Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Darüber frotzeln Augsburgs Narren

Die Kolpingsfa­milien Lechhausen und St. Ulrich und Afra starten mit Büttensitz­ungen in den Fasching. Der Wiedereins­tieg nach Corona ist für sie nicht leicht.

- Von Michael Eichhammer

Man sagt, die Augsburger seien in Sachen Fasching zurückhalt­end, doch das mag nur ein Gerücht sein. Fakt dagegen ist, dass die Kolpingsfa­milie St. Ulrich und Afra zumindest im Vorverkauf für ihre Büttensitz­ung die zwei Jahre Pandemiepa­use spürte. „Vielleicht sind die Leute immer noch vorsichtig wegen Corona“, mutmaßt Katja Ernicke, die für den Kartenverk­auf der Faschingss­itzung im Pfarrheim St. Ulrich und Afra zuständig ist. Sebastian Vogele, der die Pressearbe­it betreut, sieht den Abend jedoch als „große Chance, die Leute wiederzuho­len“. Und viele kamen ja auch zu den Faschingss­itzungen, die die Kolpingsfa­milien Lechhausen sowie St. Ulrich und Afra dieses Wochenende geboten hatten.

Sebastian Vogeles Vater Werner ist Präsident des Siebenerra­ts. „Ein Jahr nach Corona läuft es etwas zäher als sonst, umso mehr freuen wir uns, dass ihr hier seid“, begrüßt er die Gäste am Freitagabe­nd im Pfarrheim von St. Ulrich und Afra. Etwa ein Drittel der Besucherin­nen und Besucher war im Faschingsk­ostüm gekommen, darunter Oberbürger­meisterin Eva Weber mit weiß-rotem Ringelshir­t und blauer Perücke. „Nach der Pandemie muss man sich an das Ganze erst wieder gewöhnen, wir freuen uns, aber wir freuen uns vorsichtig“, sagt Peter D., der mit seiner Partnerin Sabine in Clown-outfits gekleidet ist. Die 24-jährige Miriam ist mit ihrem Papa Alexander Baranowsky und einer Gruppe von Freunden und Verwandten da. Nach zwei Jahren Pause freue man sich umso mehr auf Partystimm­ung wie heute, findet sie.

In der Rolle eines Hausmeiste­rs tritt der Bruder des Faschingsp­räsidenten auf. „Was kann man nach der Pandemie über Corona sagen? Es ist ein Impfwort“, so Walter Vogele, der auch im realen Leben als Hausmeiste­r bei der Diözese Augsburg tätig ist. Nicht fehlen darf das „Turamichel­e mit neuem Gestichele“, verkörpert von Werner Vogele. Er moniert die Sanierung des Perlachtur­ms: „Mein Perlach schaut so verkommen aus wie’s Klimacamp, es ist ein Graus!“Die Augsburger würden sich wie die Schildbürg­er verhalten bei Themen wie „Millionen für a Zufahrt zu ‘ner Wendeschle­ife“oder den stockenden Arbeiten am Bahnhofstu­nnel. Dass man bei Kolping auch sehr schnell auf Ereignisse reagiert, zeigte eine Anspielung auf eine Veranstalt­ung vergangene­n Mittwoch, bei der zahlreiche Dienstwage­n auf dem Rathauspla­tz geparkt waren: „Mit ´nem dicken Audi oder BMW bist du ein Held, parkst auf dem Rathauspla­tz, wie’s dir gefällt.“

Oberbürger­meisterin Eva Weber ist Mitglied der Kolpingsfa­milie St. Ulrich und Afra. „Ich kann sehr gut auch über mich selbst lachen“, erklärte sie vor der Veranstalt­ung. Diese Fähigkeit brauchte sie dann auch an diesem Abend – beim Auftritt ihres kabarettis­tischen Doubles. Im Schlepptau hatte die falsche Eva Weber einen Jungen mit roter Perücke und Fcafahne, der erklärt: „Eva Webers CSULE ich bin, bis zu den Ohren bin i grün.“

Eva Weber-parodistin Lissy Ludwig thematisie­rte unter anderem Perlachtur­m, Klimacamp und Bahnhofstu­nnel, ebenso wie mangelnde Parkplätze in der Innenstadt und neue Radargerät­e, die Augsburg zum „Einnahme-millionär“machen könnten. Die echte Eva Weber nahm es mit Humor und nahm auf der Bühne, Seite an Seite mit ihrem komödianti­schen Double, ihren Faschingso­rden entgegen.

Marcus Bernhard, Präsident bei der Lechhausen­er Kolping-faschingss­itzung, sagt am Samstag in Anspielung auf die Entbehrung­en der letzten beiden Jahre: „Ich hätte den Saal fast nicht mehr gefunden, so lang ist es her.“Es sei, so der 56-Jährige, immer schwierige­r, Leute auf die Bühne zu bringen. Leute vor der Bühne gibt es am Samstag allerdings reichlich, auch hier ist etwa ein Drittel der Gäste närrisch kostümiert.

Die Kolping-faschingss­itzungen in Lechhausen seien allesamt ausverkauf­t, freut sich Bernhard Bitzl, der ebenfalls für die Faschingse­vents zuständig ist. In diesem Jahr finden allerdings nur sechs Sitzungen statt – weil man nicht vorhersehe­n könne, wie das Publikum nach zwei Jahren Pause reagiert, erklärt Bitzl. „In der Narrenzeit darf man als Narr ein bisschen schärfer schießen, auch gegen Politiker, die unten sitzen und mal einen roten Kopf bekommen“, findet er. EX-OB Kurt Gribl sei regelmäßig Gast gewesen, erinnert er sich – und auch Politiker aller Fraktionen. Am Samstag sitzt beispielsw­eise Erwin Gerblinger vom Berzirksta­g im Publikum. „Ein Schwarzer, deshalb sitzt er auch im Dunklen“, scherzt Faschingsp­räsident Marcus Bernhard.

Die Sticheleie­n gegen die Lokalpolit­ik sind für viele der Gäste eines der Highlights des Abends. „Die Faschingss­itzung hier ist ein bisschen wie ‘Schwaben Weissblau’ in klein“, findet Martha Schilling, die sich mit ihrem Partner Reinhard als Piratin und Pirat verkleidet hat. Derlei Anspielung­en brachte auch der zweite Vorstand Klaus Kramer bei seinem Auftritt als Stadtstrei­cher. Kramer reimte: „Ohne Hirn und Arbeitgebe­r wird man Klimaklebe­r.“Auch auf einige Referenten spielte er an: Auf Plakaten seien sie gut, denn da „lachen sie, sind tragbar, reden kein dummes Zeug und sind leicht zu entfernen“.

Auch Kaiser Augustus und die Flößerin, gespielt von Michael Beltran und Sonja Stolzenber­ger, schossen gegen die Lokalpolit­ik. Als Beispiele für „den Wahnsinn im Augsburger Rathaus“nannten sie die Kosten für das Staatsthea­ter, das Verbot von Großbildsc­hirmen in Schaufenst­ern in der Innenstadt und die Kosten für Fahrten mit den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln. Der Rollrasen der Linie 3 nach Königsbrun­n habe es sogar ins Schwarzbuc­h des Steuerzahl­erbundes geschafft, erinnerte die Flößerin. „Was haltet ihr davon, wenn ich bei der nächsten Oberbürger­meisterwah­l antrete?“, fragte dagegen Augustus. Dem Publikum gefiel die Idee, wie der Applaus zeigte.

 ?? ?? Die Kolpingsfa­milien St. Urlich und Afra sowie Lechhausen (unser Bild) starteten mit Büttensitz­ungen nach Corona wieder in die närrische Saison.
Die Kolpingsfa­milien St. Urlich und Afra sowie Lechhausen (unser Bild) starteten mit Büttensitz­ungen nach Corona wieder in die närrische Saison.
 ?? ?? Sehr zur Freude der Menschen, die wie hier den Weg in den Pfarrsaal von St. Ulrich und Afra gefunden haben.
Sehr zur Freude der Menschen, die wie hier den Weg in den Pfarrsaal von St. Ulrich und Afra gefunden haben.
 ?? ?? „Kaiser Augustus“alias Michael Beltran stichelte bei der Faschingss­itzung von Kolping Lechhausen gegen das Klimacamp.
„Kaiser Augustus“alias Michael Beltran stichelte bei der Faschingss­itzung von Kolping Lechhausen gegen das Klimacamp.
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Fotos: Michael Eichhammer Im Pfarrsaal von St. Ulrich und Afra hatten auch die Kleinsten einen großen Auftritt.

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