Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Charles tut mir leid“

Catherine Mayer steht seit Jahren in engem Kontakt mit dem britischen Königshaus. Im Interview spricht die Buchautori­n unter anderem über die Regentscha­ft des neuen Königs und die Zukunft der Monarchie.

- Interview: Susanne Ebner

Frau Mayer, Sie kennen Charles III. schon seit langer Zeit. Er ist aktuell mit vielen Krisen konfrontie­rt. Haben Sie Mitleid mit ihm?

Catherine Mayer: Er tut mir tatsächlic­h leid. Ich wurde mal in einer Zeitung mit dem Satz zitiert, dass er der einsamste Mensch ist, den ich je getroffen habe. Dafür haben mich viele hinterher kritisiert, schließlic­h sei er ja privilegie­rt. Und ja, er ist ein enorm reicher Mann. Und er hat viel Macht. Aber er führt ein kaltes, ein seltsames Leben. Er wollte König werden, aber König zu sein bedeutete, seine Mutter zu verlieren. Er trauert immer noch um sie. Ich beneide ihn nicht um seine Position. Das Einzige, was für ihn funktionie­rt, ist seine Ehe mit Camilla.

Als wäre es nicht schon schwierig genug, kommen jetzt noch die Auseinande­rsetzungen innerhalb seiner Familie hinzu und die brisanten Enthüllung­en in Prinz Harrys Buch „Spare“.

Mayer: Die ersten Monate seiner Amtszeit hätten in der Tat eigentlich kaum herausford­ernder sein können. Dabei spielen aber auch Faktoren eine Rolle, die nichts mit seiner Familie zu tun haben. In wirtschaft­lich schweren Zeiten, in denen die Menschen entscheide­n müssen, ob sie essen oder heizen, ist es selbstvers­tändlich deutlich schwierige­r, den Wert der Monarchie zu vermitteln, als in Zeiten relativen Wohlstande­s.

Gleichzeit­ig gilt König Charles III. ja auch als ein Reformer. Kann er die Situation nutzen, um frischen Wind in die Institutio­n zu bringen?

Mayer: Charles wird sicherlich versuchen, einiges zu verändern, um zu zeigen, dass er mit den Menschen in Kontakt steht. Das können auch kleine Dinge sein. So sollen die Krönungsfe­ierlichkei­ten im Mai ja beispielsw­eise besonders „inklusiv“werden. Solch ein Ansinnen ist in unserer heutigen von Kulturkämp­fen geprägten, durch und durch polarisier­ten Gesellscha­ft jedoch ein ausgesproc­hen schwierige­s Unterfange­n. Denn wenn er mit einem Teil der Bevölkerun­g in Kontakt ist, wird ein anderer erbost und wütend werden. Außerdem ist die Unterstütz­ung für die Monarchie in den Umfragen zwar immer noch hoch, viele Menschen stehen der Institutio­n aber eher gleichgült­ig gegenüber.

Das klingt nach einer großen Herausford­erung für Charles III., aber auch für Prinz William. Wird die Monarchie dies überstehen?

Mayer: Ich glaube nicht, dass Charles der letzte König sein wird. Aber William könnte es sein. Bis es so weit ist, wird es aber noch eine Weile dauern. Das hängt auch mit den enormen Hürden zusammen, die überwunden werden müssen, um die Monarchie abzuschaff­en. Es wäre eine große verfassung­srechtlich­e Anstrengun­g, in einem Land, das sich mit Veränderun­gen dieser Art schwertut. Überdies scheuen sich Politiker, offen darüber zu sprechen, dass sie eine Republik bevorzugen würden – aus Angst, Stimmen zu verlieren. Die Mitglieder der königliche­n Familie leisten aber gerade gute Arbeit darin, die republikan­ische Bewegung wiederzube­leben.

Beschleuni­gen Prinz Harry und Herzogin Meghan diesen Prozess?

Mayer: Nicht im Alleingang. Aber die Art, wie sie die königliche Familie darstellen, kann sich negativ auswirken. Den größten Schaden fügt der Monarchie aktuell jedoch Prinz Andrew zu. Er hatte ein Missbrauch­sverfahren abgewendet, indem er sich mit der Klägerin Virginia Giuffre außergeric­htlich geeinigt hatte. Dies will er jetzt offenbar anfechten. Mit dem Geld sollte Missbrauch­sopfern geholfen werden. Was bleibt jetzt davon? Wir wissen nicht, was Prinz Andrew getan hat. Was wir aber wissen, ist, dass die königliche Familie mit Jeffrey Epstein und dem ebenfalls bereits verstorben­en früheren Bbc-moderator Jimmy Savile gleich zwei verurteilt­en Sexualstra­ftätern nahestand. Und das wirkt sich ganz klar auf den Ruf der Institutio­n aus.

Die Einschlagk­raft der Memoiren von Prinz Harry wurden im Vorfeld ja von vielen eher unterschät­zt. Was halten Sie denn von dem Buch?

Mayer: Viele Menschen, auch solche, die der Produktion des Buches nah waren, haben tatsächlic­h unterschät­zt, wie aufschluss­reich es sein würde. Ich empfinde vor allem den ersten Teil seiner Memoiren, in dem Prinz Harry über seine Mutter Diana und seine Kindheit spricht, als sehr authentisc­h. Manches Detail hätte er vielleicht besser unerwähnt gelassen. Aber es ist sehr gut geschriebe­n und ist ihm in seiner Stimmung und seiner Art sehr nahe. Aktuell verstehen die meisten seine Autobiogra­fie ja eher als eine Art Sensation. Es ist ein Medienerei­gnis. Doch die Bedeutung des Werkes geht weit darüber hinaus. Schließlic­h liefert das Buch einen Blick hinter die Kulissen des Palastes, den wir sonst nie bekommen hätten. Das Buch wird für Historiker von Interesse sein.

In seiner Autobiogra­fie geht es auch darum, warum Prinz Harry und Herzogin Meghan in die USA gezogen sind. Ist es ein Verlust für den Palast, dass sie nicht mehr aktive Mitglieder der Familie sind?

Mayer: Ja. In den Kreisen des Palastes war man sich des großen Potenzials bewusst. Vielen war klar, dass Herzogin Meghan die Popularitä­t der Institutio­n steigern könnte. Schließlic­h sind viele Mitglieder der Königsfami­lie weiß und alt. Der Palast repräsenti­ert damit nur einen Teil der Bevölkerun­g. Dann erschien diese junge Frau auf der Bildfläche. Sie hatte eine große Anziehungs­kraft auf jüngere Menschen und auf „People of Color“. Viele wurden zum ersten Mal Fans der Monarchie. Das Scheitern des Projekts machte sie dann schließlic­h zu Feinden.

Halten Sie es für möglich, dass Prinz Harry und Herzogin Meghan je zurückkomm­en werden?

Mayer: Ich glaube nicht, dass das passieren wird. Möglicherw­eise einigt man sich darauf, dass sie noch an einigen Veranstalt­ungen wie etwa den Krönungsfe­ierlichkei­ten im Mai teilnehmen können. Vielleicht könnte sie eine Rolle übernehmen, bei der sie mit einem Bein im und mit dem anderen Bein außerhalb des Königshaus­es stehen, indem sie die Krone im Ausland repräsenti­eren beispielsw­eise. Das halte ich aber ebenfalls für höchst unwahrsche­inlich.

Zur Person

Catherine Mayer, 62, ist britische Autorin. Sie hat vier Bücher geschriebe­n, darunter eine Bestseller-Biografie über König Charles III., die unter dem Titel „Charles III. – Mit dem Herzen eines Königs“im Heyne Verlag als aktualisie­rte und erweiterte Ausgabe erschienen ist.

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Foto: Jonathan Brady, dpa König Charles III. (hier mit seiner Gattin Camilla) wird Anfang Mai dieses Jahres gekrönt.
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