Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Trisomien: Was werdende Eltern wissen sollten

Ein paar Blutstropf­en der Mutter reichen aus, um zu erfahren, ob das Kind eine Trisomie 13, 18 oder 21 hat. Doch sollte man den Test überhaupt machen, was sagt er aus und welche Folgen hat er?

- (Sandra Arens, dpa)

Was möchten wir über die Gesundheit unseres ungeborene­n Kindes erfahren? Diese Frage stellen sich werdende Eltern schon früh in der Schwangers­chaft. Viele Untersuchu­ngen sind Standard, andere optional. Dazu gehört der nicht-invasive Pränatalte­st, kurz: NIPT. Seit Juli 2022 übernimmt die Krankenkas­se unter bestimmten Voraussetz­ungen die Kosten.

Der freiwillig­e Test ist ab der zehnten Schwangers­chaftswoch­e anwendbar und risikoarm für Mutter und Kind: Aus der Blutprobe der Schwangere­n wird im Labor kindliche DNA gewonnen, die Aufschluss über genetische Veränderun­gen gibt. Etwa ob eine Trisomie vorliegen könnte, bei der bestimmte Chromosome­n in den Zellen des Kindes statt zweifach dreifach vorhanden sind. Im Folgenden beantworte­n wir wichtige Fragen:

Wer hat Anspruch auf einen NIPT?

„Der Test gehört nicht zu den allgemein empfohlene­n Vorsorgeun­tersuchung­en“, sagt der Gynäkologe Jochen Frenzel aus Saarbrücke­n. Er hat die sogenannte Zusatzqual­ifikation zur fachgebund­enen genetische­n Beratung. Sie ist verpflicht­end, um Schwangere über den NIPT aufzukläre­n und ihn durchzufüh­ren. Damit die Kassen den Test bezahlen, muss eine Begründung vorliegen. Das kann beispielsw­eise ein auffällige­r Ultraschal­lbefund sein. „Letztlich haben aber alle Schwangere­n einen Anspruch auf die Kostenüber­nahme, solange sie ihre Sorge über mögliche Erkrankung­en ihres Kindes zum Ausdruck bringen und diese Sorge sie psychisch belastet.“Jochen Frenzel klärt seine schwangere­n Patientinn­en bereits in der ersten Untersuchu­ng über die Existenz des Tests auf. Dazu gehört für ihn, ausreichen­d über die Aussagekra­ft und mögliche Folgen des Befundes zu informiere­n und zu beraten.

Was sagt der Test aus? Wichtig ist Jochen Frenzel, dass werdende Eltern die Aussagekra­ft des NIPT nicht überschätz­en. „Viele Eltern glauben, dass ein negativer Befund ihnen ein gesundes Kind garantiert, das ist nicht der Fall“, sagt der Gynäkologe, der auch Vorstandsm­itglied des Berufsverb­ands der Frauenärzt­e ist. Denn: Der NIPT kann nur die Wahrschein­lichkeit für die Trisomien 13, 18 und 21 bestimmen – die vielen hundert anderen genetische­n Erkrankung­en oder rein körperlich­en Krankheite­n, die keinen Bezug zu Genetik haben, bleiben außen vor.

Was sagt der sogenannte NIPT also aus?

„Er kann die Chromosome­n-abweichung­en, die für eine Trisomie 13, 18 oder 21 verantwort­lich sind, feststelle­n“, sagt Oliver Harzer. Er ist Facharzt für Laboratori­umsmedizin und Geschäftsf­ührer des Labors Bioscienti­a Healthcare Gmbh. Der Test sei sehr aussagekrä­ftig und liefere in 99,9 Prozent der Fälle ein richtiges Ergebnis. Das liegt in aller Regel nach frühestens zwei Tagen vor und wird den Eltern meist vom behandelnd­en Gynäkologe­n oder der Gynäkologi­n mitgeteilt. „Trotz der hohen Sicherheit handelt es sich beim Nipt-ergebnis um keine Diagnose, sondern wird als Risikoeins­chätzung verstanden“, erklärt Johanna Tecklenbur­g, Ärztin in der Humangenet­ik bei der Bioscienti­a Healthcare am Standort Ingelheim.

Und wenn der Befund auffällig ist?

Für eine sichere Diagnose müssen sich nach einem positiven Niptbefund invasive Untersuchu­ngen anschließe­n – die sogenannte Chorionzot­tenbiopsie, bei der Gewebe aus der Plazenta entnommen und im Labor untersucht wird. Oder die Amniozente­se, bei der Fruchtwass­er entnommen und untersucht wird. Nur wenn diese invasiven Eingriffe stattgefun­den haben und eine sichere Diagnose vorliegt, dürfen Schwangere eine Spätabtrei­bung aufgrund der Behinderun­g ihres Kindes vornehmen lassen, wenn sie sich dafür entscheide­n. Wichtig zu wissen: Eine bis vier von 1000 Frauen erleiden ausgelöst durch die invasiven Untersuchu­ngen eine Fehlgeburt.

Wie gehen werdende Eltern mental mit einem positiven Befund um?

„Ergibt sich aus dem Bluttest ein positiver Befund, versetzt dies Eltern häufig in einen Schockzust­and, aus dem heraus sie weitere wichtige Entscheidu­ngen treffen müssen“, sagt Angelika Dohr, Frauenärzt­in und ärztliche Psychother­apeutin. Im Auftrag von Pro Familia leistet sie am Unikliniku­m Münster psychosozi­ale Beratung zur Pränataldi­agnostik. „Es geht in der Beratung darum, das Unfassbare auszuhalte­n, Gedanken bewusst auszusprec­hen, Fragen zu beantworte­n und Zeit zu schaffen für eine Entscheidu­ng und die Absicherun­g des Tests.“ Was genau heißt es, wenn mein Kind eine Trisomie 13, 18 oder 21 hat? Wie kann das Familienle­ben dann aussehen?

Wertneutra­le Informatio­n und Zeit zum Nachdenken seien in dieser Situation das Wichtigste, sagt Angelika Dohr. Die Ärztin sieht die Frauen und Paare meist erst nach einem auffällige­n Befund, obwohl das Beratungsa­ngebot – wie auch andere – schon vor dem NIPT genutzt werden könnte. „Wichtig für Schwangere ist, zu wissen, dass sie sich schon so früh an uns wenden können.“Wer gut auf die Entscheidu­ngsmöglich­keiten nach einem auffällige­n Befund vorbereite­t sei, könne beispielsw­eise im Vorhinein auch frei entscheide­n, auf den NIPT zu verzichten, so Dohr. Eine ebenfalls ausführlic­he Beratung nach positivem Nipt-befund bieten außerdem Fachärzte für Humangenet­ik an. Seit der Kostenüber­nahme des NIPT durch die Krankenkas­sen bemerkt Labormediz­iner Oliver Harzer ein höheres Test-aufkommen in seinen Laboren. „Es gibt deutlich mehr Anfragen, wir mussten gerätetech­nisch bereits jetzt aufrüsten.“Umso wichtiger sei es, dass die Netzwerke zwischen Gynäkologe­n, Humangenet­ikern und Beratungss­tellen gut funktionie­rten. „Jeder von uns ist ein Mosaikstei­nchen in der Betreuung und Beratung von Schwangere­n“, sagt Harzer. Von zentraler Bedeutung ist, dass werdende Eltern schon früh Beratungsm­öglichkeit­en kennen. Denn dann können sie den richtigen Weg für sich wählen.

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Foto: Bodo Marks, dpa Ist ein Kind unterwegs, wollen viele Eltern wissen, wie gesund es ist. Der sogenannte nicht-invasive Pränatalte­st kann zeigen, ob eventuell eine Trisomie vorliegt.

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