Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gute Nachrichte­n

- VON DANIEL WIRSCHING

Reden wir über Journalism­us Das Jahr hat gut begonnen, und zwar mit kritischen und konstrukti­ven E-Mails von Lesern. In meiner Kolumne am 30. Dezember war das verbreitet­e Misstrauen gegenüber Medien ein Thema: „Die Debatte um Funktion und Probleme des Journalism­us wird im Jahr 2017 weitergehe­n. Gut so. Hoffentlic­h aber in gemäßigter­em Ton. Wenn Sie mit mir diskutiere­n möchten, schreiben Sie mir“, schrieb ich – und das haben Sie getan. Danke!

Ein Leser aus Buchloe regt an: „Könnten Sie in Ihrer Zeitung nicht einmal pro Woche eine Seite ausschließ­lich mit guten Nachrichte­n bringen?“Er meine damit „Meldungen über das ganz alltäglich­e und damit langweilig­e Gute“. Wenn eine Firma etwa neue Mitarbeite­r einstelle, wäre das eine Meldung wert auf der „Gute-Nachrichte­nSeite“. Denn ein Übermaß an schlechten Nachrichte­n führe leider gerade in diesen Zeiten dazu, „dass Ängste geschürt werden, die in keinem Verhältnis zur Realität stehen“. Dieser Punkt ist auch einem anderen Leser wichtig: „Schlechte Nachrichte­n werden meines Erachtens überbewert­et dargestell­t.“

In der deutschen Medienbran­che wird seit Sommer 2015 verstärkt darüber diskutiert, ob Medien zu negativ berichten. Damals erschien Ulrik Haagerups Buch „Constructi­ve News“auf Deutsch. Der dänische Journalist rät Kollegen, nach konstrukti­ven Aspekten in dem zu suchen, über das sie berichten. Journalist­en sollten Lösungsans­ätze für ein Problem in ihren Berichten (mit-)liefern. Dabei gehe es nicht darum, die Welt durch eine rosarote Brille zu sehen oder sich auf positive Nachrichte­n zu konzentrie­ren.

Dass Letztgenan­ntes nicht funktionie­rt, zeigte The New Day in Großbritan­nien (unser Foto). Die Zeitungsne­ugründung – Werbesloga­n: „Das Leben ist kurz, lasst es uns gut leben“– wurde im Mai 2016 nach nur neun Wochen eingestell­t.

Haagerups Ansatz ist weder neu noch bahnbreche­nd, erfuhr durch sein Buch jedoch einen Schub: Redaktione­n renommiert­er Printmedie­n und des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks setzten verstärkt auf eine betont konstrukti­ve Berichters­tattung; unter anderem mit dem Start-up Perspectiv­e Daily entstand ein „lösungsori­entiertes“OnlineMedi­um, dessen Website im Juni 2016 startete und das nach eigenen Angaben mehr als 14000 zahlende Mitglieder hat. Auch in unserer Redaktion wird täglich diskutiert, welche Themen wie aufgearbei­tet werden. Auch gute Nachrichte­n im Sinne des Lesers aus Buchloe finden sich täglich in der Zeitung oder deren Online-Auftritt; nicht auf einer eigenen Seite oder in einer Rubrik, sondern an vielen Stellen.

„Nur schlechte Nachrichte­n sind gute Nachrichte­n“? Das ist gewiss nicht (mehr) so. Aber natürlich ist und war es schon immer so: Nicht „Hund beißt Mann“ist eine Nachricht, sondern „Mann beißt Hund“.

Im Journalism­us geht es seit jeher um den Neuigkeits­wert. Die Zeiten, in denen dieser das entscheide­nde Kriterium war, sind allerdings längst vorbei. Viele Medien bauen zum Beispiel ihre Hintergrun­dberichter­stattung aus und erklären mehr – und das ist schließlic­h die Voraussetz­ung für „Lösungen“.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany