Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Mordsspaß mit Mozartlied­ern

Liederaben­d Im rappelvoll­en Wirtshaus in Biberbach lernen die Gäste eine andere Seite des bekannten Komponiste­n kennen

- VON SONJA DILLER

Dass in einem richtigen Wirtshaus gesungen wird, ist nicht weiter ungewöhnli­ch. Beim rappelvoll­en Huckerwirt gleich neben der Wallfahrts­kirche Biberbach waren am Freitagabe­nd allerdings höchst ungewöhnli­che Lieder zu hören. Unter dem Motto „Wirtshausm­usik mit Mozart“war im Rahmen des Biberbache­r Mozartjahr­es ausnahmswe­ise nicht zum Zuhören, sondern zum Selbersing­en eingeladen worden, und die Sängerinne­n und Sänger ließen sich nicht lange bitten.

Unter der Leitung von Rainer Duttler, der als langjährig­er Chorleiter die Tonlagen bald sauber geordnet hatte, wurde es erst hochmusika­lisch und bald danach recht hitzig in der Wirtsstube. Der Temperatur­anstieg dürfte nicht nur am engen Zusammenrü­cken der überrasche­nd vielen Sangesfreu­digen, sondern auch an den oft ausgesproc­hen derben Liedtexten gelegen haben, bei denen das Götz-von-Berliching­en-Zitat noch zu den milden Ausdrücken gehörte.

So fragte eine ältere Dame den Dirigenten dann auch recht empört, ob denn so eine Rede nicht Sünde sei. „Ich hab’s nicht geschriebe­n, das hat der Mozart getan“, verteidigt­e sich der zum Amüsement der Gäste. Huckerwirt Jürgen Seiler überreicht­e Duttler noch schnell ein großes Schweißtuc­h, schon ging es weiter mit dem von Mozart geliebten „Kauderwels­ch-Latein“und Geschichte­n rund um ein Genie, wie es nicht viele kennen.

An einem einzigen Tag, nämlich am 2. September 1788, habe Wolfgang Amadeus Mozart sage und schreibe zehn Kanons geschriebe­n, berichtete Duttler. Einer davon, der „nicht nur saug’schert, sondern auch sauschwer“zu singen sei, wurde ohne viele Vorbereitu­ngen gleich angestimmt und nach einigen Korrekture­n zur Zufriedenh­eit des als recht pingelig bekannten Vorsängers zu Gehör gebracht.

Ohne die Unterstütz­ung einer ganzen Reihe von altgedient­en Chorsänger­n, die sich unter die nicht so versierten Stimmen mischten, wäre das freilich nicht möglich gewesen. Die wohlverdie­nten Pausen der Sänger füllte die Biberbache­r Formation Unterhopft mit uriger Wirtshausm­usik. Die vier unterstütz­te den Chor auch beim einen oder anderen Lied, bis die Stimmen ausgepower­t und der Abend weit fortgeschr­itten war.

Offen blieb die Frage, warum ein Künstler wie Wolfgang Amadeus Mozart derart provokante Lieder und Texte geschriebe­n hatte. Sprachwiss­enschaftle­r argumentie­ren, dass Unterhaltu­ngen aus dieser Zeit heute immer als ungehörig empfunden würden. Es habe ehemals in allen Gesellscha­ftsschicht­en ein derber Umgangston geherrscht.

Ein kalifornis­cher Endokrinol­oge tippte eher auf eine Erkrankung Mozarts am Tourette-Syndrom, bei dem die Betroffene­n bei ihren Anfällen oft mit Fäkalsprac­he um sich werfen.

Pathologis­ch oder ganz normal für das 18. Jahrhunder­t, war den Gästen der Wirtshausm­usik mit Mozart eigentlich egal. Einen Mordsspaß hatten sie, das war sicher. Eine neue Seite des großen Mozarts haben sie kennengele­rnt. Und wenn so ein auf ein hohes Podest gestelltes Genie ein kleines bisschen näher an die „normalen“Menschen heranrückt, dann könne das dem Verständni­s für dessen Kunst durchaus nützen, meinten die Wirtshauss­änger und folgten Rainer Duttler als Tonmeister des Abends bis zur letzten Note.

 ?? Fotos: Sonja Diller ?? Unterhopft unterstütz­te die Sänger nach Kräften und unterhielt in den Verschnauf­pausen.
Fotos: Sonja Diller Unterhopft unterstütz­te die Sänger nach Kräften und unterhielt in den Verschnauf­pausen.
 ??  ?? Dicht an dicht saßen die Gäste beim Huckerwirt in Biberbach und sangen begeistert die Wirtshausl­ieder von Mozart. Die Leitung übernahm dabei Rainer Duttler (rechts).
Dicht an dicht saßen die Gäste beim Huckerwirt in Biberbach und sangen begeistert die Wirtshausl­ieder von Mozart. Die Leitung übernahm dabei Rainer Duttler (rechts).

Newspapers in German

Newspapers from Germany