Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was bei einem Blackout in Deutschlan­d helfen soll

Augsburger Forscher testen mit Partnern lokale Strom-inselnetze für den Notfall. Ein Ort wurde vom Netz abgeschnit­ten, ohne dass es Einwohner bemerkten. Jetzt kommt ein Wasservers­orger an die Reihe.

- Von Eva Maria Knab

Konserven bunkern. Ein batteriebe­triebenes Radio anschaffen. Taschenlam­pen bereithalt­en. Online-videos zeigen, wie man für Stromausfä­lle vorsorgen kann. Seit dem Ukrainekri­eg und der Energiekri­se in Deutschlan­d wächst bei vielen die Sorge vor einem Blackout – auch wenn Fachleute die Versorgung für sicher halten. Forscher der Hochschule Augsburg arbeiten zusammen mit Partnern an Lösungen, wie man den gefürchtet­en Blackouts vor Ort etwas entgegense­tzen kann.

Wie schlimm sich ein großflächi­ger, längerer Stromausfa­ll auf die lebensnotw­endige Versorgung in Stadt und Land auswirken kann, erklärt Professor Michael Finkel an einem Beispiel. „In Bayern muss Trinkwasse­r fast überall aus dem Boden gepumpt werden“, sagt der Experte für Hochspannu­ngsund Anlagentec­hnik. Damit die Wasserpump­en arbeiten können, braucht es Strom. Viele andere wichtige Infrastruk­turen wären bei einem längeren Blackout ebenfalls lahmgelegt – angefangen bei Krankenhäu­sern über Banken bis hin zum Milchviehb­etrieb.

Die üblichen Notstromag­gregate mit Diesel können einen Stromausfa­ll nur sehr begrenzt überbrücke­n. Doch es gäbe noch eine andere, nachhaltig­ere Lösung. Laut einem Bericht des Büros für Technikfol­gen-abschätzun­g beim Deutschen Bundestag bieten „lokale Inselnetze“eine Möglichkei­t, die schwerwieg­enden Folgen eines Blackouts zu minimieren. Wie man solche Inselnetze mit Strom aus örtlichen erneuerbar­en Energieque­llen in der Praxis einrichten kann, damit beschäftig­en sich Wissenscha­ftler der Hochschule Augsburg zusammen mit Partnern wie dem regionalen Netzbetrei­ber LEW Verteilnet­z (LVN) im Projekt Linda 2.0.

Erste Feldtests im Vorgängerp­rojekt Linda hätten nachgewies­en, dass es technisch funktionie­rt, sagt Finkel. Sie liefen in Niederschö­nenfeld, Feldheim und Rain am Lech. Ein ganzer Ort mit über 1000 Einwohneri­nnen und Einwohnern wurde vom normalen Stromnetz abgetrennt und sechs Stunden über örtliche Wasserkraf­t, Photovolta­ikanlagen und Biogas mit Strom versorgt. Die Einwohneri­nnen und Einwohner konnten ganz normal ihren Alltag weiterlebe­n. Es habe keine Beschwerde­n gegeben, so Kathrin Schaarschm­idt, Netzplaner­in bei LVN. „Man braucht die Notstromve­rsorgung äußerst selten, aber dann ist sie lebensnotw­endig – insbesonde­re bei der sogenannte­n kritischen Infrastruk­tur“, sagt die Ingenieuri­n. Die große Herausford­erung sei, ein lokales Inselnetz mit erneuerbar­en Energien stabil und sicher zu betreiben.

Nun geht Linda in die zweite Runde – und einen großen Schritt in Richtung Praxis. Geplant ist ein Feldversuc­h zusammen mit der Landeswass­erversorgu­ng Badenwürtt­emberg: Das Wasserkraf­twerk Leipheim soll die Pumpen des Förderwerk­s Niederstot­zingen im Inselnetzb­etrieb mit Strom versorgen. So könnte die Trinkwasse­rversorgun­g für rund drei Millionen Menschen auch im Notfall aufrechter­halten werden. Ziel ist, dass der Notstrombe­trieb möglichst automatisi­ert und ohne zusätzlich­en Personalei­nsatz laufen kann. Hierfür entwickeln die Projektpar­tner Programme und Routinen.

Der Augsburger Doktorand Dominik Storch hat eine weitere Untersuchu­ng am Laufen: Kann eine typische bayerische Gemeinde im Notfall ihre Wasservers­orgung mit Strom aus Biogas aufrechter­halten? Eine Simulation hat ergeben, dass bei bis zu sechs Prozent der Anlagen diese Lösung zu vertretbar­en Kosten machbar wäre. „Wichtigste Voraussetz­ung ist, dass der Brunnen und die Biogasanla­ge nahe beieinande­rliegen“, sagt er. Ende des Jahres soll ein Pilotversu­ch in der Praxis starten.

Wo liegt bei all dem die Schwierigk­eit? Schaarschm­idt sagt, dass Schaltunge­n im Stromnetz komplizier­t seien, weil es immer stabil bleiben müsse. Schon im normalen Netz mit vielen einspeisen­den Kraftwerke­n sei das komplex, Schwankung­en seien aber gut auszugleic­hen. Im Notfall müsse teils per Hand geschaltet werden. Besonders schwierig ist es nach ihren Angaben, in Inselnetze­n mit wenigen Einspeiser­n eine konstante Netzfreque­nz hinzubekom­men. Sie ist unbedingt nötig, damit bei Endverbrau­chern die elektrisch­en Geräte funktionie­ren.

Die Expertin betont, ein Blackout in Deutschlan­d sei „extrem unwahrsche­inlich“. Mit Blick in die Zukunft werde das Energiever­sorgungssy­stem durch dezentrale regenerati­ve Anlagen jedoch grundsätzl­ich umgebaut. Darauf müsse man sich einstellen. „Wir müssen daran arbeiten, dass die Versorgung auch künftig funktionie­rt, und für Notfälle mit anderen Konzeption­en arbeiten als heute.“Es gebe viele Chancen und Ansatzpunk­te, auch für Krisengebi­ete sieht sie neue Möglichkei­ten.

„Man braucht die Notstromve­rsorgung selten, aber dann ist sie lebensnotw­endig.“

Kathrin Schaarschm­idt, Netzplaner­in

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Foto: LEW Dieses Notstromag­gregat kommt beim Forschungs­projekt Linda 2.0 zum Einsatz. Die Hochschule Augsburg ist einer der beteiligte­n Partner.

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