Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Das ABC der Tanzkunst
Drei Stunden lang zeigten bei der Internationalen Ballettgala des Staatstheaters Augsburg herausragende Tänzerinnen und Tänzer höchstes Können. Dabei kam auch die humorvolle Seite des Tanzes nicht zu kurz.
„Eigentlich müsste es internationale Tanz- und Ballettgala der Besonderheiten heißen“, witzelte Ricardo Fernando. Der Ballettdirektor und Chefchoreograf des Balletts am Staatstheater Augsburg führte die Gäste im ausverkauften Martinipark durch den Abend. Mit seiner Formulierung griff er nicht zu weit, denn die Tänzerinnen und Tänzer zeigten gefragte Inszenierungen von Ballettklassikern sowie neuere Choreografien auf höchstem Niveau.
Für das humorvolle Solo „ABC“von Eric Gauthier hatte Ricardo Fernando einen ehemaligen Tänzer des Augsburger Balletts eingeladen. In dem Stück unternahm Shori Yamamoto einen Ausflug in das Alphabet des Tanzes. Während eine Stimme im Hintergrund das Alphabet aufsagte und Begriffe nannte, die mit den jeweiligen Buchstaben beginnen, tanzte Yamamoto die entsprechende Bewegung.
Er zeigte etwa die Armbewegung „allongé“und verknüpfte sie mit einer kurzen Bewegungsabfolge. Doch auch moderne Begriffe, wie „Drama“, „Love“oder „Hiphop“tanzte der Japaner mit viel Ausdruck vor. Mit manch unerwarteter Bewegung, wie einem verzogenen Gesicht und beiden Händen am Oberschenkel bei dem Begriff „strain“(englisch für „Zerrung“), brachte der Tänzer das Publikum öfter zum Lachen.
Aus insgesamt acht Kompanien zeigten 30 Tänzerinnen und Tänzer, darunter auch international gefragte Gasttänzer, klassische Ballettstücke und zeitgenössische Choreografien. Durch das abwechslungsreiche Programm verging die rund dreistündige Veranstaltung wie im Flug. Auch am Ende schienen die Gäste im Martinipark noch nicht genug bekommen zu haben: Mit lang anhaltendem Applaus und Bravo-rufen bejubelte das Publikum den Chefchoreografen Ricardo Fernando und die eingeladenen Kompanien.
Mit „Don Quijote“, choreografiert von Marius Petipa, zeigten Luiza Lopes und Kentaro Mitsumori
Melissa Chapski und Jakob Feyferlik (großes Bild) tanzten ein Stück von Hans van Manen, Luiza Lopes und Kentaro Mitsumori vom Royal Swedish Ballett waren in „Schwanensee“zu bewundern (unten links), Futaba Ishizaki und Gustavo Carvalhoin (Ballett am Rhein) in „Carmen“(rechts).
vom Royal Swedish Ballett einen Klassiker. Souverän und elegant tanzte das Duo zudem den Pas-de-deux aus dem zweiten Akt von „Schwanensee“(Choreografie ebenfalls Petipa), was Ricardo Fernando mit den Worten „Das war sehr nah an perfekt“kommentierte. Julia Conway und Daniel Mccormick vertraten das English National Ballett und präsentierten
zuerst ein Duett aus „Raimonda“nach der Choreografie von Tamara Rojo. In der zweiten Hälfte tanzten die Britin und der Amerikaner den Grand Pas-de-deux aus „Le Corsaire“(Choreografie: Marius Petipa) mit gekonnten Sprüngen und atemberaubenden Drehungen, die das Publikum mit Klatschen unterstützte.
Mit einem Stück aus „Carmen“
brachten Futaba Ishizaki und Gustavo Carvalho vom Düsseldorfer Ballett am Rhein zum ersten Mal eine Choreografie von Roland Petit auf eine Augsburger Bühne. „Die Choreografie von Roland Petit tanzen darf nicht jeder, es braucht eine Erlaubnis“, erklärte Ricardo Fernando in seiner Moderation. Umso glücklicher sei er, mit Ishizaki und Carvalho ein Duo gefunden zu haben, das eine solche Erlaubnis besitze. Das hatte sich auch mehr als gelohnt, denn sowohl beim Duett als auch bei den Soloteilen stimmte jedes Detail. Ishizaki als Carmen kokettierte, ja spielte gar mit Carvalho, inklusive genauestens abgestimmten Kopfbewegungen und kurzen intimen Momenten zwischen den beiden Tänzern.
Neben bekannten Klassikern bot die Tanzgala auch moderne Stücke. So tanzten Ting-yu Tsai und Stefano Neri vom Ballett Plauen-zwickau ein „Fantaisie-impromptu“auf Musik von Frédéric Chopin. Mal ließen sich die beiden lautstark auf den Boden fallen oder rannten gespielt ungelenk über die Bühne, dann wiederum drehten sie sich leichtfüßig und Tsai landete im Spagat.
Mit Melissa Chapski im Duett mit Jakob Feyferlik vom Bayerischen Staatsballett gelang ein weiterer Höhepunkt des Abends. Zusammen tanzten sie „Trois Gnossiennes“vom Meister des modernen Tanzes, Hans van Manen. Auch für seine Choreografien benötigen die Tänzer eine Erlaubnis. Anmutige Bewegungen und moderne Hebefiguren zur Musik von Erik Satie verzauberten. Gleichwohl sorgten die unerwartet, aber beabsichtigt angewinkelten Füße von Melissa Chapski für kurzes Schmunzeln unter den Besuchern.
Alfonso López González, Neuzugang am Augsburger Ballett in der laufenden Spielzeit, präsentierte zusammen mit Gastkünstlerin Paula Fernández Naves das von ihm selbst choreografierte Stück „Desierto“auf die Musik von Woodkid. Mal waren die beiden Tänzer ineinander verschlungen, in einer Hebefigur oder am Boden, mal stießen sie sich voneinander weg und brachen fast in sich zusammen, musikalisch begleitet von Trommeln, tiefem Bass und hohen Geigentönen. Beim Kammertanzabend „New Comer“ab Mai auf der Brechtbühne wird Gonzáles sein neues Stück „interdañino“präsentieren.
Die überzeugend kreative Umsetzung von „Desierto“bot bereits einen Vorgeschmack auf die kommende Choreografie.