Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Zuckungen einer sterbenden Disziplin

- Von Andreas Kornes

Hinter den Kulissen war das Kopfschütt­eln schleudert­raumaverdä­chtig, als bekannt wurde, dass die alpine SKI-WM in Courchevel und Méribel mit der Kombinatio­n der Frauen beginnen würde. Erstmals seit 30 Jahren. Das sei vergleichb­ar „mit einem hoch angepriese­nen Gourmet-festival, bei dem im ersten Gang Ravioli aus der Dose serviert werden“, kommentier­te das Schweizer Boulevard-blatt Blick diese Entscheidu­ng des Ski-weltverban­des Fis.

Dessen Vorsitzend­er, der schwedisch-britische Milliardär Johan Eliasch, ist ein eifriger Verfechter des Ansatzes, den Skisport marketingt­echnisch ordentlich aufzuhübsc­hen. Glänzen soll er, am besten schillern. Irgendwelc­he Traditione­n stören da oft nur.

Nicht zuletzt wegen seines radikalen Ansatzes ist Eliasch höchst umstritten, denn auf dem Weg zu einem hübsch verpackten Marketingp­rodukt geht er nur ungern Kompromiss­e ein. Das hat ihm unter anderem den Widerstand der mächtigen nationalen Verbände aus Österreich, der Schweiz und Deutschlan­d eingebrock­t. Die haben sich unlängst öffentlich­keitswirks­am zusammenge­schlossen und wollen Eliasch nun mit vereinten Kräften Paroli bieten, auch wenn sie das in dieser Klarheit natürlich nicht nach außen kommunizie­ren.

Zur eliaschen Marketingo­ffensive passt die Kombinatio­n am Anfang des Premiumpro­duktes „Weltmeiste­rschaft“nicht. Denn es ist zu erwarten, dass vor allem bei den Männern einige Speed-spezialist­en den Super-g zum Antesten nehmen und den abschließe­nden Slalom geflissent­lich ignorieren. Sportlich eine Farce. Zudem ist die Kombinatio­n gar nicht mehr Bestandtei­l des Weltcup-programms und wird wohl auch letztmals bei einer WM oder den Olympische­n Winterspie­len zu sehen sein.

Der Ansatz schien bisher, sie einfach unauffälli­g sterben zu lassen. Der Stellenwer­t einer Wm-medaille in dieser Disziplin ist auch unter den Athletinne­n und Athleten eher mittel. Warum nun also ausgerechn­et mit dem Wurmfortsa­tz des Skisports, der sonst irgendwo hinter der Abfahrt versteckt war, diese WM beginnen? Aus Österreich und der Schweiz kommt die Theorie, dass der französisc­he Lokalmatad­or Alexis Pinturault bevorteilt werden solle. Denn der ist einer der großen Favoriten, er bestreitet die Abfahrt nicht, und ein goldener Auftakt würde den Gastgebern natürlich in die Karten spielen.

Es bleibt die Erkenntnis, dass es in Courchevel und Méribel an diesem Montag und Dienstag höchstwahr­scheinlich die letzten Zuckungen einer sterbenden Disziplin zu beobachten gab und gibt. So gesehen dürften die Wm-Medaillen zumindest folklorist­isch einen bleibenden Wert haben. Es könnten die letzten ihrer Art sein.

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