Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gefährlich­es Erbe im Boden

Blindgänge­r Der Bombenfund vor Weihnachte­n war außergewöh­nlich groß, doch kleinere Blindgänge­r sind auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende keine Seltenheit. Warum eine Vorab-Suche in der Jakoberwal­lstraße nichts brachte

- VON STEFAN KROG UND JÖRG HEINZLE

Gute dreieinhal­b Wochen ist es jetzt her, dass die Augsburger Innenstadt womöglich an einer Katastroph­e vorbeischr­ammte. Am Nachmittag des 20. Dezember kam bei Baggerarbe­iten für die Tiefgarage eines Wohnhaus-Neubaus in der Jakoberwal­lstraße eine 1,8 Tonnen schwere Fliegerbom­be ans Tageslicht. Wäre sie explodiert, hätte es im Umkreis von mehreren hundert Metern Tote und Schwerverl­etzte gegeben, Teile der Innenstadt wären zerstört gewesen.

Der Zweite Weltkrieg hat ein Erbe im Boden hinterlass­en, das immer noch tödlich sein kann. Das Amt für Brand- und Katastroph­enschutz sagt: „Wie viele Blindgänge­r noch in Augsburg lagern, ist zuverlässi­g nicht abzuschätz­en. Man muss jedoch realistisc­herweise davon ausgehen, dass es noch eine erhebliche Anzahl geben kann.“Fachleute gehen davon aus, dass bis zu 15 Prozent der Bomben nicht explodiert­en – so mancher Augsburger dürfte auf einem Blindgänge­r sitzen, ohne davon zu ahnen. Solange eine Bombe unbewegt im Boden liegt, wird die Gefahr aber als gering eingeschät­zt. Die großen Luftminen („Blockbuste­r“) wie kurz vor Weihnachte­n tauchen selten auf, aber ansonsten werden regelmäßig Splitter- und Brandbombe­n oder Granaten gefunden. Zwischen einem und sechs Blindgänge­rn pro Jahr sind es, die meist bei Bauarbeite­n ans Tageslicht kommen. Großprojek­te wie Schleifens­traßen-Bau, der viergleisi­ge Ausbau der Bahnstreck­e nach München oder der Bahnhofstu­nnel (Lagerplatz Perzheimwi­ese) – überall fanden sich Blindgänge­r. Auch Kaliber von einer halben Tonne gibt es immer wieder.

Nach der Bayerische­n Bauordnung ist grundsätzl­ich der Bauherr dafür zuständig, sein Grundstück auf Kampfmitte­l zu untersuche­n. In Gebieten mit Bebauungsp­länen gibt die Stadt Hinweise, ob im betreffend­en Areal mit Blindgänge­rn zu rechnen ist, so das Baureferat. Im Amt für Brand- und Katastroph­enschutz lagern Luftbilder der Alliierten aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Behörde berät Bauherren bei dem Thema. Wo auf den Luftbilder­n helle Flecken sind, ist es „heiß“– dabei handelt es sich um Bombenkrat­er. Und wo viele Krater sind, fielen viele Bomben – die Wahrschein­lichkeit, dass sich dort auch mehr Blindgänge­r finden, ist höher.

Besonders betroffen sind alle Stadtteile, in denen viel Rüstungsin- dustrie saß, etwa Haunstette­n (Messerschm­itt) und die nördliche Innenstadt (MAN). Aber auch Infrastruk­turanlagen wie die Bahn waren ein Ziel der Luftangrif­fe. Zudem gab es mit der „Augsburger Bombennach­t“im Februar 1944 auch einen groß angelegten Angriff auf die Innenstadt.

Das Areal an der Jakoberwal­lstraße, wo die Riesenbomb­e lagerte, zeigte laut Stadt auf dem Luftbild allerdings „keine Auffälligk­eiten“. Es seien nur sehr wenige Krater in der Umgebung erkennbar.

Der Bauherr, der Augsburger Bauträger GS Wohnbau, beauftrag- te im Vorfeld aber trotzdem eine Firma, die auf Kampfmitte­lsuche spezialisi­ert ist. „Nach unserem Kenntnisst­and war das Grundstück in der Zeit zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriege­s und unserem

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Die Sprengmeis­ter (von links) Christian Scheibinge­r, Martin Radons und Roger Flakowski entschärft­en am 25. Dezember die 1,8 Tonnen schwere Fliegerbom­be. Sie war in der Jakobervor­stadt gefunden worden.
Foto: Silvio Wyszengrad Die Sprengmeis­ter (von links) Christian Scheibinge­r, Martin Radons und Roger Flakowski entschärft­en am 25. Dezember die 1,8 Tonnen schwere Fliegerbom­be. Sie war in der Jakobervor­stadt gefunden worden.

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