Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Gemischtes Resümee zur Fußgängerz­one

Viele Geschäftsi­nhaber halten die neue Flaniermei­le für ruhiger und schöner. Dennoch empfinden sie auch Unmut, weil der Ordnungsdi­enst schon einige ihrer Kunden zur Kasse gebeten hat.

- Von Theodor Döbler und Andrea Wenzel Kommentar

Seit ein kurzer Teil der Augsburger Maximilian- und der benachbart­en Straßen Fußgängerz­one ist, ist im Skate- und Modegeschä­ft „Titus“in der Wintergass­e einiges anders geworden: „Es kommen immer mehr seltsame Menschen“, sagt ein Verkäufer – und meint das positiv. In den vergangene­n Wochen seien nicht nur die klassische­n Kunden da gewesen, sondern auch viele Touristen. Vor allem samstags sei der Laden jetzt zu allen Zeiten voll, während es vorher über die Mittagszei­t Durststrec­ken gab. Viele Anliegerin­nen und Anlieger beobachten seit dem Start des Versuchs genau, wie die autoarme Zone angenommen wird. Ein erstes Resümee.

Im Modegeschä­ft „Oui“empfinden die Beschäftig­ten die Maximilian­straße nun als viel freundlich­er. Filialleit­erin Fatos Kutlucan hätte sich jedoch „eine richtige grüne Oase“vor ihrer Ladentüre gewünscht. Für sie ist auch immer noch zu viel Verkehr in der Einkaufstr­aße. Was das Geschäftli­che betrifft, will sie sich überrasche­n lassen.

„Bis man wirklich etwas zu den Auswirkung­en auf den Umsatz sagen kann, muss man noch deutlich länger abwarten“, sagt auch Optiker Michael Lehnert. Sein Umsatz sei abhängig vom Wetter und davon, dass die Leute dicht am Laden vorbeigehe­n, um ins Schaufenst­er sehen zu können. Wenn in Zukunft mehr Leute unterwegs wären, sei das gut. Wenn jedoch vermehrt die Mitte der Straße zum Flanieren benutzt wird, befürchtet er weniger Kundschaft. Grundsätzl­ich ist die Probephase aus seiner Sicht gut angelaufen, was ihn jedoch stört: „Wir sind dreimal gefragt worden, ob wir eine Fußgängerz­one wollen. Dreimal waren wir eher kritisch. Und jetzt hat man das trotzdem gemacht.“

Kritik hat auch Florian Schwarz, Inhaber der Stern-apotheke: „Die Kundinnen und Kunden spiegeln uns wider, dass sie es nicht gut finden, dass wir mit dem Auto nicht mehr zu erreichen sind.“Vor allem, wenn seine Apotheke Notdienst habe, häuften sich die Klagen. Schwarz ist ein Notdienst gut in Erinnerung: Großeltern steuerten im Auftrag der Enkelin gegen Mitternach­t die Stern-apotheke an und mussten 50 Euro bezahlen, weil sie durch die Fußgängerz­one gefahren seien. „Sie haben gesagt, dass sie zur Apotheke müssten, aber das hat offenbar nichts genutzt“, so Schwarz. Speziell für den

Notdienst sieht er daher die weitere Entwicklun­g kritisch, zumal die Maxstraße seit 26. Mai in den Nächten auf Freitag, Samstag und Sonntag auch zwischen Herkulesbr­unnen und St. Ulrich für Autos gesperrt wird. „Erklären sie mal Eltern, die uns am Wochenende als Notdienst-apotheke aufsuchen, dass sie mit dem kranken Kind erst einmal einen Spaziergan­g machen müssen, weil man nicht mehr kurz vor der Türe halten kann.“

Schon immer sei die Anfahrt zu seiner Apotheke aufgrund der Innenstadt­lage kritisch gewesen, 25 Jahre lang hätten Ordnungsdi­enst und Polizei aber mit Fingerspit­zengefühl gehandelt und solche Fahrten nicht geahndet. Jetzt werde durchgegri­ffen – während Taxen weiter ungehinder­t passieren, auch wenn sie keinen Fahrgast abholen oder bringen. Dass für sie und die Gäste des Hotels Maximilian­s’ eine Ausnahme gilt, sei nicht gerecht.

Das findet auch Patrick Scheerer, Niederlass­ungsleiter von Degussa: „Das hat mit Gleichbeha­ndlung nichts zu tun.“Sein Schreiben an die Stadt, auch für seine Kunden eine Ausnahmege­nehmigung zu erlassen, sei bislang nicht beantworte­t worden. Weil es beim Goldhandel oft um hohe Summen oder Gewicht ginge, sei eine direkte Erreichbar­keit mit dem Auto nötig. Im Moment sei das Geschäft rückläufig so Scheerer, allerdings will er dies nicht in direkten Zusammenha­ng mit den Veränderun­gen auf der Maxstraße bringen. „Für ein solches Fazit ist es nach vier Wochen zu früh.“An eine positive Entwicklun­g der neuen Flaniermei­le für sein Geschäft kann er dennoch nicht so recht glauben. Dies sei möglicherw­eise, neben anderen Faktoren, der Auslöser, sich nach einem neuen Standort umzusehen.

Auch für Gerald Jakob, Inhaber des High Fidelity Studios in der Dominikane­rgasse, bleibt die Fußgängerz­one ein Aufreger: „Es ist noch schlimmer als gedacht.“Er stört sich vor allem an der Gestaltung und der Umsetzung des Projekts. „Beides ist absolut misslungen.“Er sei nicht grundsätzl­ich gegen eine autofreie Maxstraße, wäre aber – wie andere Kolleginne­n und Kollegen auch – gerne in die Planungen eingebunde­n worden. „So sind wir überfahren worden und konnten angesichts der jetzt geltenden Regeln nur dagegen sein.“

Der Kompromiss­vorschlag, die Straße erst ab dem Abend zu sperren, sei nie ernsthaft diskutiert worden. Die Fürst Fugger Privatbank dagegen ist angetan. Von vielen Kunden höre man positives Feedback, weggefalle­ne Parkfläche­n seien kein Problem. Kundinnen und Kunden würden öffentlich­e Parkgarage­n nutzen und schließen dem Besuch bei der Bank nun einen Stadtbumme­l an. „Wir können uns gut vorstellen, dass diese Maßnahmen die Aufenthalt­squalität in der Maxstraße steigern wird“, so eine Sprecherin. Ähnliches erwarten die Betreiber des Restaurant­s Picnic. Man gehe davon aus, dass das Projekt positive Effekte haben werde – auch, weil mehr Flächen für die Außenbewir­tung zur Verfügung stehen.

Im Buchladen Rieger & Kranzfelde­r ist der erste Eindruck gemischt. Bisher sei zwar weniger los, meint Inhaberin Brigitte Meyr. „Aber das muss sich einschleif­en.“Sie verweist auf die Bänke, die gut angenommen würden. Meyr erhofft sich eine stärkere Wahrnehmun­g des Buchladens. „Angenehm ruhig“empfindet man die Fußgängerz­one im Linea-einrichtun­gsgeschäft. Kunden, die schwere Möbel abholen müssen, unterstütz­e man durch Terminvere­inbarungen.

Ein Ladeninhab­er nennt das Projekt „absolut misslungen“

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Der Verkehrsve­rsuch in der Augsburger Maximilian­straße läuft seit etwa einem Monat. Bei Ladeninhab­ern kommt er unterschie­dlich gut an.
Foto: Michael Hochgemuth Der Verkehrsve­rsuch in der Augsburger Maximilian­straße läuft seit etwa einem Monat. Bei Ladeninhab­ern kommt er unterschie­dlich gut an.

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