Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Ludwig Thoma und die Frauen
Neuausgabe Wie die Augsburger Historikerin Martha Schad das Gedenken an den vor 150 Jahren geborenen Autor bereichert
Kommt Zeit, kommt Rat. Und es war ein guter Rat des Münchner Literaturarchivs Monacensia, zum 150. Geburtstag von Ludwig Thoma (1867–1921) eine „etwas andere Biografie“über den urbayerischen Autor neu herauszugeben. Es handelt sich um Martha Schads „Weiberheld und Weiberfeind. Ludwig Thoma und die Fauen“, erstmals 1995 bei Pustet (Regensburg) und jetzt also im Allitera Verlag (München) erschienen (282 S., 19,90 ¤).
Die Augsburger Historikerin und Autorin ist seit ihrer Dissertation über „Die Frauen des Hauses Fugger von der Lilie“(1989) eine mit ca. 30 Buchtiteln ausgewiesene Expertin historischer Weiblichkeit. Das reicht von „Bayerns Königinnen“(Vorlage einer vierteiligen Fernseh-Doku) über „Gottes mächtige Dienerin“, die zur Vertrauten des Papstes Pius XII. und durch Schad auch zu Filmehren aufgestiegene Nonne Pascalina, bis zu „Stalins Tochter“, die Martha Schad als US-Bürgerin Lana Peters in Wisconsin aufspürte, und zu den Frauen, mit denen Ludwig Thoma „lebte, die er liebte, verklärte, hasste und verhöhnte“, wie Schad zusammenfasst. Auch hier ging sie wieder über Archiv- und Literaturstudien hinaus und kontaktierte Nachkommen der behandelten Figuren.
Ludwig Thoma ist nicht alt geworden, starb 53-jährig an Magenkrebs. Dass er neben der Vielzahl seiner Publikationen eine so umfängliche private Korrespondenz leisten konnte, ist erstaunlich, aber auch Beleg einer Zerrissenheit, die beim Komödien-Thoma verblüffen mag. Martha Schad zählt von August 1918 bis zum August 1921 allein 814 Briefe, die Thoma seiner Geliebten Marie („Maidi“) Liebermann von Wahlendorf geschrieben hat. Die hübsche und gebildete Frankfurterin war verheiratet. Ihr gehörnter Ehemann Willy Liebermann wollte sich nicht scheiden lassen. Als er es tat, war der sich um „Maidi“verzehrende Thoma schon fünf Jahre tot. Er hatte nicht das Glück wie 1906, als er die Scheidung seiner späteren Frau Marion (eigentlich Maria Trinidad de la Rosa) von dem Maler, Schriftsteller, Ka- barettisten G. D. Schulz quasi erkaufte („Ich nahm die Frau eines Andern; weil wir uns liebten“). Als diese Verbindung mit der aus Manila stammenden Tänzerin 1911 in die Brüche ging, bezichtigte Thoma sich selbst: „Ich war in meiner Ehe ein Oberlehrer und Grantlhuber.“
Marion sah sich als die eigentliche „Witwe“Thomas. Sie starb 1967 in München. 1971 verschied die von Thoma als seine „Haupterbin“eingesetzte Maidi von Liebermann. Beide wurden gesegnete, aber bis zum Tod in tiefer Abneigung verbrachte 87 Jahre alt. Wenn Thoma schon so hartnäckig und suggestiv, wie Schad auch durch Willy Liebermanns 1936 im Exil verfasste Lebenserinnerungen belegt, um die Freigabe „seiner“Maidi kämpfte und zuvor um die Freigabe von Marion gekämpft hat, wie soll er da ein „Weiberfeind“sein? Er hat es selbst gesagt, und zwar, als er sich 1901 aus der Münchner Affäre mit einer (vermutlich verheirateten) „Frau G.“lösen konnte: „Die Sache hat mich zum Weiberfeind gemacht.“Als ein solcher erwies er sich aller- dings in abscheulicher Weise, wenn es um Pazifistinnen und Frauenrechtlerinnen wie Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, Luise Zietz oder um die dichtende „Kladerjüdin“Else Lasker-Schüler ging. Der straffällig antiautoritäre Satiriker des „Simplicissimus“war unter der Depression des endenden Weltkriegs zum Redner der „Deutschen Vaterlandspartei“und zumal im Miesbacher Anzeiger zu einem antipazifistischen, antisemitischen, antidemokratischen Hetzer geworden.
Martha Schads bereichernder Text, der mit Thomas schwieriger Kindheit und seinem Werben um die Gunst der früh verwitweten Mutter beginnt, endet mit der Geschichte der „Ludwig-Thoma-Medaille der Stadt München“. Sie wurde 1967 zum Thoma-Jubiläum erstmals verliehen und letztmals 1989. Dann, nach Erforschung der 167 „Miesbacher“Thoma-Artikel, erschien sie nicht mehr opportun. O
wird zu ihrem Thoma Buch in der heutigen „Capriccio“TV Sendung des BR um 22 Uhr befragt