Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Dass Oberhausen die Süchtigen beherbergt, ist kein Naturgesetz
Der Plan, den Süchtigentreff innerhalb des Stadtteils zu verlagern, birgt für Oberhausen mehr Risiken als Chancen. Es braucht eine ehrlichere Diskussion – und Alternativen.
Der geplante neue Standort des Süchtigentreffs in Oberhausen löst bei Anwohnern Ängste und Unverständnis aus, und das zu Recht. Zwar stimmt es, dass sich die Situation am Helmut-haller-platz verbessern sollte und muss; und die bisher bekannt gewordenen Gedankenspiele der Stadtspitze bergen dafür auch Chancen. Vor allem aber bergen sie Risiken für einen Stadtteil, der Charme und urbanen Charakter hat, sich teils auch positiv verändert, aber gewiss keine weiteren problematischen öffentlichen Plätze benötigt.
Bislang haben Vertreter der Stadt die größte Sorge der Oberhauser nicht entkräften können, dass durch die Verlagerung der Anlaufstelle nicht nur, wie bisher, ein öffentlicher Platz von suchtkranken Menschen dominiert wird – sondern es fortan weitere solcher Orte geben könnte, etwa den Friedensplatz direkt am Gemeindehaus von St. Johannes, in dem die Süchtigen betreut werden sollen. Viele Wortmeldungen von Oberhausern sind dabei von Emotionen und eigener Betroffenheit geprägt, und zugegeben: Dieser Kommentar ist es auch. Es wäre lächerlich, behauptete ich als Bewohner des Stadtteils, die Pläne der Stadt mit derselben Distanz und Nüchternheit zu betrachten, als läge der angedachte Standort in Hochzoll oder in der Innenstadt.
Anfangs hielt ich die Ideen der Stadtspitze für gut, sie sind erkennbar von dem Wunsch getragen, kranke Menschen zu unterstützen. Die Räumlichkeiten sind freundlich und groß, die Institutionen, die an dem Projekt beteiligt werden sollen, kennen sich aus, vieles an dem Konzept passt. Doch je länger ich darüber nachdenke, desto größer werden Zweifel und Unbehagen. Denn vieles passt eben auch nicht, ist teils gar in sich widersprüchlich. Man habe nun einmal die Szene am Oberhauser
Bahnhof und könne „sie nicht einfach irgendwohin verpflanzen“, sagte etwa Oberbürgermeisterin Eva Weber – dabei würde die Stadt mit dem Konzept doch exakt dies versuchen, nur eben innerhalb Oberhausens. Die angedachte Verlagerung samt Umbauten könne für den Stadtteil sogar eine Aufwertung darstellen, sagte Ordnungsreferent Frank Pintsch beim Infoabend. Wenn dem so wäre, spräche nichts dagegen, den Standort des Süchtigentreffs samt Café schon aus Gründen der Fairness in einen anderen Stadtteil zu ziehen; folgte man dieser Prämisse, müssten sich die dortigen Bewohner darüber geradezu freuen.
Es mangelt in der Debatte nicht an aufrichtigem Willen, Menschen zu helfen, aber doch grundsätzlich
etwas an ehrlicher Kommunikation. Abhängige harter Drogen sind in ihrem Verhalten oft unberechenbar; sie als erkrankte, hilfsbedürftige Menschen anzuerkennen, ist richtig, erleichtert den Umgang mit ihnen im öffentlichen Raum aber nur bedingt. Dass es sie, sollte ihr Treff künftig bei der Wertachbrücke sein, in die nahen Grünanlagen ziehen könnte, um dort Rauschgift zu konsumieren, liegt nahe. Speziell im Fall des Hettenbachparks wäre es ein Desaster, würde dieser Ort für andere Bevölkerungsgruppen unattraktiv. Die idyllische Anlage ist klein im Vergleich zu anderen Parks, doch in Oberhausen gibt es einen solchen Ort nicht noch einmal.
Einrichtungen wie der „Betreff“sind in der Drogenpolitik
ein guter Ansatz; sie schaffen niedrigschwellige Hilfsangebote, sie retten im besten Fall Menschenleben. Es ist nur kein Naturgesetz, dass die Anlaufstelle in Oberhausen zu stehen hat, schon gar nicht, wenn man bereits den Plan hegt, sie Hunderte Meter weit von ihrem bisherigen Standort wegzuverfrachten. Sie könnte etwa auch in Kriegshaber einen Platz finden oder in der Innenstadt, dort halten sich Süchtige ebenfalls auf, wenn auch nicht so geballt.
Ordnungsreferent Pintsch erläuterte zuletzt, man könne in St. Johannes zusätzlich eine Stadtteilbücherei unterbringen. Doch wenn das Konzept, einen solchen Süchtigentreff und eine Bibliothek zu verbinden, eine Option darstellt – warum dann nicht auch das Gebäude
in der Ulmer Straße in Kriegshaber, in dem bereits eine Stadtteilbücherei untergebracht ist, in Betracht ziehen? Die Immobilie liegt sogar näher am Bahnhof als die Gemeinderäume der evangelischen Kirche, direkt an einer Haltestelle der Linie 2. Die „Szene“trifft sich auch deshalb so geballt am Oberhauser Bahnhof, weil sie von dort aus in die Tram umsteigen kann, die sie zur Therapie in das Bezirkskrankenhaus bringt.
Der Ordnungsreferent sagt auf Anfrage, eine Schließung oder Verlegung des Bürgerbüros und der Stadtteilbücherei seien nicht in Erwägung gezogen worden, „da dies eine deutliche Verschlechterung der Gesamtsituation für Oberhausen und Kriegshaber bedeuten würde“. Das Gebäude sei in Nutzung, müsste umgebaut werden, was nicht sinnvoll sei. Das kann man so sehen, es hängt aber an den Kriterien, die man zugrunde legt. Es ist angesichts der Tragweite des Themas dennoch schade, dass die Stadt nicht mehrere mögliche Optionen präsentiert hat, über die man debattieren könnte. Kaum jemand dürfte darauf erpicht sein, die Szene vor der Haustür zu haben; wenn die Anlaufstelle am Ende wieder in Oberhausen steht, hätte das gesamtstädtisch gesehen Vor- wie Nachteile. Die Selbstverständlichkeit, mit der nun zum wiederholten Male ein Standort ausschließlich in einem Stadtteil in Erwägung gezogen wird, ist aber etwas verstörend.
Frank Pintsch ist ein fähiger Ordnungsreferent, dem, wie seinem Vorgänger Dirk Wurm, auch Respekt dafür gebührt, dass er ein schwieriges Thema nicht einfach vor sich hinplätschern lässt, Vorschläge macht. Beim Infoabend war ihm anzumerken, dass er mit sich ringt, ihn die Situation der Suchtkranken beschäftigt. Nicht auszuschließen, dass es so kommt, wie es sich die Stadt erhofft, und die Lage am Helmut-haller-platz verbessert sich, während zugleich keine neuen Drogenschauplätze entstehen. Doch prognostizieren kann das niemand. Die Pläne sind für Oberhausen ein gewaltiges Vabanquespiel.