Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Wir werden 80 Prozent der Ware noch am gleichen Tag versenden“
Weltbild-chef Christian Sailer erklärt, wie er mit einem neuen Logistikzentrum in Augsburg den Wettbewerb mit Amazon aufnimmt, wie es mit dem Filialnetz weitergeht und wann die Kurzarbeit auslaufen könnte.
Herr Sailer, Sie haben die Turbulenzen im britischen Königshaus wohl mit Begeisterung verfolgt?
Christian Sailer: Der Klatsch und Tratsch rund um die Royal Family ist zwar nicht mein primäres Hobby, aber trotzdem haben uns die Enthüllungen von Prinz Harry im positiven Sinne beschäftigt. Sein Buch „Reserve“ist bei unseren Kundinnen und Kunden nämlich richtig eingeschlagen. Man könnte ja denken, man hätte bereits alle Neuigkeiten über Harry und Meghan erfahren… Sailer: Das Interesse ist trotzdem noch riesig. Die erste Charge des Buchs von Prinz Harry war schon nach zwei Tagen komplett verkauft. Wir mussten umgehend nachordern.
Macht sich die Energiekrise also gar nicht so stark im Einkaufsverhalten bemerkbar?
Sailer: Doch, wir spüren eine Kaufzurückhaltung. Die Kundinnen und Kunden agieren zurückhaltender als in den Vorjahren, die aber auch stark von Sondereffekten geprägt waren. In der Corona-zeit haben viele Kundinnen und Kunden gerne bei Versandhändlern eingekauft und uns eine Sonderkonjunktur beschert. Positiv ist heute für uns, dass sich unser Kernsortiment, also unsere Eigenmarken im Bereich Home & Living und Buch, nach wie vor gut verkaufen.
Schicken die Menschen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eigentlich auch mehr zurück und tauschen es um?
Sailer: Das können wir nicht feststellen. Wir konnten unsere Retourenquoten in den letzten Jahren deutlich senken, inzwischen bewegen sie sich auf einem gleichbleibend niedrigen Niveau. Die Zahl zurückgesendeter Ware liegt bei uns im einstelligen Prozentbereich. Bücher und beispielsweise Dekoartikel, wie wir sie haben, werden grundsätzlich nicht so häufig zurückgegeben. Bei Onlinemodehändlern liegt die Retourenquote dagegen eher bei 50 Prozent aufwärts.
Was passiert mit zurückgesendeter Ware? Wird sie vernichtet?
Sailer: Im Gegenteil. Wir bringen die Ware wieder in den Umlauf, wir werfen nichts weg. Dazu haben wir vergangenes Jahr eine Firma zugekauft: das Unternehmen D2C Recommerce in Berlin mit rund 100 Beschäftigten. D2C Recommerce nimmt unsere Retouren, aber auch die von anderen Anbietern entgegen und bringt sie wieder auf den Markt. Dies ist für uns unter dem Aspekt der Kreislaufwirtschaft und der Nachhaltigkeit sehr wichtig.
Welcher Anteil von Retouren ist denn so gut intakt, dass er wiederverkauft werden kann?
Sailer: So gut wie alle retournierten Waren lassen sich in unserem Bereich wieder in Umlauf bringen.
Nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges war die Kaufzurückhaltung für Sie ein Problem. Ist Weltbild nach wie vor in Kurzarbeit?
Sailer: Nach wie vor sind wir noch in Kurzarbeit. Wir hatten die Kurzarbeit nach dem Ausbruch des Ukraine-krieges vergangenes Jahr im Sommer eingeführt. Beantragt ist sie bis zum 30. Juni dieses Jahres, wir könnten sie aber auch früher beenden. Derzeit arbeiten wir vier Tage in der Woche, der fünfte Tag ist der Kurzarbeitstag.
Wann könnte denn die Kurzarbeit auslaufen?
Sailer: Derzeit herrscht noch Unsicherheit, wann sich die Kaufzurückhaltung der Verbraucherinnen und Verbraucher legt. Ich gehe davon aus, dass der Optimismus der Menschen bald wieder steigt, wenn die Inflation zurückgeht. Wir sind deshalb zuversichtlich, dass das Geschäft dann stärker anzieht und auch Kurzarbeit dann kein Thema mehr ist.
Wie kam es, dass Sie bei Weltbild nun auch Online-seminare verkaufen, zum Beispiel mit dem Autor Sebastian Fitzek oder Fußballarzt Hans Müller-wohlfahrt?
Sailer: Unsere Kundinnen und Kunden können bei Weltbild Online-kurse des Münchner Unternehmens „Meet your Master“von Schauspieler Heiner Lauterbach und seiner Frau Viktoria buchen. Dort zeigen erfolgreiche Menschen, wie sie so weit gekommen sind. Jeder kann sehen, ob er sich ein Stück abschauen kann. Wir starten jetzt mit der Kooperation und wollen sehen, ob sie Erfolg hat. Unser Vorteil ist unsere hohe Reichweite, so sind wir mit den Lauterbachs in Kontakt gekommen und die Kooperation ist entstanden.
Welche Rolle spielt für Weltbild denn künftig noch das Buch?
Sailer: Eine große. Das Buch ist und bleibt für uns eine tragende Säule. Wir wissen, wo wir herkommen, das werden wir nicht vernachlässigen. Die Bereiche Buch und Nonmedia halten sich bei uns die Waage. Die Kombination aus beidem kommt bei unserer Kundschaft am besten an. Wer bei uns ein Buch kauft, legt meist noch ein, zwei andere Artikel in den Warenkorb, einen Dekoartikel, einen Gesundheitsartikel und anderes mehr.
Welche geschäftlichen Ziele haben Sie für dieses Jahr?
Sailer: Im vergangenen Jahr haben wir trotz aller Widrigkeiten ein profitables Ergebnis geschafft. Nachdem wir zuvor in vielen Jahren zweistellig im Umsatz gewachsen sind, haben wir uns angesichts der Unsicherheiten für dieses Jahr ein kleines, moderates Wachstum vorgenommen. Der Trend zum E-commerce bleibt, wir erwirtschaften 90 bis 95 Prozent unserer Umsätze inzwischen online. Vielleicht hilft auch die Konjunktur noch ein Stück mit. Vorgenommen haben wir uns für dieses Jahr eine Verjüngung unserer Zielgruppe. Dafür werden wir eigene Shopping-apps herausbringen.
Wie sieht es mit den Filialen aus? Passen Sie zu einem fast reinen Online-händler?
Sailer: Wir wollen unser Filialnetz behalten, es wird ein wichtiger und sichtbarer Bestandteil von Weltbild bleiben. In allen drei Ländern – Deutschland, Österreich und in der Schweiz – haben unsere insgesamt 50 Filialen zuletzt gleichermaßen an Umsatz zugelegt. Hält der positive Trend an, könnten wir uns vorstellen, wieder stärker in den stationären Handel zu gehen.
Die Filiale in Nördlingen ist zuletzt aber geschlossen worden.
Sailer: Natürlich bewerten wir immer wieder, ob eine Filiale wirtschaftlich arbeitet. Die Entscheidung kann dann dazu führen, dass wir auf den einen oder anderen Standort verzichten müssen.
Bisher versendet Weltbild aus Tschechien. Wie geht es mit dem Aufbau einer eigenen Logistik in Augsburg voran?
Sailer: Das neue Logistikzentrum wird für uns der Weg sein, eine noch schnellere Lieferung zu den Kundinnen und Kunden sicherzustellen. 80 Prozent der Ware wollen wir am gleichen Tag versenden, 100 Prozent am nächsten Tag. Wenn Sie also heute etwas bestellen und wir es zwischen 15 und 16 Uhr verschicken, ist es am nächsten Tag bei Ihnen. Das Tempo in der Zustellung nimmt zu – wir müssen uns hier am Markt orientieren. Die neue Logistik in Augsburg soll in der zweiten Jahreshälfte 2024 ans Netz gehen. Für uns ist das ein größeres Projekt. Wir investieren einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag.
Wie viele Beschäftigte brauchen Sie für den Versand?
Sailer: Derzeit hat Weltbild rund 400 Beschäftigte am Standort, für die Logistik brauchen wir nochmals rund 200.
Der Umzug in die neue Zentrale ist aber abgeschlossen, oder?
Sailer: Ja, der Umzug ist abgeschlossen. Wir haben den Neubau für zehn Jahre gemietet und damit ein starkes Bekenntnis zum Standort Augsburg abgegeben.
Zur Person
Christian Sailer, 51, ist seit 2017 Chef der Weltbild Gruppe und wohnt in Weiden in der Oberpfalz und in Augsburg.