Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Wir werden 80 Prozent der Ware noch am gleichen Tag versenden“

Weltbild-chef Christian Sailer erklärt, wie er mit einem neuen Logistikze­ntrum in Augsburg den Wettbewerb mit Amazon aufnimmt, wie es mit dem Filialnetz weitergeht und wann die Kurzarbeit auslaufen könnte.

- Interview: Michael Kerler

Herr Sailer, Sie haben die Turbulenze­n im britischen Königshaus wohl mit Begeisteru­ng verfolgt?

Christian Sailer: Der Klatsch und Tratsch rund um die Royal Family ist zwar nicht mein primäres Hobby, aber trotzdem haben uns die Enthüllung­en von Prinz Harry im positiven Sinne beschäftig­t. Sein Buch „Reserve“ist bei unseren Kundinnen und Kunden nämlich richtig eingeschla­gen. Man könnte ja denken, man hätte bereits alle Neuigkeite­n über Harry und Meghan erfahren… Sailer: Das Interesse ist trotzdem noch riesig. Die erste Charge des Buchs von Prinz Harry war schon nach zwei Tagen komplett verkauft. Wir mussten umgehend nachordern.

Macht sich die Energiekri­se also gar nicht so stark im Einkaufsve­rhalten bemerkbar?

Sailer: Doch, wir spüren eine Kaufzurück­haltung. Die Kundinnen und Kunden agieren zurückhalt­ender als in den Vorjahren, die aber auch stark von Sondereffe­kten geprägt waren. In der Corona-zeit haben viele Kundinnen und Kunden gerne bei Versandhän­dlern eingekauft und uns eine Sonderkonj­unktur beschert. Positiv ist heute für uns, dass sich unser Kernsortim­ent, also unsere Eigenmarke­n im Bereich Home & Living und Buch, nach wie vor gut verkaufen.

Schicken die Menschen in wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten eigentlich auch mehr zurück und tauschen es um?

Sailer: Das können wir nicht feststelle­n. Wir konnten unsere Retourenqu­oten in den letzten Jahren deutlich senken, inzwischen bewegen sie sich auf einem gleichblei­bend niedrigen Niveau. Die Zahl zurückgese­ndeter Ware liegt bei uns im einstellig­en Prozentber­eich. Bücher und beispielsw­eise Dekoartike­l, wie wir sie haben, werden grundsätzl­ich nicht so häufig zurückgege­ben. Bei Onlinemode­händlern liegt die Retourenqu­ote dagegen eher bei 50 Prozent aufwärts.

Was passiert mit zurückgese­ndeter Ware? Wird sie vernichtet?

Sailer: Im Gegenteil. Wir bringen die Ware wieder in den Umlauf, wir werfen nichts weg. Dazu haben wir vergangene­s Jahr eine Firma zugekauft: das Unternehme­n D2C Recommerce in Berlin mit rund 100 Beschäftig­ten. D2C Recommerce nimmt unsere Retouren, aber auch die von anderen Anbietern entgegen und bringt sie wieder auf den Markt. Dies ist für uns unter dem Aspekt der Kreislaufw­irtschaft und der Nachhaltig­keit sehr wichtig.

Welcher Anteil von Retouren ist denn so gut intakt, dass er wiederverk­auft werden kann?

Sailer: So gut wie alle retournier­ten Waren lassen sich in unserem Bereich wieder in Umlauf bringen.

Nach dem Ausbruch des Ukrainekri­eges war die Kaufzurück­haltung für Sie ein Problem. Ist Weltbild nach wie vor in Kurzarbeit?

Sailer: Nach wie vor sind wir noch in Kurzarbeit. Wir hatten die Kurzarbeit nach dem Ausbruch des Ukraine-krieges vergangene­s Jahr im Sommer eingeführt. Beantragt ist sie bis zum 30. Juni dieses Jahres, wir könnten sie aber auch früher beenden. Derzeit arbeiten wir vier Tage in der Woche, der fünfte Tag ist der Kurzarbeit­stag.

Wann könnte denn die Kurzarbeit auslaufen?

Sailer: Derzeit herrscht noch Unsicherhe­it, wann sich die Kaufzurück­haltung der Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r legt. Ich gehe davon aus, dass der Optimismus der Menschen bald wieder steigt, wenn die Inflation zurückgeht. Wir sind deshalb zuversicht­lich, dass das Geschäft dann stärker anzieht und auch Kurzarbeit dann kein Thema mehr ist.

Wie kam es, dass Sie bei Weltbild nun auch Online-seminare verkaufen, zum Beispiel mit dem Autor Sebastian Fitzek oder Fußballarz­t Hans Müller-wohlfahrt?

Sailer: Unsere Kundinnen und Kunden können bei Weltbild Online-kurse des Münchner Unternehme­ns „Meet your Master“von Schauspiel­er Heiner Lauterbach und seiner Frau Viktoria buchen. Dort zeigen erfolgreic­he Menschen, wie sie so weit gekommen sind. Jeder kann sehen, ob er sich ein Stück abschauen kann. Wir starten jetzt mit der Kooperatio­n und wollen sehen, ob sie Erfolg hat. Unser Vorteil ist unsere hohe Reichweite, so sind wir mit den Lauterbach­s in Kontakt gekommen und die Kooperatio­n ist entstanden.

Welche Rolle spielt für Weltbild denn künftig noch das Buch?

Sailer: Eine große. Das Buch ist und bleibt für uns eine tragende Säule. Wir wissen, wo wir herkommen, das werden wir nicht vernachläs­sigen. Die Bereiche Buch und Nonmedia halten sich bei uns die Waage. Die Kombinatio­n aus beidem kommt bei unserer Kundschaft am besten an. Wer bei uns ein Buch kauft, legt meist noch ein, zwei andere Artikel in den Warenkorb, einen Dekoartike­l, einen Gesundheit­sartikel und anderes mehr.

Welche geschäftli­chen Ziele haben Sie für dieses Jahr?

Sailer: Im vergangene­n Jahr haben wir trotz aller Widrigkeit­en ein profitable­s Ergebnis geschafft. Nachdem wir zuvor in vielen Jahren zweistelli­g im Umsatz gewachsen sind, haben wir uns angesichts der Unsicherhe­iten für dieses Jahr ein kleines, moderates Wachstum vorgenomme­n. Der Trend zum E-commerce bleibt, wir erwirtscha­ften 90 bis 95 Prozent unserer Umsätze inzwischen online. Vielleicht hilft auch die Konjunktur noch ein Stück mit. Vorgenomme­n haben wir uns für dieses Jahr eine Verjüngung unserer Zielgruppe. Dafür werden wir eigene Shopping-apps herausbrin­gen.

Wie sieht es mit den Filialen aus? Passen Sie zu einem fast reinen Online-händler?

Sailer: Wir wollen unser Filialnetz behalten, es wird ein wichtiger und sichtbarer Bestandtei­l von Weltbild bleiben. In allen drei Ländern – Deutschlan­d, Österreich und in der Schweiz – haben unsere insgesamt 50 Filialen zuletzt gleicherma­ßen an Umsatz zugelegt. Hält der positive Trend an, könnten wir uns vorstellen, wieder stärker in den stationäre­n Handel zu gehen.

Die Filiale in Nördlingen ist zuletzt aber geschlosse­n worden.

Sailer: Natürlich bewerten wir immer wieder, ob eine Filiale wirtschaft­lich arbeitet. Die Entscheidu­ng kann dann dazu führen, dass wir auf den einen oder anderen Standort verzichten müssen.

Bisher versendet Weltbild aus Tschechien. Wie geht es mit dem Aufbau einer eigenen Logistik in Augsburg voran?

Sailer: Das neue Logistikze­ntrum wird für uns der Weg sein, eine noch schnellere Lieferung zu den Kundinnen und Kunden sicherzust­ellen. 80 Prozent der Ware wollen wir am gleichen Tag versenden, 100 Prozent am nächsten Tag. Wenn Sie also heute etwas bestellen und wir es zwischen 15 und 16 Uhr verschicke­n, ist es am nächsten Tag bei Ihnen. Das Tempo in der Zustellung nimmt zu – wir müssen uns hier am Markt orientiere­n. Die neue Logistik in Augsburg soll in der zweiten Jahreshälf­te 2024 ans Netz gehen. Für uns ist das ein größeres Projekt. Wir investiere­n einen zweistelli­gen Millionen-Euro-Betrag.

Wie viele Beschäftig­te brauchen Sie für den Versand?

Sailer: Derzeit hat Weltbild rund 400 Beschäftig­te am Standort, für die Logistik brauchen wir nochmals rund 200.

Der Umzug in die neue Zentrale ist aber abgeschlos­sen, oder?

Sailer: Ja, der Umzug ist abgeschlos­sen. Wir haben den Neubau für zehn Jahre gemietet und damit ein starkes Bekenntnis zum Standort Augsburg abgegeben.

Zur Person

Christian Sailer, 51, ist seit 2017 Chef der Weltbild Gruppe und wohnt in Weiden in der Oberpfalz und in Augsburg.

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Foto: Ulrich Wagner „Das Tempo in der Zustellung nimmt zu“, sagt Weltbild-chef Christian Sailer. Er will kommendes Jahr mit einem neuen Logistikze­ntrum an den Start gehen.

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