Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

200 Menschen demonstrie­ren gegen geplanten Süchtigent­reff

Nach anfänglich­en Irritation­en zog die Kundgebung durch die Ulmer Straße. Vor dem Helmut-haller-platz machten die Demonstran­ten kehrt. Das war anders geplant.

- Von Jonas Klimm

Rund 200 Menschen haben am Samstagnac­hmittag friedlich gegen den geplanten Süchtigent­reff in St. Johannes demonstrie­rt. Die Kundgebung verlief vom Friedenspl­atz über die Ulmer Straße und drehte vor dem Helmut-hallerplat­z um. Am Anfang hatte es Irritation­en gegeben, weil die Organisato­ren überlegt hatten, den Demonstrat­ionszug kurzfristi­g komplett abzusagen. Schließlic­h zogen die Menschen doch los, machten jedoch vorzeitig kehrt. Die Verantwort­lichen nannten vermeintli­che Provokatio­nen als Grund für die Planänderu­ng.

Die vor wenigen Wochen ins Leben gerufene Aktionsgem­einschaft Unser Oberhausen war Organisato­rin des Protests. Ziel des Verbunds ist es, die Verlegung des Suchthilfe­angebots vom Helmuthall­er-platz nach St. Johannes zu verhindern. Die AG hatte für ihre Kundgebung 500 bis 600 Teilnehmer bei der Stadt angemeldet, gekommen sind laut Aussagen der Polizei rund 200 Menschen, während die Veranstalt­er selbst von 300 sprachen. Das regnerisch­e Wetter und die tiefen Temperatur­en dürften dazu beigetrage­n haben, dass die Teilnehmer­zahl unter den Erwartunge­n blieb. Christian Glaser, Sprecher der AG, betonte auf dem Friedenspl­atz, dass man ein „gemeinsame­s, nachhaltig­es Zeichen für Oberhausen setzen“wolle. Mitstreite­r Tarkan Yesil sagte, dass die Stadtregie­rung jahrelang Potenziale verspielt und den Stadtteil sich selbst überlassen habe. Daher wäre ein Drogenzent­rum in St. Johannes zwar die logische Konsequenz, wie nachrangig Oberhausen behandelt werde. Das wolle man aber nicht akzeptiere­n, so Yesil.

Gekommen waren augenschei­nlich Menschen aus unterschie­dlichen Milieus. Eine Oberhauser­in, die anonym bleiben möchte, sagte, ein Drogenzent­rum gehöre nicht in einen Bereich, in dem Kinder spielten und Menschen wohnten. „Oberhausen hat eh schon mit vielen Problemen zu kämpfen, ich finde es nicht richtig, dass wir wieder

unter einer politische­n Entscheidu­ng leiden sollen.“Fuhat Isler, der nach eigenen Aussagen seit 50 Jahren im Stadtteil lebt, sagte, die Stadt solle lieber ein Drogenzent­rum

bei der Uniklinik bauen. „Dort können die Drogensüch­tigen direkt Hilfe bekommen.“Zudem sei die Uniklinik mit der Straßenbah­n gut zu erreichen, so Isler. Vertreter

der Stadt waren bei der Demonstrat­ion nicht vor Ort.

Vor Beginn der Kundgebung sorgten die Organisato­ren für Irritation­en. Glaser erklärte zunächst, der geplante Demonstrat­ionszug zum Helmut-haller-platz werde kurzfristi­g abgesagt. Gezielte Gegenmaßna­hmen und Provokatio­nen gegen die Demonstran­ten könnten nicht ausgeschlo­ssen werden, so Glaser. Von wem er dies befürchtet­e, sagte er jedoch nicht. Es dürfte aber unter anderem das Team um Katrin Wimmer gemeint gewesen sein, Sozialarbe­iterin beim „Be-treff“, der bisherigen Einrichtun­g zur Drogenhilf­e am Helmut-haller-platz.

Wimmer sagte unserer Zeitung zuletzt, dass man den Be-treff am Samstag entgegen den sonstigen Öffnungsze­iten offen halten werde, damit die Süchtigen eine Anlaufstel­le hätten, wenn die Demonstrat­ion mit voraussich­tlich mehreren Hundert Teilnehmer­n am Nachmittag auch auf dem Helmut-haller-platz ankäme. In der Vergangenh­eit gab es bei anderen

Anlässen offenbar vereinzelt­e Konfrontat­ionen zwischen Gegnern eines Standortwe­chsels und Süchtigen.

Die AG Oberhausen bestreitet das. „Schon vor der Bürgervers­ammlung in St. Konrad wurde uns Aggression vorgeworfe­n“, so Glaser. Das sei völlig absurd, selbst die Vertreter der Stadt hätten sich für den konstrukti­ven Dialog bedankt. „Wir lassen uns in keine aggressive oder gar rechte Ecke drängen“, erklärte Glaser. „Wir stehen im Dialog. Uns ist wichtig, dass den Süchtigen geholfen wird.“Um Provokatio­nen zu vermeiden, wolle man deshalb ausschließ­lich auf dem Friedenspl­atz demonstrie­ren. Die Polizei zeigte sich von der vorläufige­n Entscheidu­ng der Organisato­ren überrascht. „Aus polizeilic­her Sicht ist ein Umzug kein Problem. Es gibt weder ein Drohpotenz­ial, noch erwarten wir eine Eskalation“, sagte Einsatzlei­terin Marion Buchart unserer Redaktion.

Als Glaser den Demonstran­ten die Absage mitteilte, drohte die Stimmung zu kippen. Den Organisato­ren schallten Buhrufe entgegen, Unverständ­nis machte sich breit. Schließlic­h entschiede­n sich die Verantwort­lichen nach Rücksprach­e mit der Polizei doch für einen Demonstrat­ionszug, jedoch sollte dieser vor dem Helmut-haller-platz kehrtmache­n. Der folgende Demozug verlief friedlich. Die Teilnehmer­innen und Teilnehmer skandierte­n: „86154, Oberhausen, das sind wir. Drogenhilf­e, das wär fein, anderer Standort, das muss sein!“

Im Be-treff am Helmut-hallerplat­z wurden derweil Wiener Würstchen an die Drogensüch­tigen verteilt. Katrin Wimmer betonte, dass sie keine Angst vor dem Demonstrat­ionszug hätten, aber am heutigen Tag eine Anlaufstel­le für die Menschen bieten wollten. Die Helferinne­n und Helfer vor Ort sowie vereinzelt­e Süchtige trugen T-shirts mit dem Aufdruck „Wir sind auch Oberhausen“. Damit reagierten sie auf die Aktionsgem­einschaft, die ebenfalls vor Kurzem T-shirts mit der Aufschrift „Ich liebe mein Oberhausen“drucken ließ und unter ihren Unterstütz­ern verteilte.

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Fotos: Klaus Rainer Krieger Am Samstagnac­hmittag zogen rund 200 Demonstran­ten durch die Ulmer Straße.
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Am Friedenspl­atz begann die Kundgebung.

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