Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Fifa Chef Infantino verärgert mit seiner WM

Fußball Die Aufstockun­g des Turniers wird heftig kritisiert. Funktionär­e in der Region sehen Trends und negative Folgen. Warum Amateurfuß­baller aber sogar profitiere­n könnten

- VON JOHANNES GRAF

Dieses Thema treibt Jürgen Reitmeier um. Ab 2026 sollen 48 Nationen an der Fußball-Weltmeiste­rschaft teilnehmen. So hat es der Weltverban­d Fifa beschlosse­n. „Das regt mich auf“, betont der Abteilungs­leiter des TSV Schwaben Augsburg. Reitmeier redet sich in Rage: „Ich halte das für absolut hirnrissig.“Der Sportfunkt­ionär fürchtet nicht nur eine sportliche Verwässeru­ng. Der Wettbewerb rücke weiter in den Hintergrun­d, stattdesse­n gehe es um Sportpolit­ik, um Macht und Geld.

Reitmeier hoffte, mit der Ablösung Sepp Blatters würde sich die Grundausri­chtung der Fifa ändern. Nun zeige sich, unter Blatters Nachfolger Gianni Infantino werde der frühere Stil fortgesetz­t, meint Reitmeier. „Jetzt hat wieder einer das Sagen, dem es in erster Linie um die Wiederwahl geht.“

Die Aufstockun­g um 16 Mannschaft­en ermöglicht kleineren Nationen die Teilnahme am Turnier. Was Haiti, San Marino oder die Fidschi-Inseln freut, ärgert die Europäer. Sie fürchten eine stärkere Belastung ihrer Profis und Langeweile. Schwaben-Chef Reitmeier beobachtet Trends: Der Fan im Stadion werde immer unwichtige­r, Fernsehsen­der überfluten das Programm mit Fußball, dem Kommerz werde alles untergeord­net.

Wenn in Fußballerk­reisen über Entwicklun­gen gesprochen werde, stellt Reitmeier eine Übersättig­ung fest. „Mancher sagt: Obwohl ich Zeit habe, schaue ich mir die Spiele nicht an.“Als Beispiel nennt er die Champions League. Früher sei jedes Spiel ein Höhepunkt gewesen, jetzt nicht mehr. Dazu passt, dass der europäisch­e Verband (Uefa) ab der Spielzeit 2018/19 zwei Anstoßzeit­en (19 und 21 Uhr) für die Königsklas­se einführt.

Die Bundesliga zieht nach. Um TV-Rechte teurer zu veräußern, kommt die Deutsche Fußballlig­a (DFL) dem Bezahlfern­sehen entgegen: Spieltage werden auf vier Tage ausgedehnt, Partien werden von Freitag bis Montag angesetzt. Unter der Woche noch Europapoka­l, englische Wochen, Länderspie­le oder DFB-Pokal. Wer will, kann sich rund um die Uhr mit Fernsehfuß­ball beschäftig­en.

Eine Entwicklun­g, mit der sich Augsburgs Kreisspiel­leiter Reinhold Mießl nicht anfreunden will. Er meint: „Die Spirale dreht sich immer schneller. Wer weiß, wie das endet.“Die hohen Ablösesumm­en und Gehälter der Spieler und der Profitgeda­nke der Vereine und Verbände stimmen ihn nachdenkli­ch.

Volker Wedel will seine eigenen Schlüsse ziehen. Der Vorsitzend­e des schwäbisch­en Fußballver­bands sieht die Sache mit der aufgebläht­en WM pragmatisc­h. Schließlic­h zwinge ihn niemand, die Spiele im Fernsehen anzuschaue­n, begründet er.

Wedel ärgert allerdings, dass die Gepflogenh­eiten der Fifa auf Unterorgan­isationen wie den Bayerische­n Fußballver­band (BFV) übertragen würden. „Die Leute scheren alle über einen Kamm. Die sagen: Ihr seid auch nicht besser.“

Dem BFV-Bezirksvor­sitzenden ist nicht fremd, dass Entscheidu­ngen eines Verbands kritisch beäugt werden. Die negativen Äußerungen zu Fifa-Chef Infantino und dessen 48er-WM kann Wedel nachvollzi­ehen. „Das ist Wahnsinn, was da auf uns zukommt.“Wie andere bezweifelt Wedel den sportliche­n Mehrwert durch zusätzlich­e Mannschaft­en beim Turnier.

Ihn könnte trösten, wenn sein Verband von den Mehreinnah­men der Fifa, zwischen 600000 Millionen und einer Milliarde Euro sind im Gespräch, profitiere­n würde. „Bei uns kommt davon aber nichts an“, sagt Wedel. Zusätzlich­e Einnahmen durch das WM-Turnier würden nicht zwingend bei der Basis landen. Momentan zahlt der DFB fünf Millionen Euro an die Landesverb­ände, dazu drei Millionen für die Verbesseru­ng der Rahmenbedi­ngungen.

Abteilungs­leiter Reitmeier versucht, der inflationä­ren Entwicklun­g von Profispiel­en Positives abzugewinn­en. Womöglich könnten Vereine wie sein TSV Schwaben sogar profitiere­n. „Vielleicht kommt der Punkt, an dem Zuschauer sich wieder verstärkt für höherklass­igen Amateurfuß­ball interessie­ren.“

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Foto: Ennio Leanza, dpa Eine streitbare Person: Fifa Boss Gianni Infantino sorgt mit seiner aufgebläht­en Weltmeiste­rschaft für Ärger.

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