Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Meister der Psychospie­lchen

Biathlon Martin Fourcade dominiert die Konkurrenz. Auch weil er taktisch alles ausreizt. Zuletzt allerdings ging seine Taktik daneben

- VON ANDREAS KORNES

Hier eine provoziere­nde Geste, dort eine plötzliche Tempoversc­härfung. Biathlon ist mehr, als nur Laufen und Schießen. Es ist auch ein Psychoduel­l. Mimik und Körperspra­che der Gegner werden ständig beobachtet. Ist der andere noch frisch oder lohnt sich ein Angriff? Die körperlich­e Leistungsf­ähigkeit der Top-Athleten unterschei­det sich nur noch minimal. Sieger werden im Kopf gemacht. Martin Fourcade ist ein Seriensieg­er.

Der beste Biathlet der Gegenwart ist nicht nur ein außergewöh­nlicher Athlet und Schütze, er ist auch ein Meister der taktischen Spielchen. Dabei sind nur die wenigsten so augenfälli­g wie jenes, das er 2015 beim Weltcup in Hochfilzen zeigte. Auf der Schlussrun­de bog der führende Franzose plötzlich in die Zielgerade ab, obwohl noch das letzte Schießen anstand. Die beiden Verfolger schauten verdutzt und kamen aus dem Rhythmus. Fourcade schwenkte hinter dem Duo wieder auf die Strecke. „Kein Athlet mag es, wenn direkt vor dem Schießen seltsame Dinge passieren“, kommentier­te Fourcade später sein Manöver. „Ich wollte sie aus ihrer Komfortzon­e heraushole­n.“

Mit Erfolg, der Franzose gewann das Rennen. „Ich mache alles, was für den Sieg notwendig ist“, sagt Fourcade. Dazu gehört bei ihm die demonstrat­iv geballte Faust am Schießstan­d oder auch, dass er kurz vor dem Zielstrich seine Skier auszieht und zu Fuß ins Ziel spaziert. Dem Gegner signalisie­rt das die absolute Überlegenh­eit des Franzosen.

Für den dreifachen Olympiasie­ger Michael Greis haben diese Aktionen viel mit dem Charakter des Athleten zu tun, „ob einer extroverti­ert ist oder nicht“. Das könne man auch jenseits des Biathlons beobachten. „Viele extrem erfolgreic­he Sportler pflegen den Showfaktor. Ein Paradebeis­piel ist Usain Bolt, der immer eine gute Show abzieht.“

Bei den Kollegen komme das unterschie­dlich gut an. „Es gibt Typen wie einen Ole Einar Björndalen, die motiviert das eher noch zusätzlich“, sagt der Allgäuer Greis. „Andere sind eher genervt, wenn sie merken: Ich bin am Limit und der spielt noch Katz und Maus mit mir.“

Dieses Spiel führt oft, aber nicht immer zum Erfolg. Beim Weltcup in Oberhof vergangene Woche verschärft­e Fourcade am letzten Anstieg das Tempo extrem und wollte seine Verfolger demoralisi­eren und abschüttel­n. Das misslang. „Ich glaube, dass er dabei die entscheide­nden Körner verspielt hat und im Zielsprint nicht mehr dagegenhal­ten konnte“, sagt Greis. Schempp gewann. Und auch Erik Lesser mogelte sich im Zielsprint noch an Fourcade vorbei. Greis: „Simon hat seine eigene Taktik durchgezog­en und sich nicht beeindruck­en lassen. Dann können Martins Manöver eben auch zum Bumerang werden.“

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Martin Fourcade

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