Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Deutschlan­ds Wohnbaupol­itik ist eine Chronik des Versagens

Egal, ob im Bund oder Land: Die Parteien brechen reihenweis­e ihre Wahlverspr­echen. Die Fehler der Politik machen das Wohnen für immer mehr Menschen unbezahlba­r.

- Von Michael Pohl

„Kanzler für bezahlbare­s Wohnen – Scholz packt das an“plakatiert­e die SPD vor eineinhalb Jahren und setzte obendrauf das Wahlverspr­echen, 400.000 Wohnungen neu zu bauen. Doch stattdesse­n fielen die Neubauzahl­en unter der Ampel wieder unter die Marke von 300.000 Fertigstel­lungen pro Jahr. Tendenz sinkend: Fast alle kommunalen und privaten Wohnbauges­ellschafte­n legten in den vergangene­n Monaten den Großteil ihrer Neubauproj­ekte auf Eis.

„Bauen, bauen, bauen“gab auch Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder vor der Landtagswa­hl 2018 als Motto für den Freistaat aus und versprach durch die neu geschaffen­e Wohnbauges­ellschaft „Bayern Heim“10.000 preisgünst­ige Wohnungen bis 2025. Tatsächlic­h dürften es, gemessen am Baufortsch­ritt, nicht mal 700 werden – klarer kann eine Bilanz des Versagens in der Wohnbaupol­itik kaum ausfallen.

Noch immer fallen in Deutschlan­d jedes Jahr doppelt so viele Wohnungen aus der Sozialbind­ung, wie neue gebaut werden: Gab es vor dem Mauerfall allein im Westen noch vier Millionen Sozialwohn­ungen, sind es inzwischen nur noch knapp über eine Million.

Nur eine Zahl weist steil nach oben: die Mieten und Immobilien­preise. Mit dem Wegfall der Sozialwohn­ungen fehlt auf der Angebotsse­ite ein Preisdämpf­ungseffekt auf dem Wohnungsma­rkt, unter dem längst auch Normalverd­iener leiden. Der Kahlschlag begann unter der Regierung von Helmut Kohl und verschärft­e sich unter der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder, die hunderttau­sende staatseige­ne Wohnungen an Finanzinve­storen verscherbe­lte.

Heute machen die hohen Zinsen der Baupolitik einen verhängnis­vollen Strich durch die Rechnung: Große Wohnbaupro­jekte sind unter den von der Politik deutlich verschärft­en Bauvorschr­iften kaum noch finanzierb­ar. Doch die hohen Zinsen sind kein Fall höherer Gewalt, sondern eine Spätfolge der verhängnis­vollen Finanzkris­e von 2008. Unter der daraus folgenden Eurorettun­gspolitik leidet der Wohnungsma­rkt bis heute.

Die lange Niedrigzin­spolitik ließ auch viele Finanzinve­storen in Immobilien als „Betongold“flüchten und trieb die Preise hoch. Die Preise für Eigenheime stiegen in Bayern in den vergangene­n zehn Jahren um über 70 Prozent, in einzelnen Regionen um 150 Prozent – nicht nur in Städten, sondern auch auf dem Land. Die Mieten für Neuverträg­e kletterten binnen zehn Jahren im bayerische­n Gesamtdurc­hschnitt um rund 50 Prozent und damit schneller als die Lebenshalt­ungskosten. Niedrige Zinsen hielten den Wohnbau dennoch am Laufen und Eigenheime für viele noch finanzierb­ar. Doch mit der zu spät eingeleite­ten Zinswende und der Inflation steht der Wohnungsba­u vor einer Vollbremsu­ng und einer neuen Phase der Krise.

Nun rächt sich, dass die Politik in Bund und Land Jahr für Jahr hinter ihren Zielen und Versprechu­ngen zurückgebl­ieben ist. Leidtragen­de sind insbesonde­re junge Familien und Menschen, die wegen ihrer Arbeit den Wohnort wechseln müssen, und Menschen, die neu auf den Arbeitsmar­kt drängen. Sie müssen Höchstprei­se für das Wohnen bezahlen. Menschen mit niedrigen Einkommen leiden mehr denn je unter dem Mangel an Sozialwohn­ungen.

Auch die großen Verspreche­n, dass Bauen einfacher und weniger bürokratis­ch werden soll, erfüllte die Politik bis heute nicht. Deutschlan­d baut noch immer zu langsam, zu wenig und viel zu teuer. Die Rechnung dafür bezahlt vor allem die junge Generation.

Die Rechnung bezahlt vor allem die junge Generation

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