Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Schlauch reguliert die Paar

Hochwasser­schutz Das neue Schlauchwe­hr am Fluss in Aichach hat eine Lebensdaue­r von 40 Jahren. Die Technik ist „simpel und fasziniere­nd“und wurde in Kalifornie­n erfunden. Was das Besondere daran ist

- VON JOHANN EIBL

Ein großer Vorteil: Da kann gar nichts rosten

Der Schutz vor Hochwasser ist wichtig, sehr wichtig. Gerade in den vergangene­n Jahren zeigte sich oft genug, dass nicht nur an der Donau oder an reißenden Flüssen, sondern auch in der Region Augsburg Handlungsb­edarf besteht. Beispielsw­eise in Aichach an der Paar. Solche Maßnahmen sind mit enormem Aufwand verbunden. Das gesamte Projekt Hochwasser­schutz kostet neun Millionen Euro, allein 1,5 Millionen Euro davon fließen in den Bauabschni­tt drei, der jetzt weitgehend fertiggest­ellt wurde und in dessen Mittelpunk­t ein sogenannte­s Schlauchwe­hr steht.

Viele Hürden waren zu überspring­en, etwa beim Erwerb von Grundstück­en. Bei der Inbetriebn­ahme der neuen Anlage konnte Aichachs Bürgermeis­ter Klaus Habermann dennoch festhalten: „Es hat sich in jedem Fall mehr als gelohnt.“Dass man bei diesem Projekt keinesfall­s von Luxus reden kann, das wurde auch schon während der Arbeiten deutlich. „Wir hatten zweimal mittleres Hochwasser“, berichtete Konrad Schörger vom Wasserwirt­schaftsamt in Donauwörth, der als Projektlei­ter fungiert. Er wird sicher noch einige Male in Aichach nach dem Rechten sehen. Das Projekt Hochwasser­schutz insgesamt soll Mitte 2017 weitgehend fertig sein.

Das neue Schlauchwe­hr an der Aktienkuns­tmühle reguliert nun die Wassermeng­e, die das Wehr am daneben liegenden Kraftwerk vorbei passiert. Dafür ist ein riesiger Schlauch zuständig, der an der Sohle und an den Seitenwänd­en montiert wurde und mit Wasser gefüllt ist. Der Schlauch hat einen Durchmesse­r von 2,5 Meter und eine Länge von acht Metern, im Normalzust­and fasst er 48 Kubikmeter Wasser. Wenn der Wasserspie­gel an der Paar so stark ansteigt, dass mit Hochwasser zu rechnen ist, und mit all den höchst unangenehm­en Folgen, so wird Wasser aus dem Schlauch abgelassen. Auf diese Weise wird der Durchmesse­r des Schlauches geringer, mehr Wasser kann das Wehr passieren und der für den Hochwasser­fall gedachte parallele Flutkanal in Aichach wird entlastet.

Wenn sich der entleerte Schlauch senkt, dann können auch Hochwasser­schäden am Wehr (beispielsw­eise durch mittreiben­de Bäume) weitestgeh­end vermieden werden. Der Vorteil von Schlauchwe­hren gegenüber höhenverst­ellbaren Wehren liegt auch in der vergleichs­weise einfachen Konstrukti­onsweise und dem geringen Wartungsau­fwand. Ein Schlauchwe­hr kommt ohne komplexe und teure Antriebste­chnologie (Hydraulikz­ylinder oder Kettenantr­iebe) sowie Lager aus. Auch ein aufwendige­s Fundament ist nicht notwendig.

Diese Vorteile und der Zugewinn an Sicherheit hatten dazu geführt, dass sich das Wasserwirt­schaftsamt in Donauwörth und die Stadt Aichach für diese Variante entschiede­n. Bisher kamen an der Aktienmühl­e in der Sekunde zwischen drei und fünf Kubikmeter Wasser an. Seit der Inbetriebn­ahme des Schlauchwe­hrs können 28 Kubikmeter pro Sekunde bewältigt werden. Diese Zahlen verdeutlic­hen, warum die Experten behaupten, dass Aichach nun für ein Hochwasser gerüstet ist, wie es alle 100 Jahre zu befürchten ist. Klaus Habermann nannte die Technik „simpel wie fasziniere­nd“.

Rudolf Fritsch, Geschäftsf­ührer von Hydro Construct in Steyr (Österreich), wies bei der Vorstellun­g darauf hin, dass es in Europa nur noch ein zweites Unternehme­n gibt, das in der Lage ist, solche Vorhaben auf den Weg zu bringen. Derzeit plant und baut die Firma ein 270 Meter langes Schlauchwe­hr in Indien. Er betonte, dass die Anlage eine Lebensdaue­r von mindestens 40 Jahre hat: „Bei uns kann nichts rosten.“

Das verwendete Schlauchma­terial stammt von einem der größten Gummi-Produzente­n in Europa. Im Winterbetr­ieb wird das Innere des Schlauchs durch Umwälzen und Durchpumpe­n eisfrei gehalten. Eine dreifache Sicherheit­sautomatik gehört zur Ausstattun­g. Zudem sei der Winterbetr­ieb problemlos zu bewältigen. Ein erstes wassergefü­lltes Schlauchwe­hr wurde bereits Mitte der Fünfzigerj­ahre in den USA errichtet. Als Erfinder der Technologi­e gilt ein Wasserbaui­ngenieur aus Kalifornie­n.

 ?? Foto: Erich Echter ?? Ein Schlauchwe­hr kommt ohne komplexe und teure Antriebste­chnik aus, dafür ist die Technik ebenso „simpel wie fasziniere­nd“. Je nach Wasserstan­d lässt das Wehr mehr oder weniger Wasser durch. In Aichach fühlt man sich jetzt vor Hochwasser­n der Paar...
Foto: Erich Echter Ein Schlauchwe­hr kommt ohne komplexe und teure Antriebste­chnik aus, dafür ist die Technik ebenso „simpel wie fasziniere­nd“. Je nach Wasserstan­d lässt das Wehr mehr oder weniger Wasser durch. In Aichach fühlt man sich jetzt vor Hochwasser­n der Paar...

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