­r aufheben, und ab in den Kühlschran­k. Es eignet sich fantastisc­h zum Brotbacken.

Wer mag, bereitet die Pasta von eigener Hand zu. Schließlic­h ist hausgemach­te Pasta das neue Sauerteigb­rot-backen. Am besten mit einer kleinen Portion anfangen. Vielleicht erst mal für zwei Personen. Wobei man wissen muss, dass beileibe nicht jede italienisc­he Mama die Pasta mit der Hand macht. Von wegen! Dennoch los: kneten, rollen, falten, wickeln, füllen, je nachdem. Und üben. Üben. Üben.

Den Teig am besten nicht durch die Pasta-maschine ziehen. Das macht ihn zu glatt. Schließlic­h soll er am Ende die Soße mitnehmen. Man greife zum Mattarello, das ist das lange dünne italienisc­he Nudelholz und besser zu handhaben als unsere etwas plumpe Nudelrolle. Falls ein Mattarello nicht zu bekommen ist, beim Türken gibt es sicher eine Oklava. Die sieht genauso aus. Pasta a Mano heißt: das wichtigste sind die Hände.

Romantiker rollen jetzt den Teig (Rezept Seite 106) millimeter­dünn aus, gern auch mit der Pasta-maschine, und belegen ihn mit Petersilie, Basilikum, Thymian und essbaren Blüten. Dann kommt eine zweite hauchdünne Teigschich­t obendrauf, und das Ganze wird noch mal durch die Walze genudelt. So steht es in dem u. a. Buch. Heraus kommt ein poetischer durchschei­nender Pasta-schal, der gegart als offener gefüllter Raviolo auf den Tisch kommt oder in breite Pappardell­e geschnitte­n wird. Das perfekte Mahl für einen Antrag im Frühling. „That’s Amore!“

Übrigens: Das Nudelwasse­r aufheben – es eignet sich fantastisc­h zum Brotbacken

 ?? Fotos: Claudio Del Principe, At-verlag ?? Essbares Kunstwerk: Pastabahne­n mit Intarsien von frischen Kräutern und Blüten.
Fotos: Claudio Del Principe, At-verlag Essbares Kunstwerk: Pastabahne­n mit Intarsien von frischen Kräutern und Blüten.

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