Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Gefährliches Erbe im Boden
Blindgänger Der Bombenfund vor Weihnachten war außergewöhnlich groß, doch kleinere Blindgänger sind auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende keine Seltenheit. Warum eine Vorab-Suche in der Jakoberwallstraße nichts brachte
Gute dreieinhalb Wochen ist es jetzt her, dass die Augsburger Innenstadt womöglich an einer Katastrophe vorbeischrammte. Am Nachmittag des 20. Dezember kam bei Baggerarbeiten für die Tiefgarage eines Wohnhaus-Neubaus in der Jakoberwallstraße eine 1,8 Tonnen schwere Fliegerbombe ans Tageslicht. Wäre sie explodiert, hätte es im Umkreis von mehreren hundert Metern Tote und Schwerverletzte gegeben, Teile der Innenstadt wären zerstört gewesen.
Der Zweite Weltkrieg hat ein Erbe im Boden hinterlassen, das immer noch tödlich sein kann. Das Amt für Brand- und Katastrophenschutz sagt: „Wie viele Blindgänger noch in Augsburg lagern, ist zuverlässig nicht abzuschätzen. Man muss jedoch realistischerweise davon ausgehen, dass es noch eine erhebliche Anzahl geben kann.“Fachleute gehen davon aus, dass bis zu 15 Prozent der Bomben nicht explodierten – so mancher Augsburger dürfte auf einem Blindgänger sitzen, ohne davon zu ahnen. Solange eine Bombe unbewegt im Boden liegt, wird die Gefahr aber als gering eingeschätzt. Die großen Luftminen („Blockbuster“) wie kurz vor Weihnachten tauchen selten auf, aber ansonsten werden regelmäßig Splitter- und Brandbomben oder Granaten gefunden. Zwischen einem und sechs Blindgängern pro Jahr sind es, die meist bei Bauarbeiten ans Tageslicht kommen. Großprojekte wie Schleifenstraßen-Bau, der viergleisige Ausbau der Bahnstrecke nach München oder der Bahnhofstunnel (Lagerplatz Perzheimwiese) – überall fanden sich Blindgänger. Auch Kaliber von einer halben Tonne gibt es immer wieder.
Nach der Bayerischen Bauordnung ist grundsätzlich der Bauherr dafür zuständig, sein Grundstück auf Kampfmittel zu untersuchen. In Gebieten mit Bebauungsplänen gibt die Stadt Hinweise, ob im betreffenden Areal mit Blindgängern zu rechnen ist, so das Baureferat. Im Amt für Brand- und Katastrophenschutz lagern Luftbilder der Alliierten aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Behörde berät Bauherren bei dem Thema. Wo auf den Luftbildern helle Flecken sind, ist es „heiß“– dabei handelt es sich um Bombenkrater. Und wo viele Krater sind, fielen viele Bomben – die Wahrscheinlichkeit, dass sich dort auch mehr Blindgänger finden, ist höher.
Besonders betroffen sind alle Stadtteile, in denen viel Rüstungsin- dustrie saß, etwa Haunstetten (Messerschmitt) und die nördliche Innenstadt (MAN). Aber auch Infrastrukturanlagen wie die Bahn waren ein Ziel der Luftangriffe. Zudem gab es mit der „Augsburger Bombennacht“im Februar 1944 auch einen groß angelegten Angriff auf die Innenstadt.
Das Areal an der Jakoberwallstraße, wo die Riesenbombe lagerte, zeigte laut Stadt auf dem Luftbild allerdings „keine Auffälligkeiten“. Es seien nur sehr wenige Krater in der Umgebung erkennbar.
Der Bauherr, der Augsburger Bauträger GS Wohnbau, beauftrag- te im Vorfeld aber trotzdem eine Firma, die auf Kampfmittelsuche spezialisiert ist. „Nach unserem Kenntnisstand war das Grundstück in der Zeit zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und unserem