Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Jubeln für Gott

Kirche Was 10000 Besucher bei der Konferenz „Mehr“erlebten

- VON EVA MARIA KNAB

Tausende singende und tanzende Gläubige bei einer katholisch­en Messe. Lobpreisli­eder mit Elektrogit­arren und Schlagzeug. Eine Predigt, unterbroch­en durch lauten Jubel aus dem Publikum. In einer Augsburger Kirche wird man das eher nicht erleben. Bei der Gebetshaus-Konferenz „Mehr“im Augsburger Messezentr­um gehört es zum Konzept.

Bis zum Sonntag kamen an vier Tagen über 10 000 Teilnehmer aus dem deutschspr­achigen Raum und weit darüber hinaus zusammen, so die Veranstalt­er. Ziel war, „das Feuer des christlich­en Glaubens neu zu entfachen“. Oder, wie es Besucherin Louise Paul zum Abschluss ausdrückt: „Ich gehe ermutigt heraus, um etwas zu verändern.“

Die ökumenisch­e Glaubensko­nferenz wird vom Verein „Gebetshaus Augsburg“ausgericht­et und zieht sehr unterschie­dliche Besucher an. 2016 waren rund 40 Prozent Katholiken, der andere Teil Protestant­en und Gläubige verschiede­ner Freikirche­n. Das weiß Veranstalt­ungsleiter Johannes Mair aus einer Besucherbe­fragung. Er geht davon aus, dass es bei der zehnten Auflage von „Mehr“in diesem Jahr ähnlich ist. Auch im Internet sei das Echo auf die Konferenz inzwischen sehr groß. Über Livestream hätten diesmal rund 50 000 Menschen die Großverans­taltung mitverfolg­t.

Bei „Mehr“ist vieles anders als in einem üblichen deutschen Gottes- dienst. Als Weihbischo­f Florian Wörner am Sonntag das Wort Gottes verkündet, herrscht im Saal eine Stimmung wie bei einem Popkonzert. Auch für ihn ist es ein besonderes Erlebnis. Es sei zwar im Grunde ein normaler feierliche­r Gottesdien­st gewesen, sagt er: „Aber die Örtlichkei­t war anders, die Beteiligun­g war anders, auch die Zahl der Besucher und die Freude, mit der der Gottesdien­st gefeiert wurde.“Das habe ihn als Prediger beflügelt.

Im Bistum Augsburg ist das Gebetshaus bei Kirchenver­tretern nicht unumstritt­en. Kritiker finden, Gründer Johannes Hartl lulle die Leute mit religiöser Verzückung ein und tröste sie billig über den tristen Alltag hinweg. Weihbischo­f Wörner findet die Glaubensko­nferenz „Mehr“hingegen gut. „Wir müssen Räume schaffen, wo Menschen in ihrem Glauben wachsen können, dies ist einer von vielen“, sagt er. Auch Bischof Konrad Zdarsa ist ein großer Befürworte­r. Nach eingehende­r Prüfung teilte das Bistum kürzlich offiziell mit: Im Gebetshaus werde nichts gelehrt und verkündet, was im Gegensatz zur Lehre der katholisch­en Kirche stehe.

Katholikin Marion Müller ist sehr froh, dass bei der Glaubensko­nferenz Christen verschiede­ner Konfession­en zusammenko­mmen. „Alle sind aus dem Grund hier, um mehr von Gott zu erfahren, das belebt.“Sie ist aus Niedersach­sen mit Familie und Freunden angereist und glücklich, unter Gleichgesi­nnten zu sein. „Daheim habe ich als Christ sehr wenig Möglichkei­ten, meinen Horizont zu erweitern.“Der Konferenzb­esuch ist nicht ganz billig: Louise Paul (evangelisc­h freikirchl­ich) aus Mittelhess­en hat 200 Euro investiert, um, wie sie sagt, „sich hier Gedanken zu machen, die man sich im Alltag nicht stellt“.

Jeremy Vernon (evangelisc­h) ist zusammen mit acht Familien von Bamberg nach Augsburg gekommen und findet die Großverans­taltung „super“. Gut sei nicht nur die Vielzahl der Prediger, sondern auch die Kinderbetr­euung. Er fühlt sich bei der Konferenz „Mehr“an ähnliche Veranstalt­ungen in den USA erinnert.

Das kann auch mit Johannes Hartl zusammenhä­ngen, dem Gründer des Gebetshaus­es. Der Theologe tritt bei seinem Vortrag im Messezentr­um mit knallroten Turnschuhe­n und ebenso knallrotem Shirt an. Im rappelvoll­en Saal redet er wie ein Fußballtra­iner, der seine etwas müde gewordene Mannschaft wieder fit machen will. So fordert er die Gläubigen auf, ihre „Komfortzon­e“zu verlassen und Christentu­m offensiver zu leben. O-Ton Hartl: „Wir bräuchten im geistliche­n Leben ein bisschen weniger Massage und Kichern, sondern mehr ,Bring doch mal deinen Hintern hoch‘.“

Der Zulauf zum Gebetshaus in Augsburg ist inzwischen so groß, dass die Räume an der Pilsenerst­raße in Göggingen massiv ausgebaut werden sollen. Wie Hartl ankündigte, sind unter anderem ein neuer Gästetrakt für 40 Gäste und eine Versammlun­gshalle für bis zu 1000 Besucher geplant.

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Fotos: Annette Zoepf Jubel während des Gottesdien­stes: Bei der Gebetshaus Konferenz „Mehr“, die von Donnerstag bis Sonntag im Messezentr­um stattfand, gehört das zum Konzept.
 ??  ?? Theologe Johannes Hartl, der Begründer des Gebetshaus­es, tritt mit knallroten Turn schuhen und Shirt auf. Er fordert die Gläubigen auf, die „Komfortzon­e“zu verlassen.
Theologe Johannes Hartl, der Begründer des Gebetshaus­es, tritt mit knallroten Turn schuhen und Shirt auf. Er fordert die Gläubigen auf, die „Komfortzon­e“zu verlassen.

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