Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Dass Oberhausen die Süchtigen beherbergt, ist kein Naturgeset­z

Der Plan, den Süchtigent­reff innerhalb des Stadtteils zu verlagern, birgt für Oberhausen mehr Risiken als Chancen. Es braucht eine ehrlichere Diskussion – und Alternativ­en.

- Von Jan Kandzora

Der geplante neue Standort des Süchtigent­reffs in Oberhausen löst bei Anwohnern Ängste und Unverständ­nis aus, und das zu Recht. Zwar stimmt es, dass sich die Situation am Helmut-haller-platz verbessern sollte und muss; und die bisher bekannt gewordenen Gedankensp­iele der Stadtspitz­e bergen dafür auch Chancen. Vor allem aber bergen sie Risiken für einen Stadtteil, der Charme und urbanen Charakter hat, sich teils auch positiv verändert, aber gewiss keine weiteren problemati­schen öffentlich­en Plätze benötigt.

Bislang haben Vertreter der Stadt die größte Sorge der Oberhauser nicht entkräften können, dass durch die Verlagerun­g der Anlaufstel­le nicht nur, wie bisher, ein öffentlich­er Platz von suchtkrank­en Menschen dominiert wird – sondern es fortan weitere solcher Orte geben könnte, etwa den Friedenspl­atz direkt am Gemeindeha­us von St. Johannes, in dem die Süchtigen betreut werden sollen. Viele Wortmeldun­gen von Oberhauser­n sind dabei von Emotionen und eigener Betroffenh­eit geprägt, und zugegeben: Dieser Kommentar ist es auch. Es wäre lächerlich, behauptete ich als Bewohner des Stadtteils, die Pläne der Stadt mit derselben Distanz und Nüchternhe­it zu betrachten, als läge der angedachte Standort in Hochzoll oder in der Innenstadt.

Anfangs hielt ich die Ideen der Stadtspitz­e für gut, sie sind erkennbar von dem Wunsch getragen, kranke Menschen zu unterstütz­en. Die Räumlichke­iten sind freundlich und groß, die Institutio­nen, die an dem Projekt beteiligt werden sollen, kennen sich aus, vieles an dem Konzept passt. Doch je länger ich darüber nachdenke, desto größer werden Zweifel und Unbehagen. Denn vieles passt eben auch nicht, ist teils gar in sich widersprüc­hlich. Man habe nun einmal die Szene am Oberhauser

Bahnhof und könne „sie nicht einfach irgendwohi­n verpflanze­n“, sagte etwa Oberbürger­meisterin Eva Weber – dabei würde die Stadt mit dem Konzept doch exakt dies versuchen, nur eben innerhalb Oberhausen­s. Die angedachte Verlagerun­g samt Umbauten könne für den Stadtteil sogar eine Aufwertung darstellen, sagte Ordnungsre­ferent Frank Pintsch beim Infoabend. Wenn dem so wäre, spräche nichts dagegen, den Standort des Süchtigent­reffs samt Café schon aus Gründen der Fairness in einen anderen Stadtteil zu ziehen; folgte man dieser Prämisse, müssten sich die dortigen Bewohner darüber geradezu freuen.

Es mangelt in der Debatte nicht an aufrichtig­em Willen, Menschen zu helfen, aber doch grundsätzl­ich

etwas an ehrlicher Kommunikat­ion. Abhängige harter Drogen sind in ihrem Verhalten oft unberechen­bar; sie als erkrankte, hilfsbedür­ftige Menschen anzuerkenn­en, ist richtig, erleichter­t den Umgang mit ihnen im öffentlich­en Raum aber nur bedingt. Dass es sie, sollte ihr Treff künftig bei der Wertachbrü­cke sein, in die nahen Grünanlage­n ziehen könnte, um dort Rauschgift zu konsumiere­n, liegt nahe. Speziell im Fall des Hettenbach­parks wäre es ein Desaster, würde dieser Ort für andere Bevölkerun­gsgruppen unattrakti­v. Die idyllische Anlage ist klein im Vergleich zu anderen Parks, doch in Oberhausen gibt es einen solchen Ort nicht noch einmal.

Einrichtun­gen wie der „Betreff“sind in der Drogenpoli­tik

ein guter Ansatz; sie schaffen niedrigsch­wellige Hilfsangeb­ote, sie retten im besten Fall Menschenle­ben. Es ist nur kein Naturgeset­z, dass die Anlaufstel­le in Oberhausen zu stehen hat, schon gar nicht, wenn man bereits den Plan hegt, sie Hunderte Meter weit von ihrem bisherigen Standort wegzuverfr­achten. Sie könnte etwa auch in Kriegshabe­r einen Platz finden oder in der Innenstadt, dort halten sich Süchtige ebenfalls auf, wenn auch nicht so geballt.

Ordnungsre­ferent Pintsch erläuterte zuletzt, man könne in St. Johannes zusätzlich eine Stadtteilb­ücherei unterbring­en. Doch wenn das Konzept, einen solchen Süchtigent­reff und eine Bibliothek zu verbinden, eine Option darstellt – warum dann nicht auch das Gebäude

in der Ulmer Straße in Kriegshabe­r, in dem bereits eine Stadtteilb­ücherei untergebra­cht ist, in Betracht ziehen? Die Immobilie liegt sogar näher am Bahnhof als die Gemeinderä­ume der evangelisc­hen Kirche, direkt an einer Haltestell­e der Linie 2. Die „Szene“trifft sich auch deshalb so geballt am Oberhauser Bahnhof, weil sie von dort aus in die Tram umsteigen kann, die sie zur Therapie in das Bezirkskra­nkenhaus bringt.

Der Ordnungsre­ferent sagt auf Anfrage, eine Schließung oder Verlegung des Bürgerbüro­s und der Stadtteilb­ücherei seien nicht in Erwägung gezogen worden, „da dies eine deutliche Verschlech­terung der Gesamtsitu­ation für Oberhausen und Kriegshabe­r bedeuten würde“. Das Gebäude sei in Nutzung, müsste umgebaut werden, was nicht sinnvoll sei. Das kann man so sehen, es hängt aber an den Kriterien, die man zugrunde legt. Es ist angesichts der Tragweite des Themas dennoch schade, dass die Stadt nicht mehrere mögliche Optionen präsentier­t hat, über die man debattiere­n könnte. Kaum jemand dürfte darauf erpicht sein, die Szene vor der Haustür zu haben; wenn die Anlaufstel­le am Ende wieder in Oberhausen steht, hätte das gesamtstäd­tisch gesehen Vor- wie Nachteile. Die Selbstvers­tändlichke­it, mit der nun zum wiederholt­en Male ein Standort ausschließ­lich in einem Stadtteil in Erwägung gezogen wird, ist aber etwas verstörend.

Frank Pintsch ist ein fähiger Ordnungsre­ferent, dem, wie seinem Vorgänger Dirk Wurm, auch Respekt dafür gebührt, dass er ein schwierige­s Thema nicht einfach vor sich hinplätsch­ern lässt, Vorschläge macht. Beim Infoabend war ihm anzumerken, dass er mit sich ringt, ihn die Situation der Suchtkrank­en beschäftig­t. Nicht auszuschli­eßen, dass es so kommt, wie es sich die Stadt erhofft, und die Lage am Helmut-haller-platz verbessert sich, während zugleich keine neuen Drogenscha­uplätze entstehen. Doch prognostiz­ieren kann das niemand. Die Pläne sind für Oberhausen ein gewaltiges Vabanquesp­iel.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) ?? Drogenszen­e am Oberhauser Bahnhof: Die Pläne, den Süchtigent­reff vom Bahnhofsvo­rplatz in die Nähe der Wertachbrü­cke zu verlagern, sorgen für intensive Diskussion­en.
Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) Drogenszen­e am Oberhauser Bahnhof: Die Pläne, den Süchtigent­reff vom Bahnhofsvo­rplatz in die Nähe der Wertachbrü­cke zu verlagern, sorgen für intensive Diskussion­en.
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