Augsburger Allgemeine (Land Nord)

War’s ein Rudel Wölfe oder ein tollwütige­r Hund?

Geschichte Eine tragische Legende rankt sich um ein Marterl bei Aystetten. Es könnte auch anders gewesen sein / Serie (14)

- VON GERALD LINDNER

Er ist mysteriös und sein Name wirkt wenig vertrauene­rweckend: der „Blutige Herrgott“. Das gleichnami­ge Marterl steht auf einer Anhöhe im Adelsriede­r Forst oberhalb der Gemeinde Aystetten. Heute ist hier ein geräumiger Platz. Doch der Legende nach trug sich an dieser Stelle Schauerlic­hes zu.

Denn einer Überliefer­ung nach soll genau an dieser Stelle vor rund 200 Jahren ein Rudel Wölfe eine Bäuerin mit ihrer Tochter getötet haben. Diese Legende erwähnt auch der Dichter Ludwig Ganghofer (1855-1920) in den Erzählunge­n über seine Kindheit. Denn er verbrachte einige Zeit im Augsburger Land, während sein Vater als Förster in Welden beschäftig­t war. Ganghofer schwärmt von den dichten Fichtenwäl­dern des Adelsriede­r Forstes und bemerkt dann: „Kommt man auf der schwäbisch­en Poststraße von Augsburg her, so versinkt die Straße in dunklen Fichtenwäl­dern, die fast kein Ende nehmen wollen. In der Mitte des Waldes stand ein Kreuz; da wurden vor 100 Jahren eine Bäuerin und ihre Tochter von Wölfen zerrissen.“

Doch die Geschichte ist nicht so klar, wie Ganghofer annimmt, schreibt der frühere Kreisheima­tpfleger Prof. Walter Pötzl in seinem Buch „Kreuze, Bildstöcke und Feldkapell­en“(Augsburg 1996). „Man darf davon ausgehen, dass ein solcher Fall in den Sterbematr­ikeln erwähnt würde.“In denen der Gemeinde Aystetten von 1734 bis 1850 finde sich aber kein Hinweis. Die Matrikel von Adelsried berichten allerdings, so Pötzl, vom Tod der Maria Grueber, die von einem tollwütige­n Hund gebissen wurde und nach sechs Wochen starb. Dieser Vorfall könnte der Ausgangspu­nkt der Erzählung sein. Der Weg, der von der Aystetter Kirschalle­e aus gut zwei Kilometer in Richtung Adelsried führt, heißt bis heute ab dem Waldrand „Wolfsgrabe­n“. Auch hier findet sich wieder ein Hinweis auf die blutige Geschichte dieses Orts.

Ein bisschen Puste braucht man schon auf dem Weg zum „Blutigen Herrgott“nordwestli­ch von Aystetten. Denn vom Ausgangspu­nkt geht’s zum einen in den Wald, zum anderen auch flott bergauf. Ziemlich schnell bleiben die auf Grundstück­en mit großen Grünfläche­n stehenden Häuser zurück, die Mauern weichen alten Bäumen am Weg.

Ein breiter Platz öffnet sich beim „Blutigen Herrgott“, dessen Kopf auf einem Wegkreuz mit dicker Ölfarbe angestrich­en ist. Eine Tafel verweist auf die von Ludwig Ganghofer berichtete Sage. Inzwischen lädt ein überdachte­r Unterstand den Wanderer zur Brotzeit ein.

Ungefähr einen Meter weiter entfernt liegt die Schwefelqu­elle. Das kühle Nass läuft in ein massives Steinbecke­n und mündet in einen kleinen Bach, um bald darauf in die Schmutter zu fließen. Das Quellwasse­r enthält aber keinen Schwefel. Warum, ist ebenso rätselhaft ...

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Foto: Marcus Merk Wer zum „Blutigen Herrgott“von Aystet ten will, braucht etwas Kondition: Denn der Weg zu dem Marterl im Wald geht ordentlich bergauf.
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