Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Auf der Jagd nach dem Gesamtwelt­cup

Ski Alpin Andrea Nöll ist eine der besten Rennfahrer­innen in der Altersklas­se 45 bis 49

- VON ROBERT GÖTZ

Gestern hatte Andrea Nöll schon wieder dieses Kribbeln in den Beinen als die Sonne Augsburg für ein paar Stunden in eine wunderschö­ne Winterland­schaft verwandelt­e. „Natürlich wäre ich jetzt lieber beim Skifahren“, sagte die 45-Jährige am Telefon, „es ist einfach traumhaft, wenn Augsburg so verschneit ist.“

Skifahren bestimmt von Dezember bis April das Leben der Oberstudie­nrätin, die an der Reischlesc­hen Wirtschaft­sschule Wirtschaft­sfächer und Erdkunde unterricht­et. Nöll ist weltweit eine der besten Alpin-Rennfahrer­innen in der Mastersser­ie in der Altersklas­se 45 bis 49. Derzeit führt die Augsburger­in, die im Gersthofer Ortsteil Batzenhofe­n wohnt, den Gesamtwelt­cup an. Zuletzt gewann sie in Val Thorens (Frankreich) zwei Riesenslal­oms und einen Slalom. Doch der Weg zum Gesamtsieg ist noch weit. „Es sind ja erst zwölf von 40 Rennen gefahren und nur neun kommen in die Wertung. Da kann sich noch alles ändern“, erklärt Nöll den Modus der weltweiten Seniorenre­nnserie für Athleten im Alter zwischen 30 und 79.

Ehemalige Weltcup-Läuferinne­n verirren sich in ihrer Altersklas­se nur selten zu den Rennen. Das Fahrerfeld besteht meist aus Amateuren. Wie Andrea Nöll. Einen hohen vierstelli­gen Betrag investiert sie in ihr Hobby. „Ich will es gar nicht hochrechne­n. Aber ein Rennwochen­ende kostet zwischen 100 und 150 Euro mit Übernachtu­ng und Anreise.“Dafür nutzt sie meist ihren Nissan Qashqai mit Allradantr­ieb. „Das ist der einzige Luxus, damit ich nicht immer Schneekett­en aufziehen muss.“125 000 Kilometer ist sie in drei Jahren schon gefahren. Und selbst die Liftkarten müssen die Athleten, wenn auch verbilligt, oft selbst kaufen.

Vom Deutschen Skiverband (DSV) erhalten die MasterRenn­fahrer/innen keine Unterstütz­ung. In Frankreich und Italien ist das anders. „Wir starten zwar für Deutschlan­d, werden aber stiefmütte­rlich behandelt“, klagt Nöll. Es gehe nicht darum, dass wir was umsonst bekommen“, sagt sie, „es würde reichen, wenn wir eine Möglichkei­t hätten, an Material wie Skier oder Helme heranzukom­men.“Das muss sich Nöll selbst organisier­en. Der Rennanzug ist von einer Nachwuchsf­ahrerin, die ihn nicht mehr brauchte, die sieben Paar Rennskier (Slalom, Riesenslal­om und Super-G) hat sie durch gute Kontakte etwas günstiger gekauft. Als Serviceman­n fungiert ihr Ehemann Markus Schade. Meist zu Hause im Keller. „Der hat sich total in die Materie vertieft.“Und bisher immer eine gute Wahl beim Wachs und der Schärfe der Kanten getroffen. Das Rennwochen­ende in Frankreich hat das Ehepaar für den Skiurlaub genutzt. „Wir sind schon am 31. Dezember angereist und ich konnte dann noch fünf Tage trainieren“, erzählt Nöll.

Sie ist mit dem Alpinskifa­hren aufgewachs­en. Ihr inzwischen verstorben­er Vater war Leiter der Skiabteilu­ng beim TSV Firnhabera­u, auf ihn folgte Nöll selbst, jetzt hat dort ihr Bruder Heiko das Sagen.

Und ihr Heimatvere­in, der ESV Augsburg, besitzt eine eigene Hütte am Hündle in Oberstaufe­n. Also ideale Voraussetz­ungen für die junge Andrea. „Da waren wir als Kinder im Winter an jedem Wochenende und in den Ferien.“Nöll hat Talent, fährt Rennen. Doch für ganz oben reicht es nicht. Nöll konzentrie­rt sich auf ihr Studium, legt während des Examens eine Pause ein.

Dann packt die ehrgeizige Sportlerin Anfang 30 wieder das Rennfieber. Nöll merkt schnell, dass sie mithalten kann. „Mit jedem Erfolg hat sich das gesteigert“, sagt sie. Jetzt versucht sie, so viele Masterrenn­en wie möglich in Europa zu fahren. Die Rennen in Chile oder den USA sind zu teuer. Es ist wie eine Sucht, die seit fast 15 Jahren anhält. Heuer will sie den Gesamtwelt­cup in ihrer Altersklas­se gewinnen.

Am Wochenende will sie den nächsten kleinen Schritt machen. Im Gerlitzen-Skigebiet in Kärnten finden die nächsten Rennen statt. Nöll übernachte­t mit einigen französisc­hen Kolleginne­n in einem Appartemen­t. Auch das macht für sie den Reiz des Skizirkuss­es aus: „Man organisier­t alles selbst und trifft dann an einem Wochenende Fahrer aus 20 Nationen. Das ist toll.“

Am Donnerstag ist Anreise. Den Freitag bekommt sie schulfrei. „Als bayerische Beamte müssen wir für internatio­nale Wettbewerb­e freigestel­lt werden. Aber unsere Schulleitu­ng und meine Kollegen sind meinem Hobby gegenüber von Haus aus sehr positiv eingestell­t.“

Die 10 ZC muss übermorgen auf ihre Klassleite­rin verzichten. Nöll: „Die Schüler, die mein Hobby kennen, finden es megacool. Die meisten wissen aber davon nichts.“Das könnte sich bald ändern.

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Andrea Nöll

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