Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Die große Trump-Show hat gerade erst begonnen
Leitartikel Kurz vor seiner Vereidigung wütet der künftige US-Präsident wie eh und je. Die Bundesregierung muss den Egozentriker an sein größtes Versprechen erinnern
Was geht nur in Donald Trump vor? Viele haben versucht, diese Frage zu beantworten. Es blieb beim Versuch. Wir müssen uns darauf einstellen, dass der nächste US-Präsident unberechenbar ist. Seinen Anhängern macht es Spaß, wie dieser Mann die halbe Welt vorführt. Anderen macht es Angst. Trump lässt niemanden gleichgültig und damit hat er den meisten Politikern etwas voraus. Die Frage wird sein: Was macht er daraus?
Nach seinem phänomenalen Sieg kamen all jene aus der Deckung, die es immer schon gewusst hatten. Sie feierten das Ende der politischen Korrektheit, den Bruch mit diplomatischen Konventionen. Plötzlich war Trump der Typ, der den Frustrierten und den Gelangweilten endlich eine Stimme gegeben hat. Und der ganze Unsinn, den er erzählt hatte? All die Lügen, die Drohungen, die Boshaftigkeiten, all die Versprechen, die er gar nicht einhalten kann? Vergessen. Man nannte das jetzt Klartext. Außerdem werde doch in jedem Wahlkampf ständig gelogen.
Insgeheim gingen viele von Trumps neuen Bewunderern davon aus, dass die große Show nur Mittel zum Zweck gewesen ist, um die Wahl zu gewinnen. Ein fataler Irrtum? Gut möglich. Das Amt verändert den Menschen, lautete eine der am häufigsten bemühten Floskeln im Bezug auf Trump. Doch nach seiner ersten großen Pressekonferenz, in der er in gewohnter Manier wild um sich schlug, muss man sagen: In seinem Fall könnte es umgekehrt sein. Der Präsident wird das Amt verändern. Die Show ist mit seinem Einzug ins Weiße Haus nicht zu Ende, sie hat gerade erst begonnen.
Trump macht Politik zu einem Theaterstück mit nur einem Darsteller – und vielen Statisten. Und ob wir es wollen oder nicht: Die Welt muss lernen, damit umzugehen. Wie tickt also dieser Donald Trump? Nur zwei Beispiele aus den vergangenen Tagen: Einem CNNJournalisten gestattet er gar nicht erst, eine Frage zu stellen, weil er sich über die Berichterstattung des Senders geärgert hat. Den Reporter blafft er mit den Worten „Fake News“an und ignoriert ihn fortan. Die Oscar-Preisträgerin Meryl Streep, die ihn kritisiert hatte, bezeichnet er in einer wütenden Twitter-Meldung als eine der am meisten überschätzten Schauspielerinnen und schließt mit den Worten „Sie ist eine...“So können seine Fans selbst ein Schimpfwort ihrer Wahl einsetzen. Solche Entgleisungen mag der eine oder andere noch unterhaltsam finden. Doch ob die Bürger von einem Impuls-Politiker mit einer derart kurzen Zündschnur regiert werden wollen?
Trumps jüngste Auftritte zeigen auf verstörende Weise, dass ihm jegliche Souveränität im Umgang mit Kritik fehlt. Beunruhigend für jemanden, der so viel Verantwortung trägt. Erst recht, weil sich auch die Hoffnung, ein gemäßigtes Regierungsteam werde den unbeherrschten Präsidenten im Notfall bremsen, kaum erfüllen wird.
Wir müssen also damit rechnen, dass der Wahlkämpfer Trump und der Präsident Trump eben doch ein und dieselbe Persönlichkeit sind. Der 70-Jährige macht kurz vor seiner Vereidigung jedenfalls keinerlei Anstalten, seinen Stil zu ändern. Darüber kann man lamentieren, aber das wäre Zeitverschwendung.
Auch die deutsche Politik muss Wege finden, um mit Trump umzugehen. Sie darf sich nicht anstecken lassen von dessen gehässiger Art der Auseinandersetzung, sie darf Lügen nicht hinnehmen und sie muss den Provokateur an sein wichtigstes Versprechen erinnern – und das heißt Erfolg.
Trump, der Mann mit dem großen Ego, will auch ein großer Präsident sein. Das wird ihm aber nur gelingen, wenn er Politiker findet, die mit ihm zusammenarbeiten.
Auf Kritik gibt es für ihn nur eine Reaktion: Wut