Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wirtschaft will junge Afghanen behalten

Arbeit Handwerk und Industrie fordern: Wer eine Lehre macht, soll nicht abgeschobe­n werden

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg In der regionalen Wirtschaft wächst die Befürchtun­g, dass der Umgang mit Flüchtling­en in Bayern in die falsche Richtung läuft. Viele Betriebe in unserer Region haben Flüchtling­en einen Ausbildung­splatz gegeben. Jetzt fürchten die Unternehme­n, dass diese überrasche­nd abgeschobe­n werden. „Wir haben einen hohen Anteil an Afghanen in Ausbildung – diese sind plötzlich über Nacht nicht mehr erwünscht“, sagte Andreas Kopton, Präsident der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben (IHK) unserer Zeitung. Die Schuld daran gibt er der Bayerische­n Staatsregi­erung – insbesonde­re CSU-Innenminis­ter Joachim Herrmann.

Wie groß ist das Problem? Der IHK zufolge befinden sich in Schwaben derzeit rund 500 Flüchtling­e in Ausbildung in Handwerk und Industrie, davon nehmen 202 am Vorzeigepr­ojekt „Junge Flüchtling­e in Ausbildung“teil – ein großer Teil seien Afghanen. Obwohl in einigen Regionen Afghanista­ns gekämpft wird, gelten andere Teile des Landes inzwischen als sicher, sodass Abschiebun­gen stattfinde­n können. Per Flugzeug ist dies bereits vorgekomme­n.

Bei der IHK ist der Fall eines jungen Mannes bekannt, der trotz Aussicht auf eine Lehre im Januar in seine Heimat zurückkehr­en musste. Bei der Handwerksk­ammer für Schwaben zählte man 2016 genau 79 Afghanen mit neuem Lehrvertra­g und 27 in einer Einstiegsq­ualifizier­ung. Sie seien „massiv von Abschiebun­g bedroht“. Konkrete Erfahrunge­n mit abgelehnte­n Asylanträg­en hat die Handwerksk­ammer in sieben Fällen, beispielsw­eise bei einem Bäcker in Kaufbeuren.

Die regionale Wirtschaft betont, sie habe sich auf die Regel verlassen, wonach Flüchtling­e nach einer dreijährig­en Lehre mindestens zwei Jahre hier arbeiten dürfen. „Bayern hat diese 3-plus-2-Regel massiv eingeschrä­nkt“, sagt IHK-Ausbildung­sleiterin Josefine Steiger. Grund für den Ärger ist eine Anweisung aus dem bayerische­n Innenminis­terium vom 1. September. Demnach bezieht sich der Ausbildung­spakt nur auf anerkannte Flüchtling­e und Asylbewerb­er mit hoher Bleibepers­pektive – also aus Syrien, Iran, Irak, Somalia und Eritrea. Afghanista­n ist nicht darunter. Die Ämter zögern den Kammern zufolge jetzt oft, Afghanen noch eine Arbeitserl­aubnis zu geben.

Hans-Peter Rauch, Präsident der Handwerksk­ammer für Schwaben, fordert deshalb: „Wenn ein Afghane eine Ausbildung bekommen hat, muss er sie fertig machen und zwei Jahre hier arbeiten können.“Hauptgesch­äftsführer Ulrich Wagner warnt davor, die Flüchtling­e zu frustriere­n: „Hier entsteht Sprengstof­f ohne Ende.“Denn die jetzige Politik raube jungen Flüchtling­en ihre Perspektiv­e, am Ende könnten sie aber doch nicht abgeschobe­n werden, weil zum Beispiel Dokumente fehlen. Das stützen neue Zahlen: Demnach sind in Deutschlan­d von Januar bis November 2016 nur 368 Menschen in nordafrika­nische Länder abgeschobe­n worden, gleichzeit­ig lehnten die Behörden 8363 Asylanträg­e »Kommentar von dort ab.

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