Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Noch mehr Geld für Afrika?
Abschiebe-Streit: CSU lehnt Sanktionen ab
Gerd Müller ist ein Mann, der überall mit offenen Armen empfangen wird. Ob er nach Tunesien kommt, nach Mali, in den Irak oder nach Afghanistan: Mit einem Etat von gut acht Milliarden Euro im Jahr gehört der CSU-Minister aus dem Allgäu zu den einflussreichsten Entwicklungspolitikern der Welt. Entsprechend selbstbewusst tritt er in der Diskussion über den Umgang mit Staaten auf, die keine abgelehnten Asylbewerber aus Deutschland zurücknehmen. „Für Russland“, hat er SPD-Chef Sigmar Gabriel erst gestern beim Neujahrsempfang in Schloss Bellevue angepflaumt, „sollen wir die Sanktionen jetzt aufheben – und für Ägypten und Tunesien willst du welche einführen?“
Ländern, die nicht kooperieren, mit dem Kürzen der Entwicklungshilfe zu drohen, sei kontraproduktiv, warnt Müller im Gespräch mit unserer Zeitung. In Tunesien zum Beispiel fließe das Geld aus der Bundesrepublik vor allem in die Schulen des Landes, in die Berufsausbildung und den ländlichen Raum. „Wenn ich das jetzt kippe, gibt es dann weniger Probleme – oder mehr?“Unausgesprochen schwingt darin die Sorge mit, dass das Zusammenstreichen solcher Hilfen in einem wirtschaftlichen Kollaps endet und noch mehr junge Menschen sich entschließen, ihr Glück in Deutschland zu versuchen. Grünen-Chef Cem Özdemir sieht das ähnlich. Der Ruf nach Sanktionen, sagt auch er, sei „kein durchdachter Vorschlag“.
Aus Müllers Perspektive sind das Problem nicht die nordafrikanischen Staaten: 54000 abgelehnte Asylbewerber, rechnet er vor, lebten im Moment ohne Duldung in Deutschland, müssten also streng genommen sofort ausgewiesen werden. Davon jedoch stammten nicht einmal 2000 aus Marokko oder Tunesien, der Rest komme vor allem aus dem Kosovo, aus Mazedonien, Serbien und Albanien. Außerdem bestehen Länder wie Tunesien bei einer Abschiebung auf einem Fingerabdruck oder einem vergleichbar sicheren Nachweis, dass es sich tatsächlich um einen Tunesier handelt. Noch allerdings sind längst nicht alle Flüchtlinge in Deutschland zweifelsfrei identifiziert.
Vorschläge, wie der von Gabriel, seien „kurzsichtig“, heißt es in einem Positionspapier des Ministeriums. „Wir müssen stattdessen noch stärker in die Herkunfts- und Aufnahmeländer investieren.“Dazu komme, dass Tunesien und Marokko ihre Grenzen zuverlässig sicherten und ein Land wie Ägypten selbst bereits drei Millionen Flüchtlinge aufgenommen habe. Parteichef Horst Seehofer weiß der Entwicklungsminister dabei hinter sich. In der kommenden Woche stellt Müller in dessen Auftrag einen neuen Hilfspakt für Afrika vor.
Der Wirtschaftsminister will Hilfen kürzen