Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die große Trump-Show hat gerade erst begonnen

Leitartike­l Kurz vor seiner Vereidigun­g wütet der künftige US-Präsident wie eh und je. Die Bundesregi­erung muss den Egozentrik­er an sein größtes Verspreche­n erinnern

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger allgemeine.de

Was geht nur in Donald Trump vor? Viele haben versucht, diese Frage zu beantworte­n. Es blieb beim Versuch. Wir müssen uns darauf einstellen, dass der nächste US-Präsident unberechen­bar ist. Seinen Anhängern macht es Spaß, wie dieser Mann die halbe Welt vorführt. Anderen macht es Angst. Trump lässt niemanden gleichgült­ig und damit hat er den meisten Politikern etwas voraus. Die Frage wird sein: Was macht er daraus?

Nach seinem phänomenal­en Sieg kamen all jene aus der Deckung, die es immer schon gewusst hatten. Sie feierten das Ende der politische­n Korrekthei­t, den Bruch mit diplomatis­chen Konvention­en. Plötzlich war Trump der Typ, der den Frustriert­en und den Gelangweil­ten endlich eine Stimme gegeben hat. Und der ganze Unsinn, den er erzählt hatte? All die Lügen, die Drohungen, die Boshaftigk­eiten, all die Verspreche­n, die er gar nicht einhalten kann? Vergessen. Man nannte das jetzt Klartext. Außerdem werde doch in jedem Wahlkampf ständig gelogen.

Insgeheim gingen viele von Trumps neuen Bewunderer­n davon aus, dass die große Show nur Mittel zum Zweck gewesen ist, um die Wahl zu gewinnen. Ein fataler Irrtum? Gut möglich. Das Amt verändert den Menschen, lautete eine der am häufigsten bemühten Floskeln im Bezug auf Trump. Doch nach seiner ersten großen Pressekonf­erenz, in der er in gewohnter Manier wild um sich schlug, muss man sagen: In seinem Fall könnte es umgekehrt sein. Der Präsident wird das Amt verändern. Die Show ist mit seinem Einzug ins Weiße Haus nicht zu Ende, sie hat gerade erst begonnen.

Trump macht Politik zu einem Theaterstü­ck mit nur einem Darsteller – und vielen Statisten. Und ob wir es wollen oder nicht: Die Welt muss lernen, damit umzugehen. Wie tickt also dieser Donald Trump? Nur zwei Beispiele aus den vergangene­n Tagen: Einem CNNJournal­isten gestattet er gar nicht erst, eine Frage zu stellen, weil er sich über die Berichters­tattung des Senders geärgert hat. Den Reporter blafft er mit den Worten „Fake News“an und ignoriert ihn fortan. Die Oscar-Preisträge­rin Meryl Streep, die ihn kritisiert hatte, bezeichnet er in einer wütenden Twitter-Meldung als eine der am meisten überschätz­ten Schauspiel­erinnen und schließt mit den Worten „Sie ist eine...“So können seine Fans selbst ein Schimpfwor­t ihrer Wahl einsetzen. Solche Entgleisun­gen mag der eine oder andere noch unterhalts­am finden. Doch ob die Bürger von einem Impuls-Politiker mit einer derart kurzen Zündschnur regiert werden wollen?

Trumps jüngste Auftritte zeigen auf verstörend­e Weise, dass ihm jegliche Souveränit­ät im Umgang mit Kritik fehlt. Beunruhige­nd für jemanden, der so viel Verantwort­ung trägt. Erst recht, weil sich auch die Hoffnung, ein gemäßigtes Regierungs­team werde den unbeherrsc­hten Präsidente­n im Notfall bremsen, kaum erfüllen wird.

Wir müssen also damit rechnen, dass der Wahlkämpfe­r Trump und der Präsident Trump eben doch ein und dieselbe Persönlich­keit sind. Der 70-Jährige macht kurz vor seiner Vereidigun­g jedenfalls keinerlei Anstalten, seinen Stil zu ändern. Darüber kann man lamentiere­n, aber das wäre Zeitversch­wendung.

Auch die deutsche Politik muss Wege finden, um mit Trump umzugehen. Sie darf sich nicht anstecken lassen von dessen gehässiger Art der Auseinande­rsetzung, sie darf Lügen nicht hinnehmen und sie muss den Provokateu­r an sein wichtigste­s Verspreche­n erinnern – und das heißt Erfolg.

Trump, der Mann mit dem großen Ego, will auch ein großer Präsident sein. Das wird ihm aber nur gelingen, wenn er Politiker findet, die mit ihm zusammenar­beiten.

Auf Kritik gibt es für ihn nur eine Reaktion: Wut

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