Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Blinder Passagier auf vier Pfoten: Katze fährt mit Zug nach Augsburg
Tiere Streunerin Sternchen springt in Dinkelscherben in einen Zug. Die Reise endet im Tierheim. Über Facebook startet eine Suchaktion
Zahlreiche Fahrgäste steigen Tag für Tag am Dinkelscherber Bahnhof in einen Zug Richtung Augsburg. Doch nur in den seltensten Fällen haben sie vier Pfoten, spitze Ohren und machen „Miau“. So geschehen bei Sternchen: Die schwarz-weiße Katze aus Dinkelscherben ist Ende Dezember in einen Zug gesprungen und gemütlich bis zum Augsburger Hauptbahnhof gefahren, von wo aus Finder sie ins Tierheim gebracht haben. Inzwischen ist Sternchen wohlbehalten zurück bei ihrem Besitzer.
Es ist der Abend des 25. Dezember 2016, 21 Uhr: Wenige Stunden zuvor ist in Augsburg nach der Entschärfung einer 1,8 Tonnen schweren Fliegerbombe die größte Evakuierung seit dem Zweiten Weltkrieg zu Ende gegangen. Langsam kehren die Augsburger in die Innenstadt zurück. Und mit ihnen Sternchen.
Die Katze, die wohl öfter am Dinkelscherber Bahnhof umherstreunt, springt in einen stehenden Zug. Die Türen schließen sich, und los geht die Reise in die Fuggerstadt. Eine Augsburgerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, erinnert sich: „Mein Mann und ich waren abends am Bahnhof, um meine Schwiegermutter abzuholen. Da wir sie nicht direkt gefunden haben, standen wir am Reisezentrum, als ein junges Paar mit einer Katze auf dem Arm hereinkam.“Das Pärchen hatte die Katze im Zug aufgegabelt und wollte sie nicht am Augsburger Bahnhof aussetzen, sondern vor der Weiterfahrt einem Bahn-Mitarbeiter übergeben, damit sie ins Tierheim gebracht werden kann. Die Frau, die sich selbst als „Finderin zweiter Hand“bezeichnet, sagt: „Der Mitarbeiter im Reisezentrum wusste gar nicht, ob es in Augsburg ein Tierheim gibt. Da wir das Tierheim kennen, haben mein Mann und ich angeboten, die Katze dort abzugeben.“Gesagt, getan: Die Katze wechselt die tragenden Arme, und das Augsburger Ehepaar fährt sie zum Tierheim. „Sie war sehr ruhig und ganz lieb. Also meine zwei Katzen hätten das nicht mit sich machen lassen“, erinnert sich die Frau lachend.
Tierpfleger nehmen die Katze entgegen und taufen sie – ganz im Sinne der Weihnachtszeit – auf den Namen „Sternchen“. Jenny Poszteiner, Mitarbeiterin im Tierheim, sagt: „Die Katze hatte kein Halsband, keinen Chip und keine Tätowierung.“Mit einem Chip hätte man Sternchens Besitzer sofort informieren können. So hingegen musste die Katze bis Anfang Januar warten, bis ihr Besitzer sie aus dem Tierheim abholte. Den entscheidenden Hinweis gab vermutlich ein Suchaufruf. Diesen hatte das Augsburger Ehepaar, das Sternchen zuvor ins Tierheim gebracht hatte, in Dinkelscherben aufgehängt. Das Tierheim teilte ihn anschließend auf Facebook. „Bei Tieren, die gern umherstreunen und vielleicht auch mal mehrere Tage unterwegs sind, fällt ja gar nicht so schnell auf, wenn sie wirklich verschwunden sind“, erklärt Poszteiner.
Inzwischen sind Katze und Besitzer also wieder vereint. Ob das Tier nun die Nase voll hat vom Zugfahren oder schon die nächste Bahnreise plant, darüber ist bislang nichts bekannt.