Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Kommunen hoffen auf den Flüchtlingsgipfel
Nach dem Hilferuf eines Grünen-landrates lädt Bundesinnenministerin Faeser zum Krisentreffen. Die Erwartungen sind hoch.
Augsburg Immer mehr Gemeinden und Landkreise stoßen an ihre Grenzen, wenn es um die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen geht. Nun hat die Bundesregierung die Hilferufe von Bürgermeistern und Landräten erhört. Bundesinnenministerin Nancy Faeser räumte Handlungsbedarf ein und kündigte für Ende Februar, Anfang März einen Gipfel mit ihren Kollegen aus den Ländern sowie Vertretern der Kommunen an. Die Erwartungen sind hoch, die Liste der Herausforderungen ist lang.
Den Stein ins Rollen gebracht hatte Jens Marco Scherf, Landrat im unterfränkischen Miltenberg. Der Grünen-politiker schlug vor wenigen Tagen öffentlich Alarm. „Wir haben nicht genug Kitaplätze, die Schulen stoßen an Kapazitätsgrenzen, und auch die medizinische Versorgung lässt sich irgendwann nicht mehr gewährleisten“, sagte er nun im Gespräch mit unserer Redaktion. Scherf ist froh, dass die Regierung jetzt reagiert, sagt aber auch: „Dieser Gipfel muss viel konkretere Ergebnisse bringen als das letzte Treffen im Oktober.“Viele Kommunen fühlen sich alleingelassen. Was oft übersehen wird: Es sind nicht nur die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die untergebracht werden müssen. Auch die Zahl der Schutzsuchenden aus anderen Ländern ist wieder massiv gestiegen. Im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurden im vergangenen Jahr 244.132 Asylanträge gestellt – 27,9 Prozent mehr als 2021. Hinzu kommen mehr als eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer, meist Frauen, Kinder und Ältere, die vor Wladimir Putins Bomben geflohen sind. Sie müssen keinen Asylantrag stellen.
Zur Einordnung: Der unterfränkische Landkreis Miltenberg hat allein im vergangenen Jahr mehr Geflüchtete aufgenommen als in den Jahren 2015 und 2016 zusammen, als die Flüchtlingsfrage die Republik vor eine Zerreißprobe gestellt hatte. Der Bund hat den Städten, Gemeinden und Landkreisen zwar Milliardenhilfen zugesagt, doch kurzfristig sieht Landrat Scherf nur eine Maßnahme, die wirklich etwas bringen würde: „Auch wenn das hart klingt: Wir brauchen eine Entlastung bei der Aufnahme von weiteren Flüchtlingen, wir müssen die Zuwanderung begrenzen“, sagte er unserer Redaktion. Scherf ist nicht allein mit seinen Sorgen. Der Deutsche Landkreistag forderte Kanzler Olaf Scholz auf, das Thema zur Chefsache zu machen. „Es fehlt an Wohnungen, an Kitaplätzen, an Lehrern für Schulen und Sprachkurse. Auch deshalb vergrößern sich die gesellschaftlichen Spannungen“, sagte Präsident Reinhard Sager.
Auch die Europäische Union scheint die Dringlichkeit inzwischen erkannt zu haben. Beim Sondergipfel ab Donnerstag steht die Migrationsfrage weit oben auf der Tagesordnung. Dabei wird es unter anderem um Zäune an den Eu-außengrenzen gehen – und darum, wer dafür bezahlen soll. Außerdem wollen die Staats- und Regierungschefs darüber reden, wie sichergestellt werden kann, dass abgelehnte Asylsuchende tatsächlich abgeschoben werden. Aktuell leben in Europa mehr als 300.000 Menschen, die „ausreisepflichtig“wären. Dass sie noch hier sind, liegt nicht nur daran, dass in Länder wie Syrien nicht abgeschoben werden kann, sondern auch daran, dass die Herkunftsländer es oft ablehnen, sie wieder aufzunehmen.
Mehr dazu lesen Sie im Kommentar und im Interview mit Jens Marco Scherf in der Politik.
„Dieser Gipfel muss viel konkretere Ergebnisse bringen.“
Landrat Jens Marco Scherf