Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Minister räumt Fehler im Fall Amri ein
Terror Hätte der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt verhindert werden können? Justizminister Maas kündigt Bericht über Versäumnisse der Sicherheitsbehörden an
Berlin Hätte der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche verhindert werden können? Seit Februar 2016 wurde Anis Amri von den Sicherheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen als „Gefährder“geführt. Sieben Mal beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe im gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum des Bundes und der Länder mit ihm. Zuletzt gingen von tunesischen und marokkanischen Geheimdiensten drei Warnungen ein, Amri könnte einen Anschlag unternehmen. Doch das blieb folgenlos. Fünf Tage vor Weihnachten raste er mit einem gekaperten Lkw in den Weihnachtsmarkt und tötete dabei zwölf Menschen.
Nun hat mit Justizminister Heiko Maas (SPD) erstmals ein Mitglied der Bundesregierung Versäumnisse der zuständigen Sicherheitsbehörden im Umgang mit dem Attentäter Anis Amri eingeräumt. „Es kann sich nach dem, was da geschehen ist, und nach dem, was man mittlerweile weiß, niemand hinsetzen und sagen, es sind keine Fehler gemacht wor- sagte der Politiker in einer ZDF-Talkshow. Nachdem bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel unmittelbar nach dem Anschlag eine umfassende Aufklärung der Tat versprochen und Konsequenzen in Aussicht gestellt hatte, kündigte Maas an, es werde „in den nächsten Tagen einen Bericht aller beteiligten Behörden geben, in dem sehr exakt noch einmal dargestellt wird, wer hat wann was gemacht und was entschieden“. Gleichzeitig verteidigte Maas die von ihm und Innenminis- ter Thomas de Maizière vorgeschlagenen Verschärfungen im Umgang mit Terrorverdächtigen. Nach dem Anschlag in Berlin sei es notwendig gewesen, zu schauen, „ob es gesetzliche Grundlagen gibt, die die Behörden auch daran gehindert haben, etwas zu tun“. So gebe es bislang keinen eigenen Haftgrund für Menschen, die von den Sicherheitsbehörden als „Gefährder“eingestuft wurden. Das werde jetzt geändert.
Amri konnte im Frühsommer 2015, somit noch vor der eigentliden“, chen Flüchtlingswelle des Spätsommers und Herbsts des Jahres 2015, ungehindert in Deutschland einreisen, obwohl er sowohl in seinem Heimatland Tunesien wie in Italien im Gefängnis saß. Gegenüber den Behörden legte er sich 14 verschiedene Identitäten zu. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, doch er blieb mit einer Duldung im Land. Wegen fehlender Aufenthaltspapiere wurde er festgenommen, aber wieder auf freien Fuß gesetzt. Eine Abschiebung nach Tunesien scheiterte, weil die Behörden seines Heimatlandes vor der Ausstellung von Ersatzpapieren den Nachweis verlangten, dass es sich tatsächlich um einen Bürger ihres Staates handelte.
Und obwohl man sein Telefon abhörte und wusste, dass er mit ISLeuten in Verbindung stand, öfter von einem Anschlag sprach und sich bei Mittelsmännern der Polizei nach Waffen erkundigte, kam das Gemeinsame Terrorabwehrzentrum zu der Einschätzung, es sei „eher unwahrscheinlich“, dass er den Worten auch Taten folgen lasse – ein fatales Fehlurteil. Mehr dazu lesen Sie im