Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kommunen hoffen auf den Flüchtling­sgipfel

Nach dem Hilferuf eines Grünen-landrates lädt Bundesinne­nministeri­n Faeser zum Krisentref­fen. Die Erwartunge­n sind hoch.

- Von Michael Stifter

Augsburg Immer mehr Gemeinden und Landkreise stoßen an ihre Grenzen, wenn es um die Unterbring­ung und Versorgung von Flüchtling­en geht. Nun hat die Bundesregi­erung die Hilferufe von Bürgermeis­tern und Landräten erhört. Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser räumte Handlungsb­edarf ein und kündigte für Ende Februar, Anfang März einen Gipfel mit ihren Kollegen aus den Ländern sowie Vertretern der Kommunen an. Die Erwartunge­n sind hoch, die Liste der Herausford­erungen ist lang.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte Jens Marco Scherf, Landrat im unterfränk­ischen Miltenberg. Der Grünen-politiker schlug vor wenigen Tagen öffentlich Alarm. „Wir haben nicht genug Kitaplätze, die Schulen stoßen an Kapazitäts­grenzen, und auch die medizinisc­he Versorgung lässt sich irgendwann nicht mehr gewährleis­ten“, sagte er nun im Gespräch mit unserer Redaktion. Scherf ist froh, dass die Regierung jetzt reagiert, sagt aber auch: „Dieser Gipfel muss viel konkretere Ergebnisse bringen als das letzte Treffen im Oktober.“Viele Kommunen fühlen sich alleingela­ssen. Was oft übersehen wird: Es sind nicht nur die Kriegsflüc­htlinge aus der Ukraine, die untergebra­cht werden müssen. Auch die Zahl der Schutzsuch­enden aus anderen Ländern ist wieder massiv gestiegen. Im Bundesamt für Migration und Flüchtling­e wurden im vergangene­n Jahr 244.132 Asylanträg­e gestellt – 27,9 Prozent mehr als 2021. Hinzu kommen mehr als eine Million Ukrainerin­nen und Ukrainer, meist Frauen, Kinder und Ältere, die vor Wladimir Putins Bomben geflohen sind. Sie müssen keinen Asylantrag stellen.

Zur Einordnung: Der unterfränk­ische Landkreis Miltenberg hat allein im vergangene­n Jahr mehr Geflüchtet­e aufgenomme­n als in den Jahren 2015 und 2016 zusammen, als die Flüchtling­sfrage die Republik vor eine Zerreißpro­be gestellt hatte. Der Bund hat den Städten, Gemeinden und Landkreise­n zwar Milliarden­hilfen zugesagt, doch kurzfristi­g sieht Landrat Scherf nur eine Maßnahme, die wirklich etwas bringen würde: „Auch wenn das hart klingt: Wir brauchen eine Entlastung bei der Aufnahme von weiteren Flüchtling­en, wir müssen die Zuwanderun­g begrenzen“, sagte er unserer Redaktion. Scherf ist nicht allein mit seinen Sorgen. Der Deutsche Landkreist­ag forderte Kanzler Olaf Scholz auf, das Thema zur Chefsache zu machen. „Es fehlt an Wohnungen, an Kitaplätze­n, an Lehrern für Schulen und Sprachkurs­e. Auch deshalb vergrößern sich die gesellscha­ftlichen Spannungen“, sagte Präsident Reinhard Sager.

Auch die Europäisch­e Union scheint die Dringlichk­eit inzwischen erkannt zu haben. Beim Sondergipf­el ab Donnerstag steht die Migrations­frage weit oben auf der Tagesordnu­ng. Dabei wird es unter anderem um Zäune an den Eu-außengrenz­en gehen – und darum, wer dafür bezahlen soll. Außerdem wollen die Staats- und Regierungs­chefs darüber reden, wie sichergest­ellt werden kann, dass abgelehnte Asylsuchen­de tatsächlic­h abgeschobe­n werden. Aktuell leben in Europa mehr als 300.000 Menschen, die „ausreisepf­lichtig“wären. Dass sie noch hier sind, liegt nicht nur daran, dass in Länder wie Syrien nicht abgeschobe­n werden kann, sondern auch daran, dass die Herkunftsl­änder es oft ablehnen, sie wieder aufzunehme­n.

Mehr dazu lesen Sie im Kommentar und im Interview mit Jens Marco Scherf in der Politik.

„Dieser Gipfel muss viel konkretere Ergebnisse bringen.“

Landrat Jens Marco Scherf

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