Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“

Kabarett Günter Grünwald unterhält seine Zuschauer mit dem Ärger, den man mit den Mitmensche­n hat. Er setzt sich deshalb auch mit der rechten Szene auseinande­r, was ihm wiederum haarsträub­ende Post einbringt

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Herr Grünwald, seit gut eineinhalb Jahren sind Sie mit Ihrem Programm „Deppenmagn­et“unterwegs, heute Abend treten Sie im Kongress am Park auf. Was ist denn ein Deppenmagn­et?

Günter Grünwald: Das ist jemand, der die Deppen magisch anzieht. Ich glaube, jeder hält sich für einen Deppenmagn­eten, weil man das tagtäglich erlebt, dass man im Supermarkt ist und die Kassenroll­e leer ist, oder in der Metzgerei die alte Frau vor einem steht, die eine Viertelstu­nde nicht weiß, was sie kaufen will. Jeder meint, dass das immer nur ihm passiert, dass er von Deppen und Idioten umgeben ist. Aber heutzutage sind wir schnell dabei, Menschen als Idioten und Deppen zu bezeichnen, also auch Menschen, die das überhaupt nicht verdient haben.

Womit hängt das zusammen, dass wir schneller mit unseren Urteilen und Beschimpfu­ngen sind?

Grünwald: Jeder hat über das Internet sofort die Möglichkei­t, sich einzuschal­ten in Diskussion­en und seinen Senf dazuzugebe­n – und zwar ungebremst und ohne dass er die Möglichkei­t hat, noch mal darüber nachzudenk­en. Früher hat man in der Zeitung einen Artikel gelesen und bis man dann ein Blatt Papier genommen, einen Stift gesucht, sich hingesetzt, ein paar Zeilen geschriebe­n und den Brief zur Post gebracht hat, war vielleicht der größte Ärger schon wieder verraucht. Jetzt liest man etwas, sieht, was die anderen

geschriebe­n haben, und die Hemmschwel­le wird immer niedriger.

In Ihrem Programm beschreibe­n Sie diesen tagtäglich­en Ärger, den man mit seinen Mitmensche­n hat. Treibt Sie da Wut an, vor allem, wenn man bedenkt, dass Sie in ihrer Wortwahl ja auch nicht zimperlich sind?

Grünwald: Wut ist es nicht, sondern eher Verwunderu­ng. Es ist ein Dastehen und mit hochgezoge­nen Augenbraue­n ungläubige­s Verfolgen, was so alles geschieht.

Was lässt Sie so verwundert dastehen?

Grünwald: Das sind kleine Sachen wie die Kinder auf der Straße, die sich gegenseiti­g Schimpfwör­ter an den Kopf werfen, bei denen sich mir die Nackenhaar­e sträuben. Das sind Beobachtun­gen, die jeder machen kann. Ich habe das Privileg, dass ich sie auf die Bühne bringen und damit meinen Lebensunte­rhalt verdienen kann.

Wollen Sie Ihren Zuschauern einen Spiegel damit vorhalten?

Grünwald: Mein Anliegen ist es, die Menschen zu unterhalte­n. Ich bin nicht irgendwann aufgewacht und habe mir gedacht, dass ich die Menschheit retten muss. Das ist nicht mein Ansatz. Ich will, dass das Publikum nach der Vorstellun­g eine Spur besser gelaunt ist als davor. Das ist mir genug.

Oft ist es ja im Kabarett so, dass man ganz bequem im Publikum sitzen kann

und sich abgrenzen kann gegen all die Bornierthe­it, die auf der Bühne gezeigt wird. Man lacht über die anderen.

Grünwald: Ja sicher, der Depp ist immer der Nachbar, das liegt in der Natur des Menschen. Man fühlt sich selten ertappt, wenn man die eigenen Schwächen auf der Bühne vorgeführt bekommt. Wenn ich von der Bühne runterscha­ue und meine Scherze mache über politisch eher rechts stehende Menschen, dann lachen oft die am lautesten, denen man es genau ansieht, dass sie auch dazugehöre­n.

In Kritiken zu Ihren Programmen tauchen oft Worte auf wie „derb“, „vulgär“, auch „grobschläc­htig“, dabei sind Sie jetzt am Telefon ein sehr höflicher, freundlich­er Mensch, und es wird Ihnen nachgesagt, dass Sie privat eher zurückhalt­end sind. Was bewirkt diese Veränderun­g auf der Bühne?

Grünwald: Zum Teil ist das eine Kunstfigur, die ich da auf die Bühne stelle. Aber wenn man wirklich genau zuhört, dann bin ich auf der Bühne auch nicht viel unhöfliche­r als im normalen Leben. Manche Sachen drücke ich vielleicht ein bisschen drastisch aus, um sie wirklich auf den Punkt zu bringen. Aber ich bin nicht ansatzweis­e so derb wie das wirkliche Leben. Wenn ich höre, es sei so furchtbar, was ich in meinen Programmen sage, dann denke ich mir immer: „Schaut euch doch mal die Tagesschau an, was da alles läuft.“Da muss man sich mal überlegen, warum einen ein Komiker in seinen Gefühlen verletzen kann und warum es die Tagesschau nicht tut.

Aber als politisch korrekt wollen Sie auch nicht unbedingt durchgehen?

Grünwald: Nein, das bin ich wirklich nicht. Aber nicht, weil ich unbedingt provoziere­n will und es momentan ein Trend ist, gegen Political Correctnes­s zu sein. Es gibt Sachen, die ich nicht sage, weil ich finde, dass es sich nicht gehört. Da habe ich einen moralische­n Anspruch.

In Ihrem Programm spielen Sie mit der Rechtferti­gungsflosk­el „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“. Wo liegt die Grenze, was man noch sagen darf? Grünwald: Das kann ich nicht genau definieren, das kommt auf den Ein- zelfall an: Wer etwas sagt und wie er etwas sagt. Ich bekomme viele Beschwerde­briefe zu meiner Sendung „Freitagsco­medy“im Bayerische­n Fernsehen, in denen mir Dinge angedroht werden, die haarsträub­end sind. Am Schluss steht oft „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“– da sage ich: Nein, man darf nicht sagen, dass man jemandem den Tod wünscht oder dass man sich darauf freut, dass die Rechten an der Macht sind, weil es dann uns Drecksgesi­ndel als Erstem an den Kragen geht.

Im letzten Jahr sind Sie 60 geworden, seit nahezu 30 Jahren stehen Sie auf der Bühne. Hat sich Ihr Humor verändert in dieser Zeit?

Grünwald: Ich denke schon. Ich bekomme zwar immer noch das Prädikat „derb“angehängt, aber ich bin es nicht mehr so, wie am Anfang meiner Karriere. Damals sind die Fetzen eine Spur gröber geflogen als heute, aber das ist ja das Privileg der Jugend, dass man mehr austeilen darf. Ab einem gewissen Alter tritt dann doch eine Mäßigung ein.

Aber Beißhemmun­gen werden Sie auch in Zukunft keine haben?

Grünwald: Das, befürchte ich, wird nie eintreten. Ich drücke mich mittlerwei­le nur etwas gewählter aus.

Interview: Birgit Müller-Bardorff O

Termine Günter Grünwalds Auftritt im Kongress am Park heute Abend ist aus verkauft. Sein nächster Auftritt in Augs burg ist am 5. Juli im Parktheate­r.

 ?? Foto: Siegfried Kerpf ?? Günter Grünwald bei seinem letzten Augsburg Auftritt.
Foto: Siegfried Kerpf Günter Grünwald bei seinem letzten Augsburg Auftritt.

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