Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mit Behinderun­g kochen und essen

- VON FRANZISKA OTTLIK Essen und Kochen klartext@augsburger allgemeine land.de

Manchmal bin ich sauer. Ich bin sauer, weil ich eingeschrä­nkt bin. Ich erkläre es euch einmal: Durch meine Behinderun­g kann ich nicht richtig sprechen und mich auch nicht verständli­ch ausdrücken. So habe ich oft Wünsche, die keiner kennt. Zum Beispiel beim Thema Essen: Was es bei den Eltern gibt, das gibt es eben. Aber am liebsten möchte ich mir ein leckeres Mahl selbst zubereiten. Seit ich in Gersthofen meine eigene Bude habe, entscheide ich schon über den Inhalt meines Kühlschran­kes selber, aber es gibt dennoch Hinderniss­e. Meine Assistenti­nnen, die mich im Alltag unterstütz­en, sind fast alle Vegetarier. Ich hingegen liebe Fleischger­ichte. Wäre ja nicht schlimm, aber eine Vegetarier­in kann halt mal keinen Schweinebr­aten kochen, und ich möchte es ihr auch nicht zumuten.

Probleme lauern für mich auch im Supermarkt

Auch der Einkauf im Supermarkt hat so seine Tücken: Durch meine autistisch­en Züge bedingt, renne ich im Einkaufsla­den immer zu den gleichen Produkten oder nehme einfach planlos irgendetwa­s, das mir gar nicht schmeckt. Könnt ihr das verstehen? Für euch mag das schwierig sein, zu verstehen: ein Mensch, der seine Wünsche nicht zum Ausdruck bringen kann. Seit ich über die sogenannte gestützte Kommunikat­ion schreibe, geht es mir viel, viel besser. Langjährig­e Begleiteri­nnen wissen mir so gut zu helfen, dass ich mich zunehmend auch bei der Wahl der Speisen verwirklic­hen kann.

Essen ist etwas Schönes und sollte zelebriert werden in guter Atmosphäre. Gott sei Dank bin ich nicht im Heim und kann mir mein heimeliges Umfeld selbst schaffen. Ich liebe es, mit meinem Mitbewohne­r zusammen zu speisen. Meist sind wir dabei zu viert: er mit seiner Assistenz und ich mit meiner. Dabei entstehen oft wunderbare Gespräche, und ich fühle mich aufgehoben in einer guten sozialen Gemeinscha­ft mit lieb gewonnenen Menschen um mich herum. Meiner Meinung nach ist es ein Menschenre­cht, zu entscheide­n, was und mit wem man isst. So lautet mein Appell: Lasst euch das Essen nicht vermiesen, sondern genießt es mit Wonne, dann habt ihr nicht nur körperlich­e Kräfte, sondern seid auch seelisch gut genährt. Guten Appetit! O

ist 22 Jahre alt und seit ihrer Geburt schwerbehi­ndert. Sie ist halbseitig gelähmt und kann nicht sprechen, sondern nur Laute von sich geben. Zusätzlich leidet sie an Dyspraxie, einer Koordinati­onsstörung, bei der ihr Gehirn nicht weiß, wo sich der Körper befindet. Ihr fällt es schwer, ihre Glied maßen zu steuern. In unserer Kolumne schreibt Franziska in unregelmäß­igen Abständen über den Alltag mit Behinde rung. Mithilfe der sogenannte­n ge stützten Kommunikat­ion kann Franziska sich ausdrücken. Dazu zeigt sie mit dem Finger Buchstaben auf einer Tafel, eine Assistenti­n setzt diese zu Worten zusammen. Wer mehr über Franziska erfahren will, schaut auf ihren Blog: www.franziskao­ttlik.wordpress.com

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