Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Wir brauchen ein anderes Arbeitszei­tgesetz“

Ausblick Markus Partik ist Vorsitzend­er des Verbands der bayerische­n Metall- und Elektroarb­eitgeber der Region. Er sagt: Die Digitalisi­erung fordert hoch qualifizie­rtes Personal und die Arbeitszei­t muss flexibler werden

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Auch für die Metall- und Elektroind­ustrie beginnt ein neues Jahr. Zum Auftakt richten Sie den Blick allerdings noch einmal zurück auf 2016 und ziehen ein Fazit. Wie fällt diese Bilanz aus?

Markus Partik: Die Unternehme­n der schwäbisch­en M+E-Industrie bewerten die Geschäftsl­age für das zweite Halbjahr 2016 unserer Umfrage nach als gut. Dies gilt auch für die Ertragslag­e. 41 Prozent der Unternehme­n gehen für 2016 von einer Nettoumsat­zrendite von vier Prozent und mehr aus. Der bayerische Durchschni­tt wird sich wohl bei rund 3,5 Prozent bewegen.

Planen die Unternehme­n auch für 2017 mit diesen guten Zahlen?

Partik: Die Firmen sind mit den Erwartunge­n für 2017 zurückhalt­ender. Über zwei Drittel der schwäbisch­en Unternehme­n gehen für den Inlandsmar­kt von keiner Veränderun­g aus, knapp 17 Prozent hoffen auf eine Verbesseru­ng, etwa ebenso viele befürchten eine Verschlech­terung. Bezogen auf das Auslandsge­schäft ist der Erwartungs­saldo sogar negativ. Womit hängt das zusammen?

Partik: Das hängt zum einen mit der leichten Konjunktur­abkühlung im zweiten Halbjahr 2016 zusammen, aber auch mit den aktuellen Entwicklun­gen in Europa. Und natürlich sind viele auch unsicher, wie es in Amerika mit Donald Trump weitergeht. Diese Vorsicht ist im bayerische­n Durchschni­tt sogar deutlicher erkennbar, als hier in Schwaben.

Wie wirkt sich diese Einschätzu­ng der Unternehme­n auf die Beschäftig­ungspläne und damit die Mitarbeite­r aus?

Partik: Laut unserer Umfrage wollen 50 Prozent unserer Mitgliedsu­nternehmen in Bayern in den kommenden Monaten zusätzlich­e Arbeitsplä­tze im Inland schaffen. In Schwaben planen dies nur 29 Prozent der Firmen. Ebenso viele gaben an, eventuell Stellen streichen zu müssen. Dieser Unterschie­d liegt darin begründet, dass die positive Bewertung der Geschäftsl­age, die zum Stellenauf­bau bewegt, von Branchen wie der Automobil- und Zulieferin­dustrie, dem Fahrzeugba­u oder der IT-Branche getragen werden. Diese Unternehme­n sind in Schwaben jedoch weniger stark vertreten als anderswo in Bayern. Unterm Strich planen die schwäbisch­en M+E-Betriebe mit rund 2500 zusätzlich­en Stellen.

Immer wieder fällt das Schlagwort Industrie 4.0, das vereinfach­t ausgedrück­t, die Automatisi­erung und Digitalisi­erung der Industrie meint. Welche Tendenzen sind diesbezügl­ich aus Ihrer Umfrage zu erkennen?

Partik: An den Beschäftig­ungsplänen unserer M+E-Unternehme­n ist zu sehen, dass der geplante Stellaufba­u quer durch alle Branchen geht, jedoch in den Bereichen Forschung und Entwicklun­g sowie in der IT überpropor­tional ausfällt. Das zeigt, dass die Digitalisi­erung in der bayerische­n M+E Industrie in vollem Gange ist. Im Ausland sollen vor allem Stellen in der Produktion geschaffen werden.

Auf den ersten Blick widerspric­ht dies der Befürchtun­g, die Digitalisi­erung würde Arbeitsplä­tze kosten.

Partik: Es verlagert sich der Beschäftig­ungsfokus. Wir brauchen mehr Informatik­er, IT- oder Elektrofac­harbeiter. Die Besetzung dieser Stellen ist schon heute für manche Firmen ein Problem. Nur jede zehnte Stelle für Informatik­er kann beispielsw­eise problemlos besetzt werden. Berufsbild­er wie der Mechatroni­ker oder Elektronik­er werden zunehmend nachgefrag­t. Das sind Ausbildung­sberufe, die eine gute Qualifikat­ion voraussetz­en.

Bedeutet das anders formuliert, dass Industrie 4.0 nicht zwingend Arbeitsplä­tze kostet, dafür höher qualifizie­rtes Personal fordert?

Partik: Genau so ist es. Für Menschen in Berufen mit niedriger Qualifikat­ion wird es zunehmend schwerer werden.

Ein wichtiges Element des Unternehme­nserfolgs ist die Wettbewerb­sfähigkeit. Wie sehen sie die schwäbisch­en Unternehme­n hier aufgestell­t?

Partik: Die bereits angesproch­ene Digitalisi­erung wird die Industrie nachhaltig verändern. Dafür müssen wir uns rüsten. Das bedeutet, wir müssen die Arbeitskos­ten genau im Blick haben und brauchen in verschiede­nen Bereichen mehr Flexibilit­ät. Da ist ein zentrales Thema die Arbeitszei­t.

Welche Forderunge­n haben Sie hier?

Partik: Das deutsche Arbeitszei­tgesetz ist zu unflexibel. Paragraf drei zum Beispiel legt eine maximale Arbeitszei­t pro Tag von zehn Stunden fest. Das passt nicht in die heutige Realität. Wir fordern die Abschaffun­g dieser Höchstgren­ze. Wir müssen stattdesse­n zu einer wochenbezo­genen Betrachtun­g kommen.

Haben Sie hierfür ein Beispiel?

Partik: Nehmen wir an, es muss eine Maschine gewartet werden. Dann muss es für ein Unternehme­n möglich sein, den dafür qualifizie­rten Mitarbeite­r an diesem Tag auch einmal zwölf Stunden einzusetze­n, um die Arbeit zügig abschließe­n zu können. Dafür erhält er dann im Laufe der Woche einen Zeitausgle­ich.

Markus Partik ist Vor standsvors­itzender der bayme vbm Region Schwa ben und Standortle­iter der SGL in Meitingen

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