Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Verbietet das Verfassungsgericht die NPD?
Parteien Das erste Verfahren gegen die rechtsextreme Partei endete in einer Blamage für Bund und Länder. Jetzt entscheiden die Karlsruher Richter erneut über einen Verbotsantrag. Es könnte eine Überraschung geben
Augsburg Es lief nicht gut für die Rechtsanwälte der rechtsextremen NPD. Erst erklärte Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der mündlichen Verhandlung im Saal des höchsten deutschen Gerichts, dass es für die Behauptung, die NPD sei noch immer von V-Leuten des Verfassungsschutzes unterwandert, keine Belege gebe. Dann nahmen Voßkuhles Richterkollegen mehrere NPD-Funktionäre in die Mangel und hielten ihnen diverse rassistische und rechtsextreme Aussagen vor.
Nach drei Jahren intensiver Prüfung verkünden die Richter am Dienstag ihre Entscheidung, ob die NPD verboten wird: Sie würde aufgelöst, müsste alle ihre Mandate abgeben und könnte den Rest ihres Vermögen verlieren. Doch kommt es so weit? Die Partei kämpft gegen ihren Ruin und hat gerade noch 5000 Mitglieder. Nach dem Erfolg der AfD verlor die rechtsextreme NPD vergangenen September in Mecklenburg-Vorpommern auch ihre letzten Sitze in einem Landtag.
In Kreisen der Bundesregierung wird erwartet, dass angesichts der Bedeutungslosigkeit der NPD das Verbotsverfahren scheitern dürfte. Der bayerische CSU-Innenminister Joachim Herrmann hofft dagegen auf einen Erfolg: Parteiübergreifend haben die Bundesländer das Verbot unter dem Eindruck des Skandals um die Ermittlungspannen im Fall der mordenden NSU-Terrorzelle 2013 beantragt. Das erste Verbotsverfahren endete zehn Jahre zuvor in einer Blamage: Die Karlsruher Richter wiesen den Antrag zurück, die NPD auf ihren Führungsebenen von VerfassungsschutzSpitzeln durchsetzt war.
Auch Experten warten sehr gespannt auf das Urteil und schließen dabei auch eine Überraschung nicht aus. „Juristisch wird das Urteil auf jeden Fall sehr interessant“, sagt Deutschlands bekanntester Parteienrechtler Martin Morlok im Gespräch mit unserer Zeitung. „Es ist vorstellbar, dass das Verfassungsgericht am Dienstag sagt, die NPD hat ein verfassungswidriges Programm, aber um die Verhältnismäßigkeit zu wahren, wird sie nicht verboten, sondern die Richter regen an, dass der Gesetzgeber Maßnahmen unterhalb eines Verbotes schaffen sollte“, erklärt der Professor der Universität Düsseldorf. Denn eine der umstrittensten Fragen im Umgang mit extremistischen Parteien ist, ob der Staat seine politischen Gegner auch noch finanziell unterstützen muss.
„Die Politik denkt immer wieder über einen Entzug der Parteienfinanzierung nach“, sagt Morlok. Nun könnten die Verfassungsrichter direkt oder indirekt einen entspreweil chenden Handlungsauftrag geben. „Hier muss man natürlich aufpassen, dass die Parteien nicht einfach unliebsame Konkurrenten ausschalten können“, sagt Morlok.
Doch selbst wenn es die Verfassungsrichter bei den bestehenden Regeln beließen, erwartet der Parteienrechtsexperte eine wichtige Klärung für künftige Parteienverbote: „Egal, wie das Urteil am Ende ausfällt, es wird sehr wichtig sein“, betont Morlok. „Die bisherige Rechtsprechung stammt aus den Jahren 1952 und 1956, also aus einer ganz anderen Zeit.“Damals war die junge Demokratie der Bundesrepublik längst noch nicht gefestigt. „Ein Parteiverbot war damals eine rein präventive Maßnahme, bei der es nicht auf Verhältnismäßigkeit ankam“, sagt Morlok. Seitdem hätten sich die Verhältnisse dramatisch gewandelt, sodass es in jedem Fall zu begrüßen sei, dass das Bundesverfassungsgericht nun die Chance zu einer zeitgemäßen Neubewertung der Rechtsprechung hat.
Falls der Antrag auf ein NPDVerbot an der Frage scheitert, dass die rechtsextreme Partei angesichts politischer Bedeutungslosigkeit keine konkrete Gefahr für die Demokratie bedeutet, wäre dies keine Blamage für die klagenden Bundesländer, sagt Morlok. „Politik besteht zu einem Gutteil auch aus symbolischem Handeln. Man wollte hier etwas gegen Rechts unternehmen. Die Frage, ob das zielführend ist, spielte da weniger eine Rolle.“Selbst wenn die NPD-Vertreter am Dienstag als Sieger aus dem Gerichtssaal gehen würden, „wird das der Partei keinen Schub mehr geben können“, ist sich der Experte sicher.