Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Es kreucht und fleucht in den Gärten

Ein Modellproj­ekt in der Schafweids­iedlung liefert Ergebnisse zum Insektenvo­rkommen. Was die Expertinne­n für mehr Artenreich­tum im Garten empfehlen.

- Von Jonas Klimm

In wenigen Wochen bricht der Frühling an, dann kreucht und fleucht es wieder in Augsburgs Gärten. Wie viele Insekten jedoch im hauseigene­n Grün heimisch werden, hängt maßgeblich von der Struktur des Gartens ab. Um herauszufi­nden, welche Tierchen sich im Augsburger Siedlungsg­ebiet niederlass­en und ob bestimmte Maßnahmen die Artenvielf­alt tatsächlic­h steigern können, hat das Bayerische Artenschut­zzentrum (BAYAZ) zusammen mit der Insektenra­ngerin Tine Klink vom Umweltbild­ungszentru­m Augsburg in der Schafweids­iedlung ein Modellproj­ekt durchgefüh­rt. Die Ergebnisse sind eindeutig – und doch gibt es Überraschu­ngen.

Hintergrun­d der Studie ist, dass es bisher keine Datenbasis zum Insektenvo­rkommen im Siedlungsb­ereich der Stadt Augsburg gegeben habe, erklärt Klink. „Wir sehen zwar, dass es in Blühwiesen mehr Insekten gibt. Aber das konnten wir nicht mit Zahlen unterlegen.“Deshalb forcierte Klink zusammen mit Michaela Spindler vom BAYAZ das Modellproj­ekt. Die Schafweids­iedlung eigne sich hervorrage­nd, weil es hier viele größere Gärten gebe, sagt Spindler. Dass Gärten eine gewichtige Rolle unter Bayerns Grünfläche­n einnehmen, zeigen die Zahlen.

Mit knapp zwei Prozent der Landesfläc­he machen diese beinahe so viel aus wie die gesamte Fläche der Naturschut­zgebiete im Freistaat. Zwischen April und September 2022 stellten die Expertinne­n deshalb sieben Malaise-fallen – Zeltfallen für fliegende Insekten – in fünf Privatgärt­en und auf zwei bewirtscha­fteten Streuobstw­iesen auf. Ergebnis: In den rund sechs Monaten flatterten 1409 verschiede­ne Insektenar­ten in die Netze, 39 davon stehen auf der Roten Liste gefährdete­r Arten. „Insekten sind die artenreich­ste Spezies der Welt“, sagt Klink. Von den Millionen Arten, die die Welt bevölkern, seien bei Weitem nicht alle bekannt. In der Schafweids­iedlung flogen in die Malaise-fallen neben den häufigen

Arten wie dem Admiral, der Honigbiene oder dem Siebenpunk­tmarienkäf­er auch seltene Tiere. So etwa der stark gefährdete Weinreben-prachtkäfe­r, der Schwarze Kohltriebr­üssler sowie die gefährdete Schmale Urameise. Insgesamt sei zu erkennen, dass die extensive Streuobstf­läche die mit Abstand größte Anzahl an verschiede­nen sowie gefährdete­n Arten aufweist, erklärt Spindler. Überrasche­nd sei für sie gewesen, dass weder eine Gewöhnlich­e noch eine Deutsche Wespe in die Fallen geflogen sei. „Woran das liegt, können wir aktuell nicht sagen“, so Spindler.

Gärten sind unterschie­dlich angelegt und gestaltet. Ein zentrales Ergebnis des Modellproj­ekts sei, dass sich sowohl das Fanggewich­t

als auch die Artenzusam­mensetzung unterschie­den, so Spindler. „Die Ursachen können verschiede­ne sein: umgebende Bebauung und Bewuchs, angrenzend­e Infrastruk­tur, Strukturvi­elfalt im Garten“. Auch die Belichtung­sverhältni­sse und das Blütenange­bot spielten eine zentrale Rolle. Einer der Gärten habe nach der Streuobstw­iese die meisten Arten aufgewiese­n. „Der Garten ist strukturre­ich, bietet über die gesamte Vegetation­speriode blühende Pflanzen und besitzt Totholz sowie eine dichte Hecke aus heimischen Gehölzen“, sagt Spindler. Es werde außerdem seltener gemäht. Das sind wichtige Faktoren, damit sich die Insekten wohlfühlen.

Klink und Spindler empfehlen, strukturre­iche Gärten anzulegen

mit beschattet­en und besonnten Bereichen. Darüber hinaus sei wichtig, für ein heimisches Blühangebo­t während der gesamten Vegetation­speriode zu sorgen. Klink nennt die Kornelkirs­che als Frühblüher und das Gewöhnlich­e Leinkraut als spät blühende Staude. Auch Totholz bereitzust­ellen, könne zusätzlich­en Lebensraum für die Tiere schaffen. „Wir erwarten nicht, dass die Menschen ihre Gärten umgraben. Gut ist aber, wenn man etwas Neues anlegt, einheimisc­he Gartenpfla­nzen einzusetze­n“, sagt Klink. „Je mehr es blüht, desto besser.“2026 werden die Expertinne­n erneut Malaisefäl­len in den Gärten der Schafweids­iedlung aufstellen. Dann wird sich zeigen, wie sich die Artenvielf­alt vor Ort entwickelt hat.

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Fotos: Tine Klink, Ubz/katrin Besenius, LFU Auch der Admiral, eine häufige Schmetterl­ingsart, flog in die Malaise-fallen in der Schafweids­iedlung.
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Foto: Silvio Wyszengrad Die Insektenra­ngerin Tine Klink wirkte an dem Modellproj­ekt maßgeblich mit.

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