Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Deutschlands Wohnbaupolitik ist eine Chronik des Versagens
Egal, ob im Bund oder Land: Die Parteien brechen reihenweise ihre Wahlversprechen. Die Fehler der Politik machen das Wohnen für immer mehr Menschen unbezahlbar.
„Kanzler für bezahlbares Wohnen – Scholz packt das an“plakatierte die SPD vor eineinhalb Jahren und setzte obendrauf das Wahlversprechen, 400.000 Wohnungen neu zu bauen. Doch stattdessen fielen die Neubauzahlen unter der Ampel wieder unter die Marke von 300.000 Fertigstellungen pro Jahr. Tendenz sinkend: Fast alle kommunalen und privaten Wohnbaugesellschaften legten in den vergangenen Monaten den Großteil ihrer Neubauprojekte auf Eis.
„Bauen, bauen, bauen“gab auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder vor der Landtagswahl 2018 als Motto für den Freistaat aus und versprach durch die neu geschaffene Wohnbaugesellschaft „Bayern Heim“10.000 preisgünstige Wohnungen bis 2025. Tatsächlich dürften es, gemessen am Baufortschritt, nicht mal 700 werden – klarer kann eine Bilanz des Versagens in der Wohnbaupolitik kaum ausfallen.
Noch immer fallen in Deutschland jedes Jahr doppelt so viele Wohnungen aus der Sozialbindung, wie neue gebaut werden: Gab es vor dem Mauerfall allein im Westen noch vier Millionen Sozialwohnungen, sind es inzwischen nur noch knapp über eine Million.
Nur eine Zahl weist steil nach oben: die Mieten und Immobilienpreise. Mit dem Wegfall der Sozialwohnungen fehlt auf der Angebotsseite ein Preisdämpfungseffekt auf dem Wohnungsmarkt, unter dem längst auch Normalverdiener leiden. Der Kahlschlag begann unter der Regierung von Helmut Kohl und verschärfte sich unter der rot-grünen Regierung von Gerhard Schröder, die hunderttausende staatseigene Wohnungen an Finanzinvestoren verscherbelte.
Heute machen die hohen Zinsen der Baupolitik einen verhängnisvollen Strich durch die Rechnung: Große Wohnbauprojekte sind unter den von der Politik deutlich verschärften Bauvorschriften kaum noch finanzierbar. Doch die hohen Zinsen sind kein Fall höherer Gewalt, sondern eine Spätfolge der verhängnisvollen Finanzkrise von 2008. Unter der daraus folgenden Eurorettungspolitik leidet der Wohnungsmarkt bis heute.
Die lange Niedrigzinspolitik ließ auch viele Finanzinvestoren in Immobilien als „Betongold“flüchten und trieb die Preise hoch. Die Preise für Eigenheime stiegen in Bayern in den vergangenen zehn Jahren um über 70 Prozent, in einzelnen Regionen um 150 Prozent – nicht nur in Städten, sondern auch auf dem Land. Die Mieten für Neuverträge kletterten binnen zehn Jahren im bayerischen Gesamtdurchschnitt um rund 50 Prozent und damit schneller als die Lebenshaltungskosten. Niedrige Zinsen hielten den Wohnbau dennoch am Laufen und Eigenheime für viele noch finanzierbar. Doch mit der zu spät eingeleiteten Zinswende und der Inflation steht der Wohnungsbau vor einer Vollbremsung und einer neuen Phase der Krise.
Nun rächt sich, dass die Politik in Bund und Land Jahr für Jahr hinter ihren Zielen und Versprechungen zurückgeblieben ist. Leidtragende sind insbesondere junge Familien und Menschen, die wegen ihrer Arbeit den Wohnort wechseln müssen, und Menschen, die neu auf den Arbeitsmarkt drängen. Sie müssen Höchstpreise für das Wohnen bezahlen. Menschen mit niedrigen Einkommen leiden mehr denn je unter dem Mangel an Sozialwohnungen.
Auch die großen Versprechen, dass Bauen einfacher und weniger bürokratisch werden soll, erfüllte die Politik bis heute nicht. Deutschland baut noch immer zu langsam, zu wenig und viel zu teuer. Die Rechnung dafür bezahlt vor allem die junge Generation.
Die Rechnung bezahlt vor allem die junge Generation