Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Meister der Psychospielchen
Biathlon Martin Fourcade dominiert die Konkurrenz. Auch weil er taktisch alles ausreizt. Zuletzt allerdings ging seine Taktik daneben
Hier eine provozierende Geste, dort eine plötzliche Tempoverschärfung. Biathlon ist mehr, als nur Laufen und Schießen. Es ist auch ein Psychoduell. Mimik und Körpersprache der Gegner werden ständig beobachtet. Ist der andere noch frisch oder lohnt sich ein Angriff? Die körperliche Leistungsfähigkeit der Top-Athleten unterscheidet sich nur noch minimal. Sieger werden im Kopf gemacht. Martin Fourcade ist ein Seriensieger.
Der beste Biathlet der Gegenwart ist nicht nur ein außergewöhnlicher Athlet und Schütze, er ist auch ein Meister der taktischen Spielchen. Dabei sind nur die wenigsten so augenfällig wie jenes, das er 2015 beim Weltcup in Hochfilzen zeigte. Auf der Schlussrunde bog der führende Franzose plötzlich in die Zielgerade ab, obwohl noch das letzte Schießen anstand. Die beiden Verfolger schauten verdutzt und kamen aus dem Rhythmus. Fourcade schwenkte hinter dem Duo wieder auf die Strecke. „Kein Athlet mag es, wenn direkt vor dem Schießen seltsame Dinge passieren“, kommentierte Fourcade später sein Manöver. „Ich wollte sie aus ihrer Komfortzone herausholen.“
Mit Erfolg, der Franzose gewann das Rennen. „Ich mache alles, was für den Sieg notwendig ist“, sagt Fourcade. Dazu gehört bei ihm die demonstrativ geballte Faust am Schießstand oder auch, dass er kurz vor dem Zielstrich seine Skier auszieht und zu Fuß ins Ziel spaziert. Dem Gegner signalisiert das die absolute Überlegenheit des Franzosen.
Für den dreifachen Olympiasieger Michael Greis haben diese Aktionen viel mit dem Charakter des Athleten zu tun, „ob einer extrovertiert ist oder nicht“. Das könne man auch jenseits des Biathlons beobachten. „Viele extrem erfolgreiche Sportler pflegen den Showfaktor. Ein Paradebeispiel ist Usain Bolt, der immer eine gute Show abzieht.“
Bei den Kollegen komme das unterschiedlich gut an. „Es gibt Typen wie einen Ole Einar Björndalen, die motiviert das eher noch zusätzlich“, sagt der Allgäuer Greis. „Andere sind eher genervt, wenn sie merken: Ich bin am Limit und der spielt noch Katz und Maus mit mir.“
Dieses Spiel führt oft, aber nicht immer zum Erfolg. Beim Weltcup in Oberhof vergangene Woche verschärfte Fourcade am letzten Anstieg das Tempo extrem und wollte seine Verfolger demoralisieren und abschütteln. Das misslang. „Ich glaube, dass er dabei die entscheidenden Körner verspielt hat und im Zielsprint nicht mehr dagegenhalten konnte“, sagt Greis. Schempp gewann. Und auch Erik Lesser mogelte sich im Zielsprint noch an Fourcade vorbei. Greis: „Simon hat seine eigene Taktik durchgezogen und sich nicht beeindrucken lassen. Dann können Martins Manöver eben auch zum Bumerang werden.“