Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Ich jage den Kasten in die Luft“

Prozess Ein Arbeitslos­er drohte dem Jobcenter und legte sich wenig später mit der Polizei an

- VON KLAUS UTZNI

Menschen, die beim Jobcenter Arbeitslos­engeld II (Hartz IV) beantragen, wollen schnell Geld sehen, weil sie oft blank sind. Doch ohne die nötigen Unterlagen zahlt das Jobcenter nicht. Da rastet mancher Kunde aus, der sich Hilfe erhofft hatte. Und landet vor Gericht. Zwei Fälle, die an einem Tag vor dem Amtsgerich­t verhandelt wurden.

Ein arbeitslos­er Koch, 33, hatte, wie er jetzt im Prozess vor Amtsrichte­rin Kathrin Steinhause­r sagte, „keinen Cent mehr, nicht mal Geld für Essen“. Als er im Juni 2016 zum Jobcenter in der August-WesselsStr­aße in Oberhausen geht, um Hartz IV zu beantragen, wird er allerdings enttäuscht. „Es fehlten Unterlagen. Und dann wurde er etwas laut“, erinnert sich die Mitarbeite­rin der Behörde. Der 33-Jährige (Verteidige­r: Marco Müller) schlug zwei Türen mit derartiger Wucht zu, dass der Putz von den Wänden fiel. Und dann drohte er: „Ich jage den Kasten mit einer Bombe in die Luft. Und dann wird kein Stein mehr auf dem anderen sein“. Worte, die für die Staatsanwa­ltschaft den Tatbestand „Störung des öffentlich­en Friedens“erfüllten. Der Angeklagte sagt, er habe sich durch das Jobcenter „verarscht“gefühlt. Alles sei ihm abgelehnt worden.

Nur drei Wochen später ein erneuter strafwürdi­ger Aggression­sschub: Nachdem er am Königsplat­z Passanten beleidigt und angegriffe­n hatte, holte ihn die Polizei aus einer Tram der Linie 1. Er hatte sich zuvor betrunken (1,8 Promille), Tabletten geschluckt und Kräuter geraucht, weil ihn seine Freundin aus der Wohnung geworfen hatte. Beim Auftauchen der Polizei sah er Rot.

Obwohl mit Handschell­en gefesselt, wütete er so im Streifenwa­gen, dass die Beamten einen sogenannte­n Gefangenen­transporte­r ordern mussten, um den wütenden Mann in den Arrest zu bringen. Der „hochgradig aggressive“Angeklagte, so ein Polizist, rammte einen Beamten noch mit dem Kopf in den Bauch. Richterin Steinhause­r verurteilt­e den über ein Dutzend Mal vorbestraf­ten Koch, der seit einem halben Jahr in Untersuchu­ngshaft sitzt, zu neun Monaten Gefängnis. Die U-Haft wird angerechne­t.

Parallelen zeigt ein Fall, der zufällig zeitgleich in einem anderen Saal vor Amtsrichte­rin Martina Triebel verhandelt wird. Ein 50-Jähriger (Verteidige­r: Felix Hägele) hatte im März 2016 im Jobcenter Unterstütz­ung für seine Familie beantragt für eine Zeit, in der er selbst im Gefängnis gesessen hatte. Doch auch er konnte entspreche­nde Unterlagen nicht vorweisen. Also wurde sein Begehren zunächst abgelehnt, was ihn in Rage versetzte. „Wenn ich nichts bekomme, kommt keiner mehr lebend hier raus“, rief er. Seine Drohung sah die Staatsanwa­ltschaft im Prozess als „versuchte Erpressung“. Weil der Angeklagte zuvor bereits wegen Diebstahls zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, stellt Richterin Triebel das Verfahren ein. Das Gericht hätte bei einer erneuten Verurteilu­ng eine Gesamtstra­fe bilden müssen und die wäre unerheblic­h höher ausgefalle­n.

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