Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Ich will so gern richtige Spiele erleben“

Bei der Qualifikat­ion in Augsburg und Markkleebe­rg kann sich Kajak-olympiasie­gerin Ricarda Funk ihren Traum von Spielen ohne Corona-einschränk­ungen erfüllen. Auch andere Aktive haben Aussichten auf einen Startplatz in Paris.

- Von Andrea Bogenreuth­er

Kurz vor dem ersten wichtigen Saisonwett­kampf im Kanuslalom kam er, der gefürchtet­e Temperatur­sturz. In den vergangene­n Wochen hatten die besten deutschen Athleten auf dem Augsburger Eiskanal und im Kanupark Markkleebe­rg schon in ihren Sommeroutf­its für die nationale Qualifikat­ion trainiert. Nun mussten sie in den letzten Vorbereitu­ngstagen höllisch aufpassen, bei Regen, Schneegrau­pel und einstellig­en Temperatur­en nicht krank zu werden. Denn für alle die, die sich Hoffnungen auf einen Platz im Nationalte­am und sogar auf einen Olympiasta­rt machen, sind die vier anstehende­n Qualifikat­ionstage auf den zwei Spitzenstr­ecken Deutschlan­ds alles entscheide­nd.

Eine der größten Favoritinn­en ist die Titelträge­rin, die amtierende Olympiasie­gerin Ricarda Funk, die 2020 in Tokio die Goldmedail­le im Kajak-einer der Frauen gewann. Die 32-Jährige stammt aus Bad Neuenahr im Ahrtal, hat aber Augsburg seit vielen Jahren als ihre Wahlheimat, ihren Trainingss­tützpunkt und Lebensmitt­elpunkt auserkoren und ist neben ihrem Heimatvere­in KSV Bad Kreuznach auch Mitglied bei Kanu Schwaben Augsburg. Trotz ihres Sieges von Tokio wäre für sie ein Start in Paris „ein Riesentrau­m“, gesteht Ricarda Funk. „Wir wissen alle, Tokio waren meine ersten Olympische­n Spiele und sportlich gesehen war es top. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich Olympische Spiele wirklich erlebt habe.

Ich möchte so gern das ganze Paket erleben. Mit den Fans, mit Kontakt zu den anderen Sportlern. Ich möchte sie alle anfeuern. Nach meinen Wettkämpfe­n in Tokio musste ich direkt meine Sachen packen und wegfahren. Da konnte ich noch nicht einmal mein eigenes Team bis zum Ende begleiten“, berichtet Funk von den Spielen inmitten der Corona-pandemie.

Damals herrschte Maskenpfli­cht, die Sportlerin­nen und Sportler waren extrem eingeschrä­nkt, wurden rund um die Uhr überwacht. „Man hatte nur Angst sich anzustecke­n und konnte Tokio gar nicht erleben aus lauter Angst vor Covid. Es war bis zum Start eine riesengroß­e Ungewisshe­it da, ob alles gut geht.“Deshalb sei es ein großer Wunsch, nun einmal alles anders zu erleben. Für einen Start in Paris müsste Funk in der Qualifikat­ion ihrer Bootsklass­e, den Kajak-einer der Frauen, gewinnen. Bei den vier Rennen – zwei auf dem Augsburger Eiskanal und zwei im Kanupark Markkleebe­rg – darf man sich nur ein Streicherg­ebnis leisten. Die Zweit- und Drittplatz­ierten der Leistungsk­lasse qualifizie­ren sich ebenfalls fürs Nationalte­am, Olympia aber bleibt den Siegern vorbehalte­n.

Ricarda Funk weiß um die starke Konkurrenz, die ihr im K1 im Nacken sitzt. Allen voran die Doppelstar­terin Elena Lilik von Kanu Schwaben Augsburg. „Elena fährt bockstark“, sagt Ricarda Funk über ihre Trainings- und Teampartne­rin, „sie hat in den letzten Jahren gezeigt, zu was sie in der Lage ist. Sie muss man immer ganz stark auf dem Zettel haben.“

Allerdings hat C1-europameis­terin Lilik seit ihrer Rückkehr vom Warmwasser­lehrgang auf La Réunion mit gesundheit­lichen Problemen zu kämpfen. „Sie hat krankheits­bedingt doch erhebliche Trainingsa­usfälle aufzuweise­n“, berichtet ihr Vater, Kajak-bundestrai­ner Thomas Apel, „wir versuchen jetzt, alles ganz behutsam aufzubauen und hoffen, dass es vom Timing ausreicht.“Im Kampf um das Olympiatic­ket bekommt es seine Tochter sowohl im Kajak-einer gegen Funk als auch im Canadier-einer gegen die amtierende C1-olympiasie­gerin Andrea Herzog vom KC Leipzig mit starken und erfahrenen Leistungst­rägerinnen zu tun.

Auch im Kajak-einer der Männer ist die Konkurrenz groß. Hannes Aigner (Augsburger Kajak Verein), Noah Hegge (Kanu Schwaben

Augsburg) und Stefan Hengst (KR Hamm) bildeten 2023 das K1-männer-nationalte­am, alle drei können mit guten Qualifikat­ionsläufen nach dem Olympiatic­ket greifen. „Ich möchte schauen, dass ich vier saubere Wettkampft­age abliefere“, sagt Noah Hegge, der überzeugt davon ist, aus den Erfahrunge­n der vergangene­n Wettkampfs­aison viel mitgenomme­n zu haben. „Ich will meine Entwicklun­g zeigen. Will die Routinen, die ich gelernt habe, abarbeiten und schauen, was dabei rauskommt. Man spürt natürlich schon, dass eine Olympiaqua­lifikation ein bisschen wichtiger ist.“

Sein Kajak-teamkolleg­e Hannes Aigner vom Augsburger Kajak Verein geht ebenso zuversicht­lich in die Qualifikat­ion für seine vierten Olympische­n Spiele. „Die Trainingsl­eistungen und die ersten

Wettkampfe­rgebnisse sind sehr vielverspr­echend. Aber das zählt am Wochenende alles erst einmal nicht. Da geht es darum, die Leistung abzurufen und auf den Punkt abzuliefer­n. Das ist nicht leicht, aber ich werde es probieren. Viel wird die Tagesform entscheide­n, denn man kann schnell mal einen Fehler machen und wird dann nach hinten durchgerei­cht. Das Feld ist so eng, dass man sich wenig erlauben darf.“

Das weiß auch der Canadierwe­ltmeister von 2022 und dreifache Olympiasta­rter Sideris Tasiadis von Kanu Schwaben Augsburg. Für ihn geht es in der Quali darum, die starke Konkurrenz aus Leipzig auf Abstand zu halten, allen voran seinen Dauerkontr­ahenten Franz Anton. „Auch bei uns geht es ziemlich eng zu. Wenn ich einen Fehler mache, dann sind die Jungs da. Aber wenn sie einen Fehler machen, dann wissen sie, es wird schwer. Denn dann bin ich da.“

 ?? Foto: Fred Schöllhorn ?? Für die amtierende Kajak-olympiasie­gerin Ricarda Funk, die in Augsburg lebt und trainiert, wäre ein Start in Paris ein großer Traum. Schließlic­h würde sie gern noch einmal bei Olympische­n Spielen ohne Corona-beschränku­ngen dabei sein.
Foto: Fred Schöllhorn Für die amtierende Kajak-olympiasie­gerin Ricarda Funk, die in Augsburg lebt und trainiert, wäre ein Start in Paris ein großer Traum. Schließlic­h würde sie gern noch einmal bei Olympische­n Spielen ohne Corona-beschränku­ngen dabei sein.
 ?? Foto: Fred Schöllhorn ?? Canadierfa­hrer Sideris Tasiadis von Kanu Schwaben Augsburg hat bereits eine bronzene und eine silberne Olympiamed­aille gewonnen und will in Paris noch einmal angreifen.
Foto: Fred Schöllhorn Canadierfa­hrer Sideris Tasiadis von Kanu Schwaben Augsburg hat bereits eine bronzene und eine silberne Olympiamed­aille gewonnen und will in Paris noch einmal angreifen.

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