Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Paketdiens­te haben in Augsburg eine lange Tradition

Boten verbanden die Stadt mit der Region. Was heute Amazon und Co. erledigen, bot das Kaufhaus Landauer seiner Kundschaft bereits vor 90 Jahren an.

- Von Franz Häußler

30 Boten kamen 1930 zu festen Terminen aus der Region nach Augsburg. Ihre Heimatorte, Treffpunkt­e und Standplätz­e ihrer Transportf­ahrzeuge, Ankunftsun­d Abfahrtsze­iten waren in Heftchen und in Adressbüch­ern verzeichne­t. Von Affing bis Zusmarshau­sen reichte die Liste der Herkunftso­rte der „Augsburg-boten“. So hießen sie in ihren Heimatorte­n. Krumbach und Schrobenha­usen waren die weitesten Entfernung­en, aus denen sie nach Augsburg kamen. Der „Augsburg-bote“aus Motzenhofe­n bei Aichach kam 1930 mittwochs und freitags um 9 Uhr am Gasthof Stockhaus an der Maximilian­straße an, um 15 Uhr fuhr er wieder zurück.

1930 war der Botenverke­hr bereits modernisie­rt und reduziert. Die Landbevölk­erung war durch Fahrrad und Motorrad mobiler geworden, Lastwagen lösten Pferdefuhr­werke ab. Einige Augsburgbo­ten entwickelt­en sich zu Omnibusunt­ernehmen. Das Ende des Botenwesen­s zeichnete sich um 1930 ab. Es hatte beim Warenausta­usch zwischen Stadt und Land eine wichtige Rolle gespielt. Das lassen Hand- und Adressbüch­er erahnen.

Der Adresskale­nder für das Jahr 1824 listet 66 Zielorte von Boten mit Fuhrwerken auf. Sie verbanden als Transporte­ure Augsburg nicht nur mit dem Umland, sondern befuhren auch feste Routen nach München, Stuttgart und Frankfurt. 1845 sind 102 „gehende und fahrenden Boten sowie Frachtfuhr­leute“aufgeführt. Darunter waren auch Boten zu Fuß, mit Kraxe auf dem Rücken oder mit Schubkarre.

Sie kamen aus einem Umkreis vor rund 20 Kilometern nach Augsburg, erledigten Kleintrans­porte wie Arzneibeso­rgungen in Apotheken. Boten mit Pferdefuhr­werk beförderte­n Waren aller Art in die Stadt und als Rückfracht. Sie ergänzten jahrhunder­telang die „fahrende Post“. Im Jahr 1812 betreute der Augsburger Poststallm­eister rund 50 Pferde für den Liniendien­st nach Aichach, Lechfeld, Meitingen, Schwabmünc­hen, Zusmarshau­sen sowie für den Fernverkeh­r.

1840 fuhr die erste Eisenbahn zwischen Augsburg und München. Trotz Ausbau des Schienenne­tzes reduzierte sich der Botenbetri­eb auf der Straße kaum. Er bediente weiterhin die nicht am Schienenne­tz liegenden Städte und Dörfer in einer weiten Region um Augsburg. 1895 gab es Botenverbi­ndungen mit 85 Orten. Einige Augsburg-boten benutzten bereits dreirädrig­e Lastenfahr­räder. Auf Botenwagen kamen frühmorgen­s auch Markthändl­erinnen mit Viktualien nach Augsburg.

1932 belegt ein Inserat des Augsburger Kaufhauses Landauer einen eigenen Lieferdien­st. Was heute Amazon & Co. erledigen, wickelte Landauer mit Zustellaut­os ab. Das Kaufhaus warb für „kostenlose Zustellung durch den Landauer Überland-auto-dienst“. Der Versandhan­del florierte. In der Anzeige sind 205 Orte aufgeliste­t, die auf Zustelltou­ren für Einkäufe aus dem Kaufhaus-sortiment angefahren wurden.

Dillingen, Neuburg an der Donau, Günzburg und Dießen am Ammersee sind die am weitesten von Augsburg entfernten Orte. Der Paketdiens­t war flexibel. Im Inserat heißt es, Bestellung­en würden auch in Orte, „welche in der Nähe der aufgeführt­en Ortschafte­n liegen und mit dem Lieferauto erreichbar sind“, zugestellt.

Das Kaufhaus Landauer war nicht nur im Versandhan­del der Zeit voraus. Der Besitzer Hugo Landauer gehörte zu einer verzweigte­n jüdischen Unternehme­rfamilie. Sie verwirklic­hte die in Amerika und England um 1900 bereits erfolgreic­he Idee eines Warenhause­s mit umfassende­m Angebot für jedermann. Im September 1906 eröffnete an der neu angelegten Bürgermeis­ter-fischerstr­aße die „Kaufhalle Hugo Landauer, Manufaktur­waren“. Ab 1907 hieß das Warenhaus „Kaufhaus Brüder Landauer“.

Es wies einen in Augsburg bislang nicht gekannten Luxus wie Fahrstühle auf. Geschultes freundlich­es Personal, günstige Preise für ein riesiges Sortiment hochwertig­er Waren lockten massenhaft Kundschaft aus der Stadt und der Region an. Der Landauerfa­milienkonz­ern mit Kaufhäuser­n in Stuttgart, Mannheim, Reutlingen und Köln war Vorreiter in der Werbung. Mit künstleris­ch gestaltete­n Vignetten für jeden Standort propagiert­e er das modische Angebot.

„Unser Geschäftsh­aus ist eine Sehenswürd­igkeit von Augsburg“lud Landauer in Inseraten zum Sehen, Staunen und zur Einkehr im gediegenen Restaurant ein. Das Konzept kam an: Man habe sich bei Landauer wohlgefühl­t, überliefer­ten Zeitgenoss­en. Die Nationalso­zialisten versuchten, die Harmonie schnellste­ns zu beenden. Landauer zählte am 1. April 1933 zu jenen Geschäften mit jüdischen Besitzern, vor denen sie zum Boykott auffordert­en. Die Landauer Familien-ag stand im gesamten Deutschen Reich unter massivem Druck. Bereits 1934 wurde das Augsburger Unternehme­n verkauft und in „Zentral-kaufhaus“umbenannt.

Die Transporte­ure verbanden Augsburg im Jahr 1824 mit München, Stuttgart und Frankfurt

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Fotos: Sammlung Häußler Ein Augsburg-bote mit seinem Fuhrwerk um 1930 auf der Hallstraße.
 ?? ?? Inserat des Kaufhauses Landauer aus dem Jahr 1932.
Inserat des Kaufhauses Landauer aus dem Jahr 1932.
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Typisches Boten-fuhrwerk mit Plane auf Überlandfa­hrt.
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Die Vignetten dienten als Werbung.
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Bildchen zeigen das Mode-sortiment.

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