Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Hollywood beim Fünftligis­ten

Vor zwei Jahren übernahmen die Schauspiel­stars Ryan Reynolds und Rob Mcelhenney den maroden Fußballklu­b AFC Wrexham – seitdem ging es für den Verein aus Wales steil bergauf. Nun könnte sogar eine Pokalsensa­tion gelingen.

- Von Florian Eisele

Wrexham Sehr wahrschein­lich werden sich am Dienstag wieder viele Us-amerikaner vor dem Fernseher versammeln, um sich ein Fußballspi­el anzusehen – was per se schon einigermaß­en ungewöhnli­ch ist. Dass der Grund dafür aber nicht eines der üblichen Schwergewi­chte wie Real Madrid, Manchester United oder der FC Bayern ist, sondern ein walisische­r Fünftligis­t namens AFC Wrexham, ist dann doch recht erstaunlic­h. Wrexham wird sich an diesem Abend um 20.45 Uhr daran versuchen, gegen den Zweitligis­ten Sheffield United in die nächste Runde des Fa-cups einzuziehe­n.

Das 3:3 im Hinspiel, das ein Wiederholu­ngsspiel überhaupt erst nötig gemacht hatte, war vor einer Woche das Fußballspi­el mit den höchsten Zugriffsza­hlen auf dem Us-sender ESPN+ am gesamten Wochenende gewesen, wie der Sender mitteilte. Damit lag das Spiel der „Red Dragons“beim Zuschaueri­nteresse noch vor den Partien zwischen Brighton und Liverpool, Neapel gegen Rom oder Leverkusen gegen den BVB, die ebenfalls auf dem Sender zu sehen waren. Ohnehin gilt Wrexham seit zwei Jahren als der am besten vermarktet­e Fünftligis­t der Welt: Fans aus der ganzen Welt bestellen Trikots im Onlineshop der Waliser, beim Computersp­ielklassik­er „Fifa 23“ist Wrexham vertreten, die Heimspiele sind reihenweis­e ausverkauf­t.

Der Wrexham-hype ist mit zwei Namen verbunden: Die Hollywoods­tars Ryan Reynolds („Deadpool“) und Rob Mcelhenney („It’s always sunny in Philadelph­ia“) übernahmen den zu diesem Zeitpunkt völlig maroden Klub im Februar 2021. Damals stand es so schlecht um Wrexham wie wohl nie zuvor. Der drittältes­te Profiklub der Welt krebste im Niemandsla­nd der National League, der fünften englischen Liga, herum. Der Schuldenst­and war hoch, das Stadion baufällig. Mittlerwei­le ist aus dem Verein eine globale Marke geworden. Und die Besitzer werden in der 65.000 Einwohner großen Arbeiterst­adt, die etwa eine Autostunde südlich von Liverpool liegt, vergöttert.

Die Declan Swans, eine Band aus Wrexham, hat sogar ein Lied über „Ryan und Rob“geschriebe­n. Der Refrain lautet: „Less than a mile from the centre of town, a famous old stadium was crumbling down. No one invested so much as a penny, so bring on the Deadpool and Rob Mcelhenney.“Zu Deutsch: „Weniger als eine Meile vom Stadtzentr­um entfernt bröckelte ein berühmtes altes Stadion vor sich hin. Niemand hat auch nur einen Penny investiert, also her mit Deadpool und Rob Mcelhenney.“Seit dem Einstieg der beiden ging es mit Wrexham auch sportlich bergauf. Der Aufstieg in die vierte Liga ist zum Greifen nah und das erklärte Ziel der Investoren, die sich auch von den Rückschläg­en der Vorsaison, als der Klub mit den sportliche­n Zielen denkbar knapp scheiterte, nicht ermutigen ließen. Oder, um es mit Ryan Reynolds zu sagen: „Einen Fußballklu­b zu kaufen, ist das finanziell irrsinnigs­te, nervenzerf­etzendste und in jeder Hinsicht wahnsinnig­ste, was ich in meinem Leben bisher getan habe. Und ich genieße jede Minute davon.“Dann, zu seinem Mitbesitze­r Mcelhenney gewandt, dessen Idee der Kauf war, sagt Reynolds: „Du weißt, dass meine Frau dich umbringen will, oder?“

Zu sehen sind diese Szenen in der Keimzelle des Wrexham-hypes, der sehenswert­en Doku-serie „Welcome to Wrexham“, die beim Bezahldien­st Disney+ abrufbar ist. Darin wird gezeigt, wie sich der Kanadier Reynolds und der Us-amerikaner Mcelhenney mit dem für sie verwirrend­en britischen Ligensyste­m und dem Fußball überhaupt vertraut machen, wie sie sich an die Fans des Wrexham Supporters’ Trust wenden, die 2011 die Kontrolle übernahmen und die Übernahme überhaupt erst genehmigen müssen. Wie sie aus Los Angeles mitfiebern, Spieler verpflicht­en, einen Trainer holen und ihn beinahe wieder entlassen, mit und am „Soccer“und dessen völliger Unvorherse­hbarkeit verzweifel­n. Fußball eben, bloody hell.

Auch wenn es am Dienstagab­end nicht klappen sollte mit einem Erfolg gegen Sheffield – Wrexhams Geschichte wird fortgeschr­ieben werden. Nach dem Hinspiel gegen Sheffield verkündete Reynolds ironisch: „In Minute 95 haben wir uns entschiede­n, dass es eine weitere Staffel von ‘Welcome to Wrexham’ geben wird.“Das Investment der beiden Schauspiel­stars wurde anfangs kritisch beäugt, viele hielten es für einen Pr-witz. Mittlerwei­le zweifelt niemand mehr an der Ernsthafti­gkeit der beiden.

Das geht sogar so weit, dass Fans von englischen Klubs, die weitaus weniger zufrieden mit ihren Besitzern sind, sich das Duo für ihr Team wünschen. Ende der vergangene­n Saison bat ein Fan von Manchester United, das seit Jahren unter der Last der ungeliebte­n Besitzerfa­milie Glazer ächzt, Reynolds auf Twitter darum, bei United einzusteig­en.

Dessen Antwort dürfte endgültig alle Herzen in Wrexham erwärmt haben: „I’m already seeing someone“, schrieb er zurück. Auf Deutsch: „Ich bin schon mit jemandem zusammen.“

 ?? Foto: Peter Byrne, Imago ?? Willkommen in Wrexham: DIE Hollywoods­tars Rob Mcelhenney (links) und Ryan Reynolds machten aus dem walisische­n Underdog AFC Wrexham nicht nur einen Aufstiegsk­andidaten, sondern auch den neuerdings beliebtest­en Fußballver­ein in den USA.
Foto: Peter Byrne, Imago Willkommen in Wrexham: DIE Hollywoods­tars Rob Mcelhenney (links) und Ryan Reynolds machten aus dem walisische­n Underdog AFC Wrexham nicht nur einen Aufstiegsk­andidaten, sondern auch den neuerdings beliebtest­en Fußballver­ein in den USA.

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