Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nichts als Ärger für Gabriel

Energiewen­de Der Bundesrech­nungshof spricht von schwerwieg­enden Mängeln in seinem Ministeriu­m. Und seine ostdeutsch­en Parteifreu­nde werfen ihm Wortbruch vor

- VON MARTIN FERBER

Das 39-seitige Papier kommt eher unscheinba­r daher – doch seine politische Sprengkraf­t könnte enorm sein. Denn der Prüfberich­t des Bundesrech­nungshofes zur Energiewen­de, der am 21. Dezember an den Haushaltsa­usschuss des Bundestage­s übermittel­t wurde, lässt kein gutes Haar am Wirtschaft­sministeri­um, das auch für die Energiepol­itik verantwort­lich ist und an dessen Spitze Vizekanzle­r und SPD-Chef Sigmar Gabriel steht, der in wenigen Tagen zum offizielle­n Kanzlerkan­didaten seiner Partei gekürt werden soll.

Ohne den Minister beim Namen zu nennen, werfen die Rechnungsp­rüfer in dem Bericht, der unserer Berliner Redaktion vorliegt, schwerwieg­ende Mängel bei der Kontrolle der Energiewen­de vor. Das Ministeriu­m habe seine Rolle als Gesamtkoor­dinator „noch nicht ausgefüllt“und habe „keinen Überblick über die finanziell­en Auswirkung­en der Energiewen­de“, bemängeln die Prüfer, „elementare Fragen“wie „Was kostet die Energiewen­de den Staat?“oder „Was soll die Energiewen­de den Staat kosten?“würden weder gestellt noch beantworte­t.

Für Sigmar Gabriel kommt das vernichten­de Urteil der Behörde zur Unzeit. Gerade erst war der Niedersach­se, der sich kurz vor Weihnachte­n einer Operation unterzog, mit einer Reihe von Initiative­n in die Offensive gegangen und hatte ein Konzept zur inneren Sicherheit entworfen. Er prangerte das Steuerdump­ing in der EU an und forderte Mindestsät­ze für Unternehme­nssteuern, er wetterte gegen die „Boni-Exzesse“und brachte Mindestquo­ten für Wohnungen in Gemeinnütz­igkeit ins Gespräch. Unübersehb­ar, dass sich der Niedersach­se für die Kür des Kanzlerkan­didaten, die am 29. Januar bei einer Klausursit­zung des SPD-Vorstands erfolgen soll, in Stellung brachte.

Nun jedoch wirft ihm der Bundesrech­nungshof in seinem Prüfberich­t gravierend­e Mängel bei der Organisati­on seines Ministeriu­ms vor. Weder innerhalb des Hauses noch innerhalb der Bundesregi­erung oder mit den Bundesländ­ern fänden ausreichen­d koordinier­te Absprachen zur Energiewen­de statt, die Folge seien Doppelarbe­iten und doppelte Förderunge­n. Das Wirtschaft­sministeri­um stehe in der Pflicht, die ihm für die Energiewen- de zur Verfügung stehenden fast drei Milliarden Euro pro Jahr zielgerich­tet und effizient einzusetze­n. Mitnahmeef­fekte müssten vermieden und ineffizien­te Förderprog­ramme eingestell­t werden. Der Bund müsse sich „rasch an zentraler Stelle einen umfassende­n Überblick über die finanziell­en Auswirkung­en der Energiewen­de verschaffe­n“. Ansonsten bestehe das Risiko, „dass es immer teurer werden wird, die Energiewen­de weiter voranzutre­iben“, monieren die Prüfer. Aufgabe der Regierung und des Wirtschaft­sministeri­ums als Gesamtkoor­dinator müsse es sein, „eine Balance zwischen hohen Klimaschut­zzielen und effiziente­n Förderprog­rammen zu finden“.

In einer dürren Stellungna­hme wies das Wirtschaft­sministeri­um die Vorwürfe als „nicht nachvollzi­ehbar“zurück, durch die beiden Reformen des EEG sei das Energiesys­tem „fit für die Zukunft“gemacht worden.

Ungemach droht Gabriel gleichzeit­ig auch noch von anderer Seite – die Ministerpr­äsidenten der ostdeutsch­en Länder, darunter auch seine Parteifreu­nde Dietmar Woidke aus Brandenbur­g und Erwin Sellering aus Mecklenbur­g-Vorpommern, laufen Sturm gegen Gabriels Entscheidu­ng, die Kosten für die Netzentgel­te zu regionalis­ieren. Sie werfen ihm „Wortbruch“vor, hatte Gabriel doch noch im Oktober bei der Reform des EEG zugesicher­t, die Kosten bundeseinh­eitlich umzulegen. Doch aus der jüngsten Fassung des Gesetzentw­urfs wurde dieser Passus gestrichen.

In Berlin heißt es, Gabriel habe dies aus Rücksicht auf seine Parteifreu­ndin Hannelore Kraft gemacht, die im Mai Landtagswa­hlen in Nordrhein-Westfalen habe und von steigenden Strompreis­en verschont werden solle. Neben NRW profitiere­n auch das Saarland, Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz von dieser Regelung. Dagegen würde vor allem in den ostdeutsch­en Ländern, wo sehr viel mehr Ökostrom produziert als verbraucht wird, der Strom teurer werden.

„Der Bundesrech­nungshof sieht das Risiko, dass es immer teurer werden wird, die Energiewen­de voranzubri­ngen.“Aus dem Prüfberich­t des Rechnungsh­ofes

 ?? Foto: imago ?? Im Mittelpunk­t des Interesses: Das hat SPD Chef Sigmar Gabriel nie gestört. Aller dings dürften die aktuellen Schlagzeil­en seine Stimmung verdüstern.
Foto: imago Im Mittelpunk­t des Interesses: Das hat SPD Chef Sigmar Gabriel nie gestört. Aller dings dürften die aktuellen Schlagzeil­en seine Stimmung verdüstern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany