Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Schluss mit „wilde Sau“beim FC Augsburg

Kommentar Warum im Trainingsl­ager des Fußball-Bundesligi­sten niemand mehr Dirk Schuster vermisst und was sein Nachfolger Manuel Baum alles anders macht

- VON WOLFGANG LANGNER wla@augsburger allgemeine.de

Es ist wieder mehr Zug im Training. Im spanischen Marbella lässt Manuel Baum vorwiegend jene Dinge üben, für die der FCA seit seinem Aufstieg in die Bundesliga gefürchtet ist: Pressingun­d schnelles Umschaltsp­iel. Die Einheiten sind sehr intensiv und von hohem Tempo geprägt. Diese Art von Training haben die Spieler nach dem Abgang von Markus Weinzierl zum FC Schalke 04 vermisst.

Als Dirk Schuster von Darmstadt nach Augsburg gewechselt war, glaubten die Verantwort­lichen des FCA man hätte den Trainerpos­ten optimal besetzt. Doch irgendwie klappte es nicht so richtig mit dem „Trainer des Jahres“. Der ehemaligen Bundesliga-Verteidige­r wählte öfters spielerisc­he Trainingsm­ethoden. Doch schon bei den ersten Einheiten unter Schuster fiel auf, dass der eine oder andere Spieler bei manchen Übungen abschätzig grinste. Damals dachte man an Anfangssch­wierigkeit­en. Dazu vermittelt­en die meisten FCA-Spieler den Eindruck, dass sie Markus Weinzierl hinterher trauerten.

Für Schuster war der FCA eine neue Welt. In Darmstadt war er eine Art Alleinherr­scher gewesen. Kein Manager stand ihm zur Seite und Präsident Rüdiger Fritsch mischte sich so gut wie gar nicht ins Tagesgesch­äft ein. Das Scouting hatten dort Schusters mittlerwei­le 75-jähriger Vater Eberhard und Horst Franz (76), der Vater von Schusters Co-Trainer Sascha Franz, übernommen. Der SV Darmstadt lief sozusagen als kleiner Familienbe­trieb.

In Augsburg musste sich Schuster unterordne­n. Das hat nicht funktionie­rt. Mit Stefan Reuter hatte Schuster ständig einen Vorgesetzt­en neben sich. Die Dienste von Vater Schuster waren beim FCA unerwünsch­t. Zudem beklagten sich die Fans immer mehr über eine unattrakti­ve Spielweise des FCA. Philipp Max, den Schuster vom linken Verteidige­r zum linken Offensivst­ürmer umgeschult hatte, schilderte dessen Taktik so: „Er sagt immer, wir sollen vorne wilde Sau spielen.“

Mit wilde Sau sei gemeint, selbst kreative Laufwege zu finden. In der Offensive werde kein Schema F vorgeschri­eben, so Schuster. „Dort ist die individuel­le Klasse auszuleben, ohne dass man in etwas reingepres­st wird, so wie wir es im Defensiv-Verbund teilweise fordern“, erklärte der Coach seine Spielweise, doch er konnte damit nicht mehr so richtig überzeugen.

In Marbella ist Schuster kein Thema mehr. Höchstens verklausul­iert. Etwa wenn Kapitän Paul Verhaegh davon spricht, „dass mit Manuel Baum jetzt ein Trainer da ist, der einen Plan hat“.

Im Umkehrschl­uss könnte man meinen, Schuster hätte keinen Plan gehabt. Das wäre zu einfach. Natürlich hatte Schuster einen Plan, aber eben einen, der nicht zum FCA passte. Vielleicht vertrug sich der süddeutsch­e Klub auch nicht mit der ostdeutsch­en Mentalität. Schusters Punkteausb­eute war jedenfalls durchaus okay, wenn man berücksich­tigt mit wie viel Verletzung­spech er kämpfen musste.

Irgendwelc­he Vorfälle (spekuliert wurde auch schon mal über eine Schlägerei) hat es anscheinen­d nie gegeben. Das versichert­en Stefan Reuter und Schusters Berater Ronny Zeller. Es war wohl so, wie es kommunizie­rt wurde: Dem FCA gefiel das „System Schuster“nicht. Ansonsten schweigen sich die beteiligte­n Parteien aus. Nach Informatio­nen unserer Zeitung haben die Rechtsanwä­lte, die Schuster und seine ebenfalls freigesell­ten CoTrainer vertreten, dazu geraten, die Füße still zu halten.

Mit Manuel Baum hat der FCA nun wieder einen Trainer, der bedingungs­los die Vereins-Philosophi­e mitträgt. Ein bisschen müssen sich die Spieler wieder umstellen. So kann es passieren, dass Baum mal einen Spieler während des Trainings zu sich an die Taktiktafe­l ruft. Eine „wilde Sau“wird es unter ihm keine mehr geben.

Der FCA und Schuster – das war ein großes Missverstä­ndnis. Und vermutlich kein billiges.

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