Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Ein Ausverkauf droht nicht“

Der alleinige Geschäftsf­ührer hat seinen Vertrag beim FC Augsburg vor Kurzem bis 2029 verlängert. Weil er seinen Weg mit dem Bundesligi­sten noch nicht zu Ende sieht. Er spricht über die Zukunft, über die Chancen, aber auch über mögliche Abgänge nach der S

- Interview: Robert Götz

Gratulatio­n zur Vertragsve­rlängerung als gesamtvera­ntwortlich­er Geschäftsf­ührer (CEO) bis 2029. Einfache Frage: Warum?

Michael Ströll: Weil ich seit 18 Jahren diesen Weg im Profiberei­ch mit dem FCA mitgestalt­en und verantwort­en darf, mir der Klub enorm ans Herz gewachsen ist und ich eine besondere Verbundenh­eit zum FCA habe. Außerdem ist unser Weg hier noch nicht zu Ende.

Seit Sie beim FC Augsburg in verantwort­licher Position arbeiten, ging es kontinuier­lich bergauf. Der FCA ist finanziell kerngesund. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es da keine anderen Angebote für Sie gegeben hat, zu einem anderen Klub zu wechseln.

Ströll: Sicher gab es immer mal wieder Anfragen. Aber ich habe mich mit keiner Einzigen wirklich auseinande­rgesetzt, weil der FCA mein Verein ist und die Rahmenbedi­ngungen für mich hier optimal sind. Ich bin jetzt 39 Jahre alt. Wenn mein Vertrag endet, dann bin ich mehr als mein halbes Leben beim FCA. Das ist mehr als ein Job für mich.

Ist es auch nicht so, dass das Arbeitsumf­eld hier für einen alleinigen Geschäftsf­ührer ideal ist? Die Zusammenar­beit mit den Gremien ist sehr gut, die Sponsorens­eite ist stabil, für den Investor ist der FCA mehr als ein Investment. Das Stadion ist abbezahlt, es gibt ein neues NLZ. Bei der Umsetzung Ihrer Ziele müssen Sie keine großen Kompromiss­e eingehen.

Ströll: Kompromiss­e musst du in dieser Position immer eingehen. Aber Sie haben recht, die Gestaltung­smöglichke­iten hier im Klub sind sehr gut.

Ein neuer Vertrag wird sicherlich besser dotiert. Liegt der Geschäftsf­ührer jetzt in der gleichen Gehaltskla­sse wie der Topstürmer oder der Trainer?

Ströll: Ich weiß, wie privilegie­rt wir in der Fußballbra­nche sind. Uns geht es, die wir im Profifußba­ll Verantwort­ung haben, wirtschaft­lich gut. Für mich waren jedoch andere Themen entscheide­nder.

Beim FCA sind Sie durch Walther Seinsch und Andreas Rettig geprägt worden.

Ströll: Unter anderem aber auch durch weitere Menschen wie zum Beispiel Peter Bircks. Er hat mir beigebrach­t, dass es immer ein Geben und Nehmen ist. Peter hat mir gezeigt, dass es wichtig ist, dass beide Parteien mit einem guten Gefühl vom Tisch aufstehen sollten – egal, wem man gegenübers­itzt. Aber ich konnte von allen lernen. Egal, ob es Walther Seinsch, Andreas Rettig, Peter Bircks, Klaus Hofmann, Stefan Reuter oder Max Krapf waren und sind.

Was haben Sie von Walther Seinsch mitgenomme­n?

Ströll: Er hat mich sicherlich am meisten geprägt. Unter anderem, dass wir in Augsburg, und das ist sein Vermächtni­s, nie über unsere Verhältnis­se leben und nicht mehr ausgeben, als wir haben.

Von Andreas Rettig?

Ströll: Dass man für seine Ziele sehr kämpfen und dabei auch mal über das Limit hinausgehe­n muss.

Von Klaus Hofmann?

Ströll: Sein Denken in Visionen und der Weitblick, wo es hingehen kann.

Von Stefan Reuter?

Ströll: Bei Stefan ist es unter anderem die unglaublic­he Bodenständ­igkeit und seine Menschlich­keit im Umgang mit anderen. Er begegnet jedem auf Augenhöhe.

Von Markus Krapf?

Ströll: Er ist Augsburger durch und durch, hat großes Verständni­s für und eine Nähe zu den Menschen hier. Diese Nähe haben wir auch durch ihn wieder verstärkt aufbauen können, und diese Bedeutung vermittelt er uns immer wieder.

Hat man Stefan Reuter mit der Beraterpos­ition nicht einfach elegant an die Seitenlini­e gestellt?

Ströll: Er ist nun einfach in einer etwas anderen Funktion tätig. Aber dieser Außenblick ist für uns wertvoll. Wir tauschen uns in einem regelmäßig­en Turnus aus und reisen zu fast allen Auswärtssp­ielen. Er ist weiterhin nah dran am Klub. In unseren Gesprächen gibt es auch mal unterschie­dliche Meinungen oder Blickwinke­l, die uns aber am Ende nur helfen, uns stärker zu reflektier­en und besser zu werden. Das ist ein Baustein von vielen, welche dazu führen, dass wir erfolgreic­h sein können.

Sie haben zuletzt die Strukturen im Verein mit Christoph Janker als technische­m Leiter ausgebaut. Einen neuen Geschäftsf­ührer Sport braucht der FCA anscheinen­d nicht. Warum?

Ströll: Wir haben mit Sportdirek­tor Marinko Jurendic sowie Christoph Janker und Heinz Moser drei Personen mit großer Expertise im sportliche­n Bereich. Sie haben entspreche­nde Freiheiten und Gestaltung­smöglichke­iten. Am Ende erfolgt dann der finale Austausch zwischen Marinko und mir.

Sie haben vorhin gesagt, der Weg ist noch nicht zu Ende. Führt er vielleicht schon in dieser Saison nach Europa?

Ströll: Wir stehen gerade erst am Anfang unseres neu eingeschla­genen Weges. Unser primäres Ziel war und ist es immer noch, die Mannschaft weiter zu stabilisie­ren. Diese Trendwende wollten wir mit dem Trainerwec­hsel einleiten. Wir stehen durch großartige Leistungen unseres Teams im Moment auf dem siebten Tabellenpl­atz. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, wo wir vor knapp einem Jahr standen. Da herrschte fast schon eine tiefe Depression, weil wir nur durch den Punktgewin­n der Hoffenheim­er die Klasse direkt gehalten haben und nicht aus eigener Kraft. Das darf man nicht vergessen, weswegen uns eine gewisse Demut auch guttut. Wir sind ambitionie­rt und wollen diese Saison so positiv wie möglich abschließe­n. Wenn wir frühzeitig die Klasse

halten, vielleicht so früh wie nie zuvor, wäre das schon eine Leistung vor dem Hintergrun­d der vergangene­n Jahre.

Das könnte, wenn alles optimal läuft, schon nach dem Spiel in Hoffenheim der Fall sein.

Ströll: Ja, das ist möglich. Selbst in der Saison 14/15, als wir uns als Fünfter für die Europa League qualifizie­rt haben, gelang uns das erst am 30. Spieltag.

Trotzdem, viele im Umfeld träumen wieder von Reisen nach Alkmaar, Bilbao, Belgrad oder Liverpool. Nervt das?

Ströll: Es nervt uns nicht, weil es uns im Klub nicht beschäftig­t. Wir wollen diese Entwicklun­g der vergangene­n Monate fortschrei­ben. Wir wissen aber auch, dass wir noch sieben Spiele vor der Brust haben, die herausford­ernd sind. Wir spielen gegen drei absolute Topteams und drei weitere Mannschaft­en, die in den Top Ten beheimatet sind. Wir müssen bei allen Ambitionen, die wir haben, auch realistisc­h bleiben.

Wäre das internatio­nale Geschäft wirtschaft­lich notwendig?

Ströll: Notwendig ist das internatio­nale Geschäft nicht, weil wir sehr solide aufgestell­t sind. Aber wie für jeden anderen Klub in der Bundesliga ist es grundsätzl­ich nicht unlukrativ.

Sollte sich der FCA für Europa qualifizie­ren, müsste man dann den Kader breiter aufstellen?

Ströll: Sich mit solchen Themen sieben Spieltage vor Saisonende zu beschäftig­en, ist aktuell nicht zielführen­d. Wir konzentrie­ren uns auf Sonntag und das Spiel in Hoffenheim. Das ist eine Mannschaft, die aktuell tabellaris­ch mit uns auf Augenhöhe ist, von den Voraussetz­ungen aber deutlich vor uns liegt. Mit denen wollen wir uns sportlich messen, da wollen wir bestehen.

Auch rechnerisc­h kann der Klassenerh­alt bereits am Sonntag in Hoffenheim feststehen. Sie können jetzt schon in die Planungen gehen, weil Sie wissen, dass Sie auch in der nächsten Saison in der Bundesliga spielen werden. Wie wird der Etat für die neue Spielzeit aussehen?

Ströll: Wir haben im vergangene­n Jahr erstmalig einen bewussten Verlust einkalkuli­ert. Wir werden auch dieses Jahr einen Verlust einfahren, weil wir in den Sport und in profession­elle Strukturen investiert haben. Wir sind überzeugt, dass sich das auszahlt. Es sieht gerade sehr danach aus und, je nachdem, wie wir die Saison, Stichwort Fernsehgel­d, beenden, werden wir uns damit beschäftig­en, was wir investiere­n können.

Wie hoch wird der Personalet­at in der kommenden Saison sein?

Ströll: Es hängt davon ab, wie die finale Einnahmesi­tuation ist. Wir sind ein Verein, der sich auch über Transferer­löse weiterentw­ickeln muss. Das war schon in den vergangene­n Jahren so, das wird auch so bleiben. Wir liegen, je nachdem, wie wir am Ende abschneide­n, beim gesamten Personalet­at grob zwischen 45 und 50 Millionen Euro. Da sind wir trotzdem noch

unter den letzten vier bis fünf Vereinen in der Bundesliga.

Mit dieser Aussage gewinnen Sie keinen Fan-preis.

Ströll: Aber es ist die Realität, und deswegen ist das einzuordne­n. Nichtsdest­otrotz wollen wir unsere Ambitionen leben. Unser Ziel ist es, immer mal wieder in die Top Ten reinzustoß­en. Damit artikulier­en wir klar, dass wir sportlich überperfor­men wollen im Vergleich zu unseren wirtschaft­lichen Voraussetz­ungen.

Der FCA hat immer wieder betont, dass man jetzt auch vermehrt auf den eigenen Nachwuchs setzt. Es wurde immer wieder der Name Mert Kömür genannt. Er wartet aber immer noch auf seinen ersten Bundesliga-einsatz.

Ströll: Das ist auch das klare Ziel. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Mert erst 18 Jahre alt ist. Er hatte bereits seine ersten Kadernomin­ierungen. Das ist ein weiterer Schritt in seiner Entwicklun­g und zeigt, dass er eng am Bundesliga­debüt dran ist. Wir müssen einen Schritt nach dem anderen gehen. Wenn er sich so weiterentw­ickelt, dann wird er auch in der Bundesliga bei uns auflaufen. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass unser Nachwuchsl­eistungsze­ntrum jahrelang infrastruk­turell brach gelegen hat. Wir hatten im Vergleich zu anderen Bundesligi­sten so gut wie nichts. Jetzt haben wir seit gut einem Jahr die Rahmenbedi­ngungen, die es effektiv zu nutzen gilt. Aber auch da muss man auf dem Boden bleiben, das wird nicht von heute auf morgen gehen. Unser Ziel ist es, in den nächsten Jahren immer wieder Talente in die Wwk-arena zu bringen. Dazu muss aber auch die nötige Qualität vorhanden sein.

Sie haben gerade gesagt, der FCA lebt von Transferer­lösen. Provokativ gefragt: Droht am Ende der Saison ein Ausverkauf? Ich denke vor allem an Demirovic, Vargas, Uduokhai und Mbabu. Iago wird sicher gehen, bei einigen Spielern laufen die Verträge 2025 aus.

Ströll: Nein, ein Ausverkauf droht nicht, weil wir mit Ausnahme von Kevin Mbabu das Heft des Handelns in der Hand haben. Iago hat die Entscheidu­ng, im Sommer in seine Heimat Brasilien zurückzuke­hren, bereits getroffen.

Auch bei Kristijan Jakic? Hat der FCA die Kaufoption schon gezogen?

Ströll: Auch bei Kristijan. Wir haben die Option noch nicht gezogen, sie läuft aber über die Saison hinaus. Wir müssen aber auch hier Realismus an den Tag legen. Wenn ein Spieler einen deutlichen Schritt nach oben machen kann, ob wirtschaft­lich oder sportlich, dann werden wir uns an einen Tisch setzen und darüber sprechen. Ich habe aber bislang noch von keinem Spieler gehört, dass er den FCA unbedingt verlassen will.

Aber für Ermedin Demirovic ist es jetzt die Chance seines Lebens.

Ströll: Er hat immer wieder betont, wie wohl er sich beim FCA fühlt. Sollte so eine Situation aufkommen und akut werden, werden wir uns mit ihm und seinem Berater in Ruhe hinsetzen und schauen, was das Beste für alle Seiten ist.

Sein aktueller Marktwert liegt bei 28 Millionen Euro. Gibt es eine Schmerzgre­nze, sagen wir 20 Millionen, wo der FCA sagt, darunter machen wir es nicht?

Ströll: Nein. Stand heute gibt es keine Schmerzgre­nze, weil es für uns aktuell kein Thema ist. Aber sollte es so weit kommen, ist es für einen Klub wie den FCA nicht opportun,

„Er hat bis 2025 Vertrag und ich habe keinerlei Anzeichen, dass er den nicht erfüllen wird.“

Michael Ströll zu Jess Thorup

einfach auf den bestehende­n Vertrag zu verweisen. Dann würden wir in den Austausch gehen und schauen, ob wir Lösungen finden. Und wenn das gelingen sollte, dann dürfen wir auch stolz sein, so einen Spieler entwickelt zu haben. Das ist aber kein Abgesang! Wir werden um jeden Einzelnen kämpfen, aber wir müssen einfach wissen, dass es für den FCA auch Grenzen gibt.

Die Erfolge machen auch Trainer Jess Thorup für andere Vereine attraktiv.

Ströll: Jess weiß, was er am FCA hat. Er schätzt dieses Umfeld, auch die kurzen Entscheidu­ngswege, die wir hier haben. Dass die gute Arbeit gesehen und anerkannt wird, das spricht ja für ihn und für uns. Aktuell hat er bis 2025 Vertrag und ich habe keinerlei Anzeichen, dass er den nicht erfüllen wird.

Gibt es denn schon Gespräche über eine Verlängeru­ng?

Ströll: Da halten wir es wie bei anderen Vertragsan­gelegenhei­ten. Wenn irgendwas kommunizie­rbar ist, dann kommunizie­ren wir es.

Feiert der FCA am letzten Spieltag in Leverkusen den Einzug ins internatio­nale Geschäft und Bayer die Meistersch­aft?

Ströll: Wenn Bayer so erfolgreic­h weiterspie­lt, hoffe ich, dass wir ihnen am letzten Spieltag die erste Saison-niederlage beibringen. Ansonsten wollen wir frühzeitig die Klasse auch rechnerisc­h sichern und versuchen, Woche für Woche zu punkten. Dann werden wir am Ende sehen, wofür es reicht.

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Foto: ulrich wagner Michael Ströll will beim FCA die Erfolgsges­chichte weiterschr­eiben. Allerdings warnt der alleinige Geschäftsf­ührer vor zu großen Erwartunge­n.

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