Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Was die gute Konjunktur gefährdet

Arbeit Den Unternehme­n in unserer Region geht es hervorrage­nd. Doch die regionalen Wirtschaft­svertreter warnen, dass bald die Arbeitnehm­er ausgehen

- VON MICHAEL KERLER

Stellt man sich die Konjunktur in Deutschlan­d mit ihrem Auf und Ab wie eine Achterbahn­fahrt vor, so fährt der Wagen derzeit nach oben. Die Wirtschaft in Deutschlan­d ist im Jahr 2016 so stark gewachsen wie seit fünf Jahren nicht mehr. Sie legte im Vergleich zum Vorjahr um 1,9 Prozent zu, wie das Statistisc­he Bundesamt am Donnerstag mitteilte. Dies gilt auch für unsere Region: „Wir stehen nach wie vor hervorrage­nd da“, sagt Andreas Kopton, Präsident der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben, der zusammen mit seinem Kollegen Hans-Peter Rauch von der Handwerksk­ammer für Schwaben gestern Gast unserer Redaktion war. In einer Umfrage der IHK berichten mehr als die Hälfte der Unternehme­n in Schwaben, dass es ihnen sehr gut gehe. Das verspricht vielen Arbeitnehm­ern sichere Arbeitsplä­tze.

Doch die Wirtschaft­svertreter warnen, dass der Aufschwung keine Selbstvers­tändlichke­it sei. Vor allem Bundes- und Landesregi­erung kritisiere­n sie für zu zögerliche­s Handeln. So gebe es mehrere Punkte, die den Aufschwung gefährden. ● Ein Risiko ist die Wahl von Donald Trump zum USPräsiden­ten. „Konjunktur ist min- destens zu 50 Prozent Stimmung – und Stimmung macht derzeit Trump“, meint IHK-Präsident Kopton. Und zwar keine gute. „Das kann alles kommen, was Trump sagt“, meint Kopton. „Dann wird das unsere Wirtschaft belasten.“Das Problem: Die USA sind Bayerns Exportland Nummer eins. ● Für Industrie und Handwerk ist zudem Europa wichtig. Regionale Betriebe bekommen Aufträge auch aus dem Ausland. Ein Auseinande­rfallen der Europäisch­en Union, wie es der Austritt Großbritan­niens befürchten lässt, brächte deshalb „viele Schwierigk­eiten“, sagt Handwerks-Präsident Rauch. Dass es gelingt, „in Europa Ordnung zu schaffen, die EU nicht zu gefährden und Großbritan­nien nicht ins Abseits zu stellen“, gehört des- halb für Industrie-Chef Kopton zu den wichtigen Aufgaben der Politik. ● Niedrige Zinsen und der Konsum kurbeln derzeit die Konjunktur an, der Bau boomt. Und die Wirtschaft in unserer Region könnte noch mehr brummen, wenn es genügend Fachkräfte gäbe, um die Aufträge annehmen zu können, meint Handwerks-Chef Rauch. Das Problem sei, dass Fachkräfte fehlen, weil viele junge Menschen auf das Gymnasium und dann die Universitä­t streben. Handwerk und Industrie raten Eltern und jungen Leuten deshalb zu einer Rückbesinn­ung auf die Ausbildung: „Karriere lässt sich auch mit einer Ausbildung machen – eventuell mit einem besseren Einkommen.“Eine Lehre sei besser, als viele „arbeitslos­e Bachelors“zu haben. Von der bayerische­n Bildungspo­litik fordert Rauch mehr Unterstütz­ung – zum Beispiel in Form verpflicht­ender Praktika oder einer Berufsinfo­rmation für Gymnasiast­en über die Lehrberufe. „Die Kultuspoli­tik ist zu sehr danach ausgericht­et, Abiturient­en und Studenten zu generieren“, kritisiert Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer. ● Zu viele Formulare, rigide Kontrollen – Handwerk und Industrie ächzen unter zu viel Bürokratie, berichten die beiden Kammern. Dies schrecke viele junge Menschen ab: Sie machen sich nicht mehr selbststän­dig. ● Auch steigende Energiepre­ise halten Unternehme­n in der Industrie davon ab, in der Region zu investiere­n, berichtet IHKPräside­nt Kopton. Die Industrieu­nd Handelskam­mer fordert deshalb die Abschaffun­g der Ökostrom-Umlage. ● Dieses Jahr steht die Bundestags­wahl an, 2018 die Landtagswa­hl in Bayern. Die Wirtschaft­svertreter befürchten deshalb Stillstand. Der Staat müsse aber seine „Hausaufgab­en“machen, mahnen sie. „Vor allem hoffe ich, dass CSU und CDU ihre ständige Streiterei beenden, bevor es eskaliert“, sagt Industrie-Chef Kopton.

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Foto: Ulrich Wagner Ein Unternehme­n, das den Aufschwung in unserer Region vorantreib­t: der Augsbur ger Roboterher­steller Kuka und sein neues Technologi­ezentrum.

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