Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Ich will so gern richtige Spiele erleben“
Bei der Qualifikation in Augsburg und Markkleeberg kann sich Kajak-olympiasiegerin Ricarda Funk ihren Traum von Spielen ohne Corona-einschränkungen erfüllen. Auch andere Aktive haben Aussichten auf einen Startplatz in Paris.
Kurz vor dem ersten wichtigen Saisonwettkampf im Kanuslalom kam er, der gefürchtete Temperatursturz. In den vergangenen Wochen hatten die besten deutschen Athleten auf dem Augsburger Eiskanal und im Kanupark Markkleeberg schon in ihren Sommeroutfits für die nationale Qualifikation trainiert. Nun mussten sie in den letzten Vorbereitungstagen höllisch aufpassen, bei Regen, Schneegraupel und einstelligen Temperaturen nicht krank zu werden. Denn für alle die, die sich Hoffnungen auf einen Platz im Nationalteam und sogar auf einen Olympiastart machen, sind die vier anstehenden Qualifikationstage auf den zwei Spitzenstrecken Deutschlands alles entscheidend.
Eine der größten Favoritinnen ist die Titelträgerin, die amtierende Olympiasiegerin Ricarda Funk, die 2020 in Tokio die Goldmedaille im Kajak-einer der Frauen gewann. Die 32-Jährige stammt aus Bad Neuenahr im Ahrtal, hat aber Augsburg seit vielen Jahren als ihre Wahlheimat, ihren Trainingsstützpunkt und Lebensmittelpunkt auserkoren und ist neben ihrem Heimatverein KSV Bad Kreuznach auch Mitglied bei Kanu Schwaben Augsburg. Trotz ihres Sieges von Tokio wäre für sie ein Start in Paris „ein Riesentraum“, gesteht Ricarda Funk. „Wir wissen alle, Tokio waren meine ersten Olympischen Spiele und sportlich gesehen war es top. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich Olympische Spiele wirklich erlebt habe.
Ich möchte so gern das ganze Paket erleben. Mit den Fans, mit Kontakt zu den anderen Sportlern. Ich möchte sie alle anfeuern. Nach meinen Wettkämpfen in Tokio musste ich direkt meine Sachen packen und wegfahren. Da konnte ich noch nicht einmal mein eigenes Team bis zum Ende begleiten“, berichtet Funk von den Spielen inmitten der Corona-pandemie.
Damals herrschte Maskenpflicht, die Sportlerinnen und Sportler waren extrem eingeschränkt, wurden rund um die Uhr überwacht. „Man hatte nur Angst sich anzustecken und konnte Tokio gar nicht erleben aus lauter Angst vor Covid. Es war bis zum Start eine riesengroße Ungewissheit da, ob alles gut geht.“Deshalb sei es ein großer Wunsch, nun einmal alles anders zu erleben. Für einen Start in Paris müsste Funk in der Qualifikation ihrer Bootsklasse, den Kajak-einer der Frauen, gewinnen. Bei den vier Rennen – zwei auf dem Augsburger Eiskanal und zwei im Kanupark Markkleeberg – darf man sich nur ein Streichergebnis leisten. Die Zweit- und Drittplatzierten der Leistungsklasse qualifizieren sich ebenfalls fürs Nationalteam, Olympia aber bleibt den Siegern vorbehalten.
Ricarda Funk weiß um die starke Konkurrenz, die ihr im K1 im Nacken sitzt. Allen voran die Doppelstarterin Elena Lilik von Kanu Schwaben Augsburg. „Elena fährt bockstark“, sagt Ricarda Funk über ihre Trainings- und Teampartnerin, „sie hat in den letzten Jahren gezeigt, zu was sie in der Lage ist. Sie muss man immer ganz stark auf dem Zettel haben.“
Allerdings hat C1-europameisterin Lilik seit ihrer Rückkehr vom Warmwasserlehrgang auf La Réunion mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. „Sie hat krankheitsbedingt doch erhebliche Trainingsausfälle aufzuweisen“, berichtet ihr Vater, Kajak-bundestrainer Thomas Apel, „wir versuchen jetzt, alles ganz behutsam aufzubauen und hoffen, dass es vom Timing ausreicht.“Im Kampf um das Olympiaticket bekommt es seine Tochter sowohl im Kajak-einer gegen Funk als auch im Canadier-einer gegen die amtierende C1-olympiasiegerin Andrea Herzog vom KC Leipzig mit starken und erfahrenen Leistungsträgerinnen zu tun.
Auch im Kajak-einer der Männer ist die Konkurrenz groß. Hannes Aigner (Augsburger Kajak Verein), Noah Hegge (Kanu Schwaben
Augsburg) und Stefan Hengst (KR Hamm) bildeten 2023 das K1-männer-nationalteam, alle drei können mit guten Qualifikationsläufen nach dem Olympiaticket greifen. „Ich möchte schauen, dass ich vier saubere Wettkampftage abliefere“, sagt Noah Hegge, der überzeugt davon ist, aus den Erfahrungen der vergangenen Wettkampfsaison viel mitgenommen zu haben. „Ich will meine Entwicklung zeigen. Will die Routinen, die ich gelernt habe, abarbeiten und schauen, was dabei rauskommt. Man spürt natürlich schon, dass eine Olympiaqualifikation ein bisschen wichtiger ist.“
Sein Kajak-teamkollege Hannes Aigner vom Augsburger Kajak Verein geht ebenso zuversichtlich in die Qualifikation für seine vierten Olympischen Spiele. „Die Trainingsleistungen und die ersten
Wettkampfergebnisse sind sehr vielversprechend. Aber das zählt am Wochenende alles erst einmal nicht. Da geht es darum, die Leistung abzurufen und auf den Punkt abzuliefern. Das ist nicht leicht, aber ich werde es probieren. Viel wird die Tagesform entscheiden, denn man kann schnell mal einen Fehler machen und wird dann nach hinten durchgereicht. Das Feld ist so eng, dass man sich wenig erlauben darf.“
Das weiß auch der Canadierweltmeister von 2022 und dreifache Olympiastarter Sideris Tasiadis von Kanu Schwaben Augsburg. Für ihn geht es in der Quali darum, die starke Konkurrenz aus Leipzig auf Abstand zu halten, allen voran seinen Dauerkontrahenten Franz Anton. „Auch bei uns geht es ziemlich eng zu. Wenn ich einen Fehler mache, dann sind die Jungs da. Aber wenn sie einen Fehler machen, dann wissen sie, es wird schwer. Denn dann bin ich da.“