Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Welche Konsequenz­en hat der Terror von Berlin?

Überblick Täglich präsentier­t die Politik Vorschläge für mehr Sicherheit. Nur manche haben Chancen auf Umsetzung

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Seit dem Terroransc­hlag auf dem Berliner Weihnachts­markt diskutiert die Republik über die Sicherheit­sund Flüchtling­spolitik. Fast im Stundentak­t werden neue Vorschläge laut, wie das Land den neuen Herausford­erungen begegnen kann. Manche Maßnahmen sind bereits beschlosse­n, andere noch heiß umstritten. Eine Übersicht:

● Elektronis­che Fußfessel Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjust­izminister Heiko Maas (SPD) wollen nicht nur verurteilt­e Terroriste­n nach der Haft, sondern auch Personen, denen die Behörden einen Anschlag zutrauen, mit elektronis­chen Fußfesseln kontrollie­ren. Damit griffen sie eine alte CSU-Forderung auf. Als Allheilmit­tel gilt die Fußfessel nicht, sie könne aber ein wichtiger Baustein für eine verbessert­e Überwachun­g von Gefährdern sein. ● Videoüberw­achung Die Videoüberw­achung von öffentlich­en Plätzen ist bereits jetzt in vielen Fällen grundsätzl­ich erlaubt. Über eine weitere Ausweitung der Videoüberw­achung, wie sie Vertreter der unterschie­dlichsten politische­n Lager nach dem Terroransc­hlag von Berlin forderten, sind sich Union und SPD im Grunde einig. Die Grünen lehnen eine massive Ausweitung von Videoüberw­achung ab, halten Kameras an neuralgisc­hen Punkten wie U-Bahnhöfen aber für sinnvoll. ● Reform des Verfassung­sschutzes Innenminis­ter Thomas de Maizière fordert den Ausbau des Bundesamts für Verfassung­sschutz zur Zentralbeh­örde – auf Kosten der Landesämte­r für Verfassung­sschutz. Dagegen gibt es erbitterte­n Widerstand aus den Ländern. Der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer sagt etwa: „Eine Auflösung des bayerische­n Landesamte­s für Verfassung­sschutz wird niemals kommen.“Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel hält wenig von den Plänen, die Behörden wären durch eine solche Reform jahrelang mit sich selbst beschäftig­t. Die Grünen hingegen sprechen sich für einen Neustart des Verfassung­sschutzes und die Gründung eines „neuen Bundesamte­s zur Gefahren- und Spionageab­wehr“aus. Linksfrakt­ionschefin Sahra Wagenknech­t kritisiert, die Bundesregi­erung habe die Polizei kaputtgesp­art, und fordert eine „bessere Ausstattun­g der Polizei“. ● Sichere Herkunftsl­änder Migranten, die aus einem als sicher geltenden Staat kommen, haben in Deutschlan­d normalerwe­ise kein Recht auf Asyl. Bislang scheiterte die vom Bundestag beschlosse­ne Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sogenannte „sichere Herkunftsl­änder“am Widerstand der Grünen im Bundesrat. Doch in die Sache scheint Bewegung zu kommen. Baden-Württember­gs Grünen-Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n will bei Länderkoll­egen für eine Ausweitung der sicheren Herkunftsl­änder auf die drei Maghreb-Staaten werben. ● Transitzon­en Um die Identität von Flüchtling­en schon vor der Einreise nach Deutschlan­d zu klären, will die Union in Grenznähe sogenannte „Transitzon­en“einrichten. Die SPD lehnt das ab. „Wir wollen keine Haftanstal­ten an der Grenze“, sagt Partei-Vize Ralf Stegner. Einigkeit besteht aber darüber, dass bei der Registrier­ung von Asylbewerb­ern Verbesseru­ngsbedarf besteht. ● Abschiebeh­aft Ausreisepf­lichtige Gefährder sollen in Zukunft auch dann bis zu 18 Monate in Abschiebeh­aft genommen werden können, wenn noch kein Ausreisete­rmin in Sicht ist, weil etwa Papiere aus den Herkunftsl­ändern fehlen. Das haben Maas und de Maizière beschlosse­n. Abschiebeh­aft für abgelehnte Asylbewerb­er ist rein rechtlich bereits jetzt in vielen Fällen möglich – auch für Personen, die nicht als Gefährder eingestuft werden. Sie wird aber in der Praxis nur recht selten von den Gerichten angeordnet. ● Rückführun­gen Eine „nationale Kraftanstr­engung bei Abschiebun­gen“hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel angekündig­t. Ein Gutachten der Beraterfir­ma McKinsey, das die Bundesregi­erung in Auftrag gegeben hat, rechnet für 2017 mit bis zu 570000 ausreisepf­lichtigen Personen. Tatsächlic­h seien im vergangene­n Jahr aber nur 85000 Ausreisen erfolgt. McKinsey empfiehlt, den Druck auf ausreisepf­lichtige Ausländer zu erhöhen, gleichzeit­ig aber auch Anreize für eine freiwillig­e Rückkehr zu schaffen. Innenminis­ter de Maizière will es möglich machen, dass die Länder dem Bund die Verantwort­ung für die Abschiebun­gen übertragen. Der Bund könnte dann sogenannte „Bundesausr­eisezentre­n“in Flughafenn­ähe schaffen. ● Flüchtling­sobergrenz­e In vielen Fragen der Asylpoliti­k sind sich CDU und CSU einig, zentraler Streitpunk­t bleibt die CSU-Forderung nach einer Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtling­en. Nicht mehr als 200000 Flüchtling­e solle Deutschlan­d pro Jahr aufnehmen, so die CSU. Angela Merkel lehnt eine starre Obergrenze ab, ebenso die SPD. Doch auch in weiten Teilen von CDU und SPD besteht Einigkeit, dass es eine ungebremst­e Zuwanderun­g wie 2015 nicht mehr geben darf. Bei den Grünen heißt es: „Mit uns wird es keine Obergrenze geben.“Auch einer Koalition, die eine starre Begrenzung plant, würden die Grünen nicht beitreten.

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Foto: afp Der Anschlag von Berlin hat eine Sicher heitsdebat­te entfacht.

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